Düsseldorf. Am Samstag gab es in Düsseldorf eine XXL-Demo gegen rechts. Auch Promis waren dabei. Dazu: ein Köln-Bashing von Mona Neubaur.
Vielleicht lag es an der Kälte, die am späten Samstagnachmittag (27. Januar) trotz des sonnigen Vorfrühlingswetters langsam von den Rheinwiesen aus in die Beine kroch. Vielleicht lag es aber auch an den allzu lang geratenen Redebeiträgen auf der Bühne unter der Rheinkniebrücke: Als die Broilers am Ende der Anti-AfD-Demo ihren ersten Ton spielten, hatten die allermeisten Menschen das Areal auf der linken Rheinseite bereits verlassen. Aber: Was aber davor in Düsseldorf passiert war, bricht alle Rekorde. 100.000 Menschen kamen auf das Gelände, auf dem sonst die Rheinkirmes steigt, um gegen Rechtsextremismus Flagge zu zeigen. 65.000 Demonstrierende liefen im Protestzug mit. Alles in allem die größte Ansammlung an Menschen, die die NRW-Landeshauptstadt in der jüngeren Geschichte erlebt hat.
Bilder von der Anti-AfD-Demo in Düsseldorf
Das überwältigte auch die prominenten Redner auf der Bühne. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) zeigte sich „sprachlos und überwältigt“. Sie erinnert an die Holocaust-Überlebende und Zeitzeugin Margot Friedländer (104), die gesagt hat: „So hat das damals auch angefangen, Nazis wurden in Parlamente gewählt.“ Zudem verteilte die Grünen-Spitzenpolitikerin ein großes Lob an „ihre“ und ein Bashing an eine andere Stadt; „Ich sag‘s mal, wie es ist als Düsseldorferin: Schönen Gruß nach Köln!“
Verkehr kam komplett zum Erliegen
Zu der Großdemonstration hatten die Bündnisse „Düsseldorf stellt sich quer“, der Düsseldorfer Appell und Kirchenverbände aufgerufen. Unter der Woche appellierten auch die großen Sportclubs der Landeshauptstadt wie die Fortuna und die DEG an ihre Anhänger, an der Kundgebung teilzunehmen. Und der Aufruf zeigte Wirkung: Bereits ab 11 Uhr strömten viele Menschen vor das DGB-Haus an der Friedrich-Ebert-Straße in der Düsseldorfer Innenstadt. Um 12 Uhr ging es dort mit Redebeiträgen los, während immer mehr Menschen von überall her in die City strömten. Die Polizei entschied sich daher, den geplanten Start für den Demo-Zug (13 Uhr) eine Viertelstunde vorzuverlegen, „um die Situation zu entzerren“, wie Polizeisprecher Marcel Fiebig auf NRZ-Anfrage betonte. Am Startpunkt Ost-/Graf-Adolf-Straße entschieden sich dann noch viele Schaulustige und Passanten, spontan bei der Demo mitzulaufen - und den Verkehr in der CIty damit komplett zum Erliegen zu bringen.
Die im Vorfeld angemeldete Zahl von rund 30.000 Demoteilnehmern war da laut ersten Schätzungen der Düsseldorfer Polizei bereits weit überschritten. Wie Polizeisprecherin Anja Kynast auf NRZ-Nachfrage mitteilte, zogen am Ende etwa 65.000 Menschen durch die Düsseldorfer Innenstadt. Zu dieser Zeit waren viele Demonstranten mit Bannern und Plakaten bereits zum Kundgebungsplatz auf der anderen Rheinseite unterwegs. Das Teilnehmerfeld war dabei bunt gemischt: Neben lokalen Verbandsgruppen der Antifa waren auch Vertreter der Parteijugend der SPD und der Grünen sowie Linke unterwegs. Auch viele Familien mit Kindern zeigten am Samstagnachmittag Flagge gegen Rechts.
