Düsseldorf. In Düsseldorf sind zu viele Flächen versiegelt. Dadurch kommt es häufiger zu Hitze und Hochwasser. Was getan werden kann – und was die Stadt tut.
- Düsseldorf ist schwer versiegelt: die Deutsche Umwelthilfe geht von fast 45 Prozent versiegelter Fläche aus
- Was sind die Probleme bei Flächenversiegelungen?
- Was unternimmt die Stadt, um der Lage Herr zu werden?
Düsseldorf liegt zwischen Neubrandenburg und Schwerin. Nicht geografisch, sondern in einem Ranking der Deutschen Umwelthilfe. Die hat den Versiegelungsgrad städtischer Flächen ab einer Besiedlung von 50.000 Einwohnern untersucht. Düsseldorf schneidet dabei – gerade Einwohner Oberbilks, Derendorfs und Pempelforts könnte das überraschen – vergleichsweise gut ab. „Nur“ 44,55 Prozent der Fläche Düsseldorfs seien demanch versiegelt. Und das reicht schon aus, um im Ampelsystem der Umwelthilfe eine grüne Ampel zu bekommen.
Spannend aber wird es erst, wenn man sich den zweiten Wert anschaut, den die Umwelthilfe untersucht hat. Der bezieht sich auf das sogenannte Grünflächenvolumen, also wieviel Kubikmeter Grün sich auf einem Quadratmeter Fläche befinden. Und da ist Düsseldorf trotz ausgedehntem Stadtwald und großer Parkanlagen wie dem Volksgarten, auch trotz agrarisch genutzer Flächen wie dem Angerland oder dem Himmelgeister Rheinbogen, eher so mittelmäßig unterwegs. Mit einem Wert von 3,12 bewegt sich die Landeshauptstadt dabei in der Nähe des industriell geprägten Chemnitz und des dichtbebauten Köln. Und das, obwohl Düsseldorf zwölf Naturschutzgebiete hat. Chemnitz hat hingegen lediglich vier.
Grünflächenvolumen von Düsseldorf: Ein Maß mit begrenzter Aussagekraft
Unter Experten wird viel über die Aussagefähigkeit des Grünflächenvolumens debattiert. Christine Reicher etwa, die an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Städtebau inne hat, zeigt auf, dass Kubikmeter Grün nicht gleich Kubikmeter Grün entspricht: „Das fängt schon damit an, dass zwischen unterschiedlichen Baumarten immense Unterschiede hinsichtlichtlich der Fotosynthese- und Verdunstungsfähigkeit bestehen.“ Außerdem gilt, dass ein Baum, der nur eine kleine unversiegelte Fläche unter sich hat, in viel geringerem Maße aktiv auf das Klima einwirkt, als ein Baum, um den herum der Boden nicht versiegelt ist. „Es ist extrem schwierig, hier überhaupt zu vergleichen“, sagt Reicher. Klar aber ist: Ein Baum an der Berliner Allee hat einen geringeren Effekt auf das Klima als ein Baum im Volksgarten.
Auch die Stadt selbst gibt auf Nachfrage zu verstehen, dass sie den Hitzecheck der Umwelthilfe nur für bedingt aussagekräftig hält: „Die Herleitung einer Korrelation zur Hitzebelastung in Form einer Rangliste auf Basis dieser beiden Datensäze hält die Stadt Düsseldorf für unzureichend.“ Stattdessen führe die Stadt eine „fundierte Bewertung der Hitzebelastung durch Klimaanalysen nach dem Stand der Technik durch.“
Düsseldorf: Stadt der Hitzerekorde
Und das erscheint nötig. Die Stadt Düsseldorf bricht einen Hitzerekord nach dem anderen. 2022 und 2023 waren die durchschnittlich heißesten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch dieser Sommer – den viele als Regensommer ins Langzeitgedächtnis überführen werden – war zu warm. Laut Daten von Wetterkontor.de war der August 1,8 Grad Celsius wärmer als der Referenzzeitraum zwischen 1961 und 1991.
Fest steht aber auch, dass Düsseldorf unterdurchschnittlich versiegelt ist. Laut Deutscher Umwelthilfe sind 45,1 Prozent aller Verkehrs- und Siedlungsflächen in der Bundesrepublik versiegelt. In Düsseldorf wird dieser Wert um fast einen Prozent unterschritten. Also alles gut in Düsseldorf? Und was hat es mit Oberflächenversiegelung eigentlich überhaupt auf sich?
