An Rhein und Ruhr. Versiegelte Flächen sorgen für überhitzte Innenstädte. Umweltschützer fordern die Kommunen zum Umdenken auf. In NRW wird bereits umgebaut.

Schattige Grünflächen statt Asphalt, auf dem die Sonne brennt und Insekten, die wieder genug Nahrung finden –die Städte an Rhein und Ruhr lassen sich einiges einfallen, um Flächen zu entsiegeln. Wesel will in Wohngebieten künftig kleiner solcher grünen Flächen anlegen. Diese sogenannten „Piko Parks“ seien derzeit in Planung, wie ein Stadtsprecher auf Anfrage berichtet. „Bäume und insektenfreundliche Pflanzen werden dabei gepflanzt“, erklärt ein Sprecher. Dadurch werde das Stadtklima positiv beeinflusst. „Darüber hinaus beabsichtigen wir, Fördermittel für den Rückbau der alten, stillgelegten Rollschuhbahn zu bekommen. Sollten wir die versiegelte Fläche entsiegeln können, soll dort auch eine Grünanlage entstehen.“

Die Stadt am Niederrhein setzt damit um, was die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nun fordert: Mehr entsiegelte Flächen und mehr Grün in den Städten. Das Ziel ist Schutz vor Hitze, denn durch zu viele versiegelte Flächen steigen die Temperaturen besonders in den Innenstädten. Was andere Städte planen.

Kaltluftschneisen gegen Überhitzung der Innenstadt

DUH-Geschäftsführerin Barbara Metz fordert zudem ein rechtlich verbindliches Ziel, die Flächenversiegelung zu stoppen. In Zeiten der Klimakrise bräuchten Städte unversiegelte Böden, in denen Wasser versickern könne. Grünflächen seien zum Kühlen notwendig. Wenn neu gebaut werde, müssten Flächen entsiegelt werden. Metz schlägt dafür besonders Schulhöfe und ungenutzte Parkplätze vor.

Eine Forderung, die in Kleve bereits angegangen wird. Man sei darauf bedacht, „versiegelte Flächen zu entsiegeln, mit neuen Versiegelungen verantwortungsbewusst umzugehen und Hitze im bebauten Gebiet durch öffentliches Grün abzumildern“, erklärt ein Stadtsprecher auf Anfrage.

Ärzte und Apotheker fordern mehr Trinkwasserbrunnen

Die Ärzte und Apotheker in Westfalen-Lippe sprechen sich an den aktuellen Hitzetagen für den Ausbau von öffentlichen Trinkwasserbrunnen in den Innenstädten und Trinkwasserspendern in öffentlichen Gebäuden aus. „Gerade in Zeiten von Extremwetterlagen mit anhaltenden Hitzeperioden sei es erforderlich, dass die Menschen ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen können“, teilten Ärztekammer und Apothekerkammer mit.

Trinke man zu wenig Wasser seien „Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Müdigkeit oder Verwirrtheit einige der typischen Symptome“, so Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer. „Arzneimittel gegen hohen Blutdruck können bei großer Hitze möglicherweise in ihrer Wirkung verstärkt werden, sodass der Blutdruck zu stark abnimmt und die Dosis unter Umständen von Arzt oder Ärztin angepasst werden muss“, sagte der Präsident der Ärztekammer, Johannes Albert Gehle.

So werden bei der Ausweisung neuer Bauflächen Kaltluftströmungen bedacht. „Neubaugebiete können so angeordnet und ausgerichtet werden, dass sie die Kaltluftzufuhr für das Stadtgebiet nicht behindern“, so der Stadtsprecher. „Zudem wurden Flächen identifiziert, die wichtige stadtklimatische Funktionen innehaben – diese Flächen werden vorrangig geschützt.“

„Freiluftklassenzimmer“: Kleve gestaltete Schulhof um

Wie ein Klimaschutzprojekt in der Praxis aussieht, ist an der Montessorischule zu erleben. Für bis zu 900.000 Euro (mit Förderung durch das Land) wurde der beinahe komplett versiegelte Schulhof umgestaltet. Der Fokus habe dabei darauf gelegen, möglichst viel neues Grün zu pflanzen. Die Flächen, die versiegelt werden mussten, habe man so gestaltet, dass Regenwasser direkt in das Baumsubstrat eindringen und gespeichert werden kann, sagt der Stadtsprecher weiter.