Viele Familien kamen auch mit ihren Kindern
Wie etwa die Familie von Michael Schotten aus Düsseldorf-Angermund, der mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen (11 und 8 Jahre) auf den Rheinwiesen auf die Reden wartete. „Wir sind ganz bewusst mit den Kindern hierhergekommen, um ihnen zu vermitteln, dass man was tun muss gegen Hetze und Gleichmacherei“, so Schotten zur NRZ. „Wenn man in einer friedlichen Welt leben will, muss man auch aufstehen und friedlichen Protest leisten.“
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Und auch die älteren Semester kamen zu Tausenden. „Wir sind aus christlichen Gründen hier“, sagt der 84-jährige Düsseldorfer Egon Lausch. Seiner Frau Dagmar schießen Tränen in die Augen, als sie sagt: „Ich habe eine chinesische Freundin und Enkelkinder.“ Ihr Begleiter Hartfried Kleinert ergänzt: „Wir sind ja schon älteres Semester, aber die jungen Leute müssen jetzt wissen, was sie tun.“
Zahlreiche Fußball-Fans unter den Demo-Teilnehmern
Zudem mischten sich auch einige Fußballfans unters Volk, die am Abend noch zum Top-Spiel der 2. Fußballbundesliga zwischen Fortuna Düsseldorf und dem FC. St. Pauli in die Stockumer Arena weiterreisten. Darunter befanden sich auch viele St.Pauli-Fans, wie Justus Haukap aus Niedersachsen, der für das Spiel seines Lieblingsclubs bei der Fortuna nach Düsseldorf anreiste. Mit seinen Söhnen ist er aber am Mittag zunächst an die Oststraße gekommen. Dass so viele Menschen den Aufrufen gefolgt sind, freute den Familienvater: „Ich finde es großartig, dass so viele Menschen am Start sind und gegen die AfD und Rechts demonstrieren.“ Bei dem Hamburger Stadtteilclub habe der Kampf gegen Rassismus und Faschismus eine lange Tradition, betont er. Deswegen wollte er vor dem Anpfiff um 20.30 Uhr in der Düsseldorfer Arena mit seiner Teilnahme an der Demo in der NRW-Landeshauptstadt ein Zeichen setzen.
Rapper Jayjay auf der Bühne von „Rock gegen Rechts“
Unter dem Motto „Offbeat statt Gleichschritt“ hatte sich auch der Verein Rock gegen Rechts Düsseldorf an der Großdemo gegen die AfD und für Toleranz und Demokratie beteiligt. Der Verein, der jeden Sommer das gleichnamige Umsonst-und Draußen-Festival im Volksgarten organisiert, war mit einem eigenen Lautsprecherwagen im Demonstrationszug vertreten, der unter anderem dem Düsseldorfer Rapper JayJay eine mobile Bühne bot.
Erst gegen 15.45 Uhr kam auch das Ende des Protestzuges an den Oberkasseler Rheinwiesen an. Dort gab es auf einer Bühne neben der Rede von Mona Neubaur auch Redebeiträge von Oberbürgermeister Stephan Keller, der DGB-Vorsitzenden und Sprecherin des Düsseldorfer Appells, Sigrid Wolf, sowie von Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Sogar das Düsseldorfer Prinzenpaar Uwe und Melanie ließ sich blicken. Während sich OB Keller direkt an die Minderheiten in der Gesellschaft wendet („Wir stehen an eurer Seite“), zeigte sich auch Sigrid Wolf „sehr bewegt“. Man habe nicht gewusst, wie viele Menschen kommen. „Und jetzt stehe ich hier auf der Bühne und sehe so viele Menschen, die aufstehen!“ Nicht auf der Bühne, sondern am Rande des Geschehens, aber mit viel Gefolgschaft ließen sich Kuddel, Andi und Breiti von den Toten Hosen blicken. Breiti meinte zum Protest auf NRZ-Anfrage: „Das heute kann nur der Anfang sein.“
Die Broilers setzten den Schlusspunkt
Am Ende des Demo-Tages war auch die Polizei zufrieden. „Es war sehr friedlich, obwohl es so viele Menschen waren“, sagte Sprecherin Anja Kynast. Man habe lediglich ein paar Anzeigen anfertigen müssen, weil einige Personen aus Demo-Zug in Höhe der Rheinbrücke Pyrotechnik gezündet hatten. Und auch der für die Demo verantwortliche Polizeidirektor Thorsten Fleiß sagte: „Die Versammlungsteilnehmenden haben ein friedliches Miteinander gezeigt. Wir konnten dazu beitragen, dass ein so großer Aufzug durchgeführt werden konnte und die Verkehrsbeeinträchtigungen auf ein erforderliches Maß reduziert wurden.“
Samy Amara, der Sänger der Broilers, fasste den Tag am Ende noch einmal kurz und gut zusammen. „Wir haben heute hier gezeigt, dass die Trolls, die sich in rechtsradikalen Foren im Internet verabreden, Scheiße labern. Wir sind die Mehrheit, wir stehen auf!“