Bodenversiegelung als Umweltgefahr
Das Bundesumweltamt spricht zunächst von Konsequenzen für den Wasserhaushalt. Versiegelte Flächen hindern Wasser am Versickern, was dazu führen kann, dass der Grundwasserpegel sinkt. Gleichzeitig steigt das Überschwemmungsrisiko, wie man in letzter Zeit immer wieder beobachten konnte. Das liegt daran, dass im Falle starken Regens die Kanalisationssysteme durch die hohe Konzentration plötzlich anfallenden Wassers schlichtweg überfordert sind.
Gerade in den immer heißer werdenden Sommern zeigt sich auch ein weiteres Problem: Versiegelte Fläche sind nämlich nicht nur fehlender Platz für Bäume, sondern sind auch nicht in der Lage, Wasser auszudunsten. Ein Beispiel: Fällt im Sommer Regen, nehmen Erdböden den Regen auf und speichern ihn vorübergehend. Scheint nun die Sonne darauf, verdunstet das gespeicherte Wasser und kühlt die Umgebungstemperatur ab. Beton und Asphalt nehmen kein Wasser auf und können dementsprechend auch nichts ausdunsten. Und schlimmer: Sie speichern Wärme auch noch besonders gut und geben diese dann an die Umgebung ab. Betonböden machen das Milieu also nicht nur nicht kühler, sie erhitzen es noch zusätzlich.
Und schließlich werden die Böden durch Versiegelung auch schlichtweg ihres Nährwertes beraubt. Fruchtbare Böden entstehen nicht unter Beton, womit Bodenversiegelung nicht nur einen momentanen negativen Effekt hat, sondern sich auch zukünftig negativ auswirkt. Im Grunde entstehen also drei Problemlagen aus der Bodenversiegelung:
- das Wassermanagement funktioniert schlechter
- die Temperatur erhöht sich
- die Qualität des Bodens nimmt ab
Die konkrete Klima-Situation in Düsseldorf
Nach Zahlen der Landeshauptstadt Düsseldorf liegt die hiesige Versiegelungsquote deutlich unter dem Wert, den die Deutsche Umwelthilfe publiziert hat – allerdings sind die Zahlen der Stadt auch älter. Demnach habe Düsseldorf 2018 einen Versiegelungsgrad von 31,8 Prozent aufgewiesen. 2006 waren es noch 29,3 Prozent. Für den Zeitraum 2021 bis 2023 werde im Moment ein Versiegelungskataster erstellt. Dieses wird aller Voraussicht nach 2025 veröffentlicht. Fest steht, dass die Stadt immerhin auch 35 Prozent des Stadtgebietes als Wasserschutzgebiete ausgewiesen hat.
Eine Einschätzung der Auswirkungen erlaubt die von der Stadt herausgegebene Belastungskarte Hitze. Aus ihr geht hervor, dass unter den Plätzen, an denen sich die Düsseldorferinnen und Düsseldorfer vorrangig aufhalten, noch nicht mal ein Prozent als sehr günstig beschrieben werden kann. Einen noch näheren Blick erlaubt die städtische Klimanalyse 2020. Und dabei fällt – wenig überraschend – auf, dass es innerhalb des Düsseldorfer Stadtgebietes erhebliche Unterschiede gibt.
Ländlichere Stadtteile in Düsseldorf sind kühler: die Klimaanalyse 2020
So sind in Stadtbezirk 7 – Gerresheim, Grafen- und Ludenberg, Knittkuhl und Hubbelrath – lediglich 7,6 Prozent der Fläche in ungünstiger bis sehr ungünstiger bioklimatischer Situation. Am Tag. Nachts schrumpft dieser Wert auf 4,7 Prozent.
Ganz anders sieht das Bild in Stadtbezirk 1 aus, zu dem neben Alt- und Carlstadt auch Stadtmitte, Pempelfort, Derendorf und Golzheim gehören. Obwohl Rhein und Düssel hier für partielle Abkühlung sorgen dürften: 68,1 Prozent der Fläche sind tagsüber ungünstig bis sehr ungünstig. Nachts sind es immerhin noch 40 Prozent der Fläche, auf denen es sich nur unzureichend abkühlt.
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Düsseldorf-Heerdt: tagsüber ist das Gewerbe, nachts das Wohnen Klimakiller
Übrigens scheint es kein Naturgesetz zu sein, dass das Klima nachts besser wird. Für die Stadtbezirke 7 und 1 gilt das zwar, für den linksrheinischen Bezirk 4 jedoch trifft das nicht zu. Das ist tagsüber zu 36,2 Prozent von ungüstigem bis sehr ungünstigem Einfluss. Insbesondere die Gewerbegebiete in Heerdt zeichnen sich dafür verantwortlich. Nachts wandern zwar die problematischen Bereiche innerhalb des Bezirks, gleichzeitig klettert ihr Anteil aber auch auf 42,4 Prozent. Vor allem die Wohngebiete in Heerdt sind nachts betroffen. Ähnlich ist es im Stadtbezirk 8, in dem Eller, Lierenfeld, Vennhausen und Unterbach liegen. Am Tag sorgt das Gewerbe für ein schlechtes Klima, nachts sorgen die Wohnungen für ein noch schlechteres.