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„Das Grün auf dem Schulhof spendet nicht nur Schatten, sondern erfüllt auch einen pädagogischen Nutzen. Einerseits kann in den Büschen gespielt werden, andererseits gibt es ein Freiluftklassenzimmer und einen Schulgarten.“ Zudem erhofft sich Kleve weiteren Schub für Klimaprojekte durch den Zuschlag für die Austragung der Landesgartenschau 2029. Von den dadurch bewilligten Födermitteln soll auch die Entsiegelung vorangetrieben werden.

Wesel geht gegen Schottergärten vor, Düsseldorf plant Hitzekonzept

Fördermittel für die Entsiegelung von Flächen habe in der Vegangenheit auch die Stadt Wesel angeboten, wie der Stadtsprecher sagt. „Zudem wurde im Sinne des Klima- und auch Hitzeschutzes Fassaden- und Dachbegrünungen gefördert“, so der Sprecher. Des Weiteren hat die Stadt eine Informationsseite zum Thema Hitze eingerichtet und geht auf Basis von Landesgesetzen gegen Schottergärten vor. „Wir kontrollieren auch Vorgärten. Wenn uns dabei massive Verstöße auffallen, schreiben wir die Eigentümer an. Sind diese nicht bereit, die Flächen zu entsiegeln, sanktionieren wir.“

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Die Stadt Düsseldorf arbeitet derweil an einem Konzept zur Hitzeaktionsplanung, wie ein Sprecher berichtet. Dabei geht es darum, die Stadt an künftig häufiger auftretende Hitze anzupassen. „Der Schwerpunkt liegt auf langfristige Hitzevorsorge. Hierzu gehört der Ausbau des Trinkbrunnennetzes.“ Zudem gehe es um die Begrünung und Entsiegelung. „Dies umfasst auch zusätzliche Baumersatz- und Baumneupflanzungen, Entsiegelung öffentlicher Grünflächen, klimaangepasste Begrünung, Verschattungsmaßnahmen und Trinkwasserzapfstellen auf Bezirkssportanlagen sowie die Ausweitung des Förderprogramms zur Dach-, Fassaden- und Innenhofbegrünung“, so der Sprecher.

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Auch die Stadt Rheinberg fördert die „Entkiesung“ von Vorgärten und die Begrünung von Dächern, wie eine Sprecherin mitteilt. Zudem überprüfe man bei Neubauten „die Einhaltung der baurechtlich definierten Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf ein angemessenes Verhältnis von versiegelten und naturnahen Flächen beim Vorhaben.“ Auch im Rahmen der städtebaulichen Planung spielen der Erhalt und die Ergänzung vorhandener Kaltluftschneisen eine wichtige Rolle, um Hitzeinseln zu minimieren“, so die Sprecherin weiter.

Hitzecheck: NRW-Städte schneiden unterschiedlich gut ab

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zeigte in einem Hitzecheck 24 von 190 Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern eine Rote Karte. Sie haben mehr als 50 Prozent versiegelte Flächen. Darunter waren mit Hürth, Frechen und Langenfeld drei Orte in NRW. Weitere 82 Kommunen erhalten in der Analyse eine Gelbe Karte (45 bis 50 Prozent Versiegelung), darunter die NRW-Städte Köln, Gelsenkirchen und Hagen.

Ausreichend freien Boden gibt es hingegen in 84 Städten. Diese bekommen eine Grüne Karte. In NRW zählen Bonn, Bielefeld und Mülheim an der Ruhr in diese Kategorie, die dem Bundesschnitt von 45 Prozent Versiegelung entspricht. Detmold und Ratingen schneiden bundesweit am besten ab.