Essen. Nachdem die Kommunalaufsicht in Düsseldorf weitere Einsprüche der AfD zurückgewiesen hat, ist der Weg frei – und die Partei ihren Tagungsort los.

Nun ist es doch passiert: Gut drei Wochen vor ihrem geplanten Bundesparteitag in der Essener Grugahalle kommt der „Alternative für Deutschland“ ihre Bühne abhanden – die Messe Essen hat den im Januar 2023 geschlossenen Hallen-Vertrag am frühen Donnerstagabend gekündigt. Vorausgegangen war als letzter Anstoß ein Signal der Bezirksregierung Düsseldorf: Die dort beheimatete Kommunalaufsicht hatte der Stadt bescheinigt, dass die zuletzt von der AfD vorgebrachten Bedenken keinen Anlass bieten, den Beschluss des Essener Stadtrates vom 29. Mai zu beanstanden.

AfD-Parteitag: Verbotenes äußern – aus „trotziger Solidarisierung“ oder auch aus „bloßem Kalkül“

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In jenem Votum hatte der Rat mit großer Mehrheit die Freigabe der Grugahalle für den AfD-Parteitag mit einer Bedingung verknüpft: Die Partei sollte zuvor eine strafbewehrte Selbstverpflichtung abgeben, dass sie strafbare Äußerungen wie etwa die SA-Parole „Alles für Deutschland“ oder ähnliche NS-Sprüche verhindert oder zumindest „unverzüglich und wirksam“ unterbindet. Für jeden Fehltritt müsse sie ansonsten eine saftige Geldstrafe berappen.

„Das Vorgehen der Stadt Essen ist offensichtlich ebenso rechtswidrig wie orchestriert“, meint AfD-Bundesvorstandsmitglied Roman Reusch. Man habe deshalb Strafanzeige erstattet.
„Das Vorgehen der Stadt Essen ist offensichtlich ebenso rechtswidrig wie orchestriert“, meint AfD-Bundesvorstandsmitglied Roman Reusch. Man habe deshalb Strafanzeige erstattet. © dpa | Guido Kirchner

Die Stadt hatte diese Vertragsergänzung mit der zunehmenden Radikalisierung der Partei begründet und ihre Sorge vor verbalen Entgleisungen der 600 Delegierten oder der Besucher mit einer Expertise des Soziologen und Publizisten Andreas Kemper untermauert. Der sah eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass derlei verbotene Äußerungen aus „trotziger Solidarisierung“ oder auch aus „bloßem Kalkül“ geäußert werden. Die AfD spottete über Kemper als „ausgewiesenen AfD-Hasser aus dem linksextremen Milieu“, der „in erheblichem Maße voreingenommen“ gegenüber der Partei agiere. Sein Papier? Eine „Glaskugelexpertise“.

Strafanzeigen gegen Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen und Messe-Chef Oliver P. Kuhrt

AfD-Parteitag in Essen:

Das Ultimatum der Stadt Essen, bis zum Ablauf des 4. Juni die Selbstverpflichtung zu unterschreiben, ließ die AfD folglich ungenutzt verstreichen. Stattdessen formulierte ihre Kölner Haus- und Hof-Kanzlei Höcker in zwei längeren Schriftsätzen eine juristische Einschätzung, dass der Ratsbeschluss, die geforderte Selbstverpflichtung und auch die bei einer Weigerung daran geknüpfte außerordentliche fristlose Kündigung des Hallen-Vertrags „offensichtlich rechtswidrig“ seien. Offensichtlich nicht, kontert jetzt die Kommunalaufsicht.

Sie sehen sich Strafanzeigen der AfD wegen vermeintlicher Nötigung gegenüber: Oberbürgermeister Thomas Kufen (links) und Messe-Chef Oliver P. Kuhrt.
Sie sehen sich Strafanzeigen der AfD wegen vermeintlicher Nötigung gegenüber: Oberbürgermeister Thomas Kufen (links) und Messe-Chef Oliver P. Kuhrt. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Und während man bei der AfD im Hintergrund mutmaßlich bereits den Gang vors Gericht vorbereitet – infrage kommen das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wie auch das Landgericht Essen – ging die Partei schon vor Tagen dazu über, auch handelnde Personen einzuschüchtern: Roman Reusch, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der AfD und Mitglied des Bundesvorstands sprach von einem „nötigenden Verhalten“, das „offensichtlich ebenso rechtswidrig wie orchestriert“ sei. Darum habe man bei der Staatsanwaltschaft Essen Strafanzeige unter anderem gegen Oberbürgermeister Thomas Kufen und Messe-Chef Oliver P. Kuhrt erstattet.

Der Eingang der Anzeigen ist von der Behörde inzwischen bestätigt. Wie man damit umzugehen gedenkt, ob überhaupt Ermittlungen eingeleitet werden, soll sich frühestens in der nächsten Woche erweisen. Auch aus diesen unverhohlenen „Warnungen“ speiste sich das anfängliche Zögern der Messe, die Kündigung direkt nach Ablauf des Ultimatums auszusprechen. Mit ihrem Hinweis, am Ratsbeschluss gebe es nichts zu beanstanden, hat ihr die Bezirksregierung diese Sorge genommen.

AfD: „Es ist unser ureigenstes Interesse, dass niemand auf unseren Parteitagen Straftaten begeht“

Die Reaktion der AfD wird nicht lange auf sich warten lassen. Zumal Peter Boehringer, stellvertretender Sprecher im Bundesvorstand der AfD, für seine Partei in Anspruch genommen hatte, es sei deren „ureigenstes Interesse, dass niemand auf unseren Parteitagen Straftaten begeht – das gilt erst recht für rechtsextreme Parolen“. Dafür aber bedürfe es keiner vertraglichen Regelung mit der Stadt Essen. „Sollten sich indes Stadt und Messe weiterhin nicht rechtskonform verhalten wollen, werden wiederum wir unverzüglich gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen.“

Unbeeindruckt vom absehbaren Rechtsstreit zeigen sich die Veranstalter der Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag. Bei einem vorabendlichen Rave-Umzug durch Essen-Rüttenscheid, bei einer Demonstration samt Kundgebung und Konzertabend sowie einer Mahnwache werden Zehntausende AfD-Gegner erwartet.

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