Die Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Stadtrand sind mitunter immens. Dass es in der City durchschnittlich zwei Grad wärmer ist als am Stadtrand, ist normal. Auch, dass es in einigen Sommernächten zu Temperaturunterschieden von bis zu 10 Grad kommen kann, überrascht Experten nicht.
Wie kann man Düsseldorf abkühlen?
Was kann man also tun? Die Stadt meldet, sie engagiere „sich im Hinblick auf die Reduktion der Oberflächenversiegelung zur Hitzevorsorge in zwei Handlungssträngen“. Erstens werden kaltluftrelevante Flächen vor Versiegelung geschützt, besonders die, die in der Innenstadt liegen. Laut städtebaulichem Entwicklungsplan – Raumwerk D – müsse die Stadt „von innen kühlen“. Notwendige Voraussetzung dafür ist es, sogenannte Kaltluftbahnen zu erhalten. Dazu zählt etwa die Bahntrasse Gerresheim–Flingern oder das Parkwindsystem zwischen Volkspark und Friedhof Stoffeln. Die Stadt stellt solche Bereiche unter besonderen Schutz.
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Gleichzeitig werden auch Entsiegelung und Begrünung vorangetrieben. Besonders angetan ist man auf Seiten der Stadtverwaltung vom sogenannten Quartierswäldchen an der Albertstraße, wo ein Schotterplatz zur Grünfläche umgewandelt wurde. Überhaupt will Düsseldorf grüner werden. So findet sich im Entwicklungsplan die Absicht formuliert, mehr Grünflächen anzulegen. Dort erklärt die Stadt auch, dass geprüft werden solle, ob die Bahntrasse zwischen Am Wehrhahn und Grunerstraße nicht komplett überdeckelt werden solle. Der Deckel könnte dann so aussehen, wie der Werstener Deckel – nur eben mitten in der Stadt.
Reicher: In der Düssel steckt Potenzial
Christine Reicher von der RWTH plädiert dafür, das Potenzial der Düssel auszunutzen. Es komme nicht nur auf das Grün und aufgebrochenes Grau an, sondern eben auch auf die „blaue Infrastruktur“. Die Frage sei, wie man das Wasser besser an die Oberfläche bringen könnte, die Düssel übernehme eine wichtige Rolle bei der Abkühlung der Stadt. Reicher glaubt, dass das Thema Wasser in Zukunft immer drängender wird: „Man hat manchmal den Eindruck, Wasser kommt nur in zwei Formen vor: entweder ist es viel zu wenig oder viel zu viel.“ Bei beidem spielt die Oberflächenversiegelung eine große Rolle.
Durch die Versiegelung sinken die Grundwasserbestände, gleichzeitig steigt die Überflutungsgefahr. Wird Versiegelung aufgebrochen, kann Wasser besser versickern. Das ist gut, wenn es nur wenig Wasser ist, weil es dann bei den Pflanzen ankommt, anstatt dass es auf aufgeheiztem Beton bloß verdampft. Das ist aber auch gut, wenn es viel Wasser ist, weil so die Kanäle und Rückhaltebecken der Stadt nicht punktuell überfordert werden.
Ohne Bodenentsiegelung kein gutes Klima
Entsiegelung muss passieren, sagt Reicher. Ergänzend kommen dann Maßnahmen wie die Fassaden- oder Dachbegrünung hinzu. Die seien aber kein 1-zu-1-Ersatz von intaktem Erdboden und müssten außerdem auch gepflegt werden. „Es bringt ja nichts, wenn das Mietshaus schön begrünt ist, die Instandhaltung aber eine weitere Monatsmiete verschlingt.“ Oder anders gesagt: „An Entsiegelung kommen wir nicht vorbei.“
Das hat die Stadt Düsseldorf erkannt – und aus diesem Grund ein Förderprogramm aufgelegt. Das nennt sich „Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung“ (DAFIB) und ist dafür vorgesehen, „die Begrünung privater Haus- und Hofflächen sowie Gewerbeflächen“ zu fördern. Eine Sprecherin der Stadt teilte mit, dass „dabei maximal 50 Prozent der als förderfähig anerkannten Kosten für die Entsiegelung und Begrünung bis zu einem Höchstsatz von 40 Euro pro Quadratmeter gestalteter Fläche“ übernommen würden. Allerdings behält sich die Stadt eine sogenannte Bagatelluntergrenze vor. Übersteigen die Kosten einen Betrag von 500 Euro nicht, dann gibt es auch kein Fördergeld.
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