Mülheim. Neue Hochhäuser in Mülheim? Da sind viele schnell skeptisch. Wie Experten dem entgegenwirken wollen und welche Argumente sie anbringen.

Ob auf weiteren Baufeldern von Ruhrbania, auf dem Areal der ehemaligen Hauptpost oder in der Parkstadt auf dem früheren Tengelmann-Gelände: Immer wenn in Mülheim ein Hochhaus ins Gespräch gebracht wird, sorgt das für Gesprächsstoff und jede Menge Gegenwind. Aber wieso eigentlich und wie viel Höhe kann das heutige Ruhrgebiet vertragen?

Diesen Fragen ging der Bund Deutscher Architektinnen und Architektinnen (BDA) zur Eröffnung einer Ausstellung in der früheren Saarner Christuskirche nach. Dort werden noch bis zum 7. April (mittwochs von 17.30 bis 19 Uhr und an Wochenenden von 11 bis 15 Uhr) die Preisträgerinnen und Preisträger des Architekturpreises aus der Ruhr-Region gezeigt.

Hochhäuser als Lösung für immensen Wohnraumbedarf im Ruhrgebiet?

„Hochhäuser können Orientierungspunkte oder Landmarken sein und einen Ort der Besonderheit schaffen“, findet Markus Wüllner, BDA-Vorsitzender in Bochum, Hattingen, Herne und Witten. Gleichzeitig sind sie ein Lösungsansatz dafür, den immensen Wohnraumbedarf in der Metropolregion mit den ökologischen Zielen zu verbinden.

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„Wir können Nachhaltigkeit erzeugen, wenn die umliegenden Flächen nicht verbraucht werden“, sagt der Bochumer Architekt. Wenn eher in die Höhe als in die Breite gebaut wird, kann durch kleinere Fundamente auch der CO₂-Verbrauch reduziert werden, wie Ingenieur Tobias Wiesenkämper betont. Seine Firma hat gerade einen achtgeschossigen Holzhybridbau in Amsterdam realisiert.

Warum trotz weniger genutzter Fläche Versiegelung stattfindet

Da auch bei den Baustoffen immer mehr auf Nachhaltigkeit gesetzt wird, erfährt Holz eine Renaissance. Wiesenkämper erklärt: „Holz ist allem gewachsen und geht auch in die Höhe.“

Gastgeber Gunvar Blanck vom BDA Mülheim mit den Diskutanten Markus Wüllner, Heiner Farwick, Prof. Yasemin Utku und Tobias Wiesenkämper (v.l.).
Gastgeber Gunvar Blanck vom BDA Mülheim mit den Diskutanten Markus Wüllner, Heiner Farwick, Prof. Yasemin Utku und Tobias Wiesenkämper (v.l.). © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Es gelte aber längst nicht nachhaltiges Bauen gleich Hochhaus, gab der ehemalige BDA-Präsident Heiner Farwick zu bedenken. Oft werde ein Hochhaus in Mailand als vermeintlich positives Beispiel gezeigt. „Das ist ja alles andere als nachhaltig“, so Farwick. Außerdem, so Mülheims Planungsdezernent Felix Blasch, müssten beispielsweise zusätzliche Stellflächen geschaffen werden, die den Freiraum dann doch wieder versiegeln.

Ex-BDA-Präsident appelliert an an die Gesellschaft

Farwick ist sich dennoch sicher, dass das Bauen in die Höhe längst wieder bei Architektinnen und Architekten als Option angekommen sei. „Wir brauchen aber auch Unterstützung in der Gesellschaft und Überzeugung bei den Bauherren“, sagt der ehemalige BDA-Präsident und ergänzt: „Wir müssen die Chance ergreifen, Skepsis gegenüber dem höheren Bauen bei Seite zu räumen. Das geht nur mit guter Architektur und mit herausragendem Städtebau.“ Als positives Beispiel in Mülheim nennt er das Laborhochhaus am Max-Planck-Institut.

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Während in anderen europäischen Ländern bis zu zehngeschossige Gebäude in den Innenstädten als positiv empfunden werden, sind Hochhäuser in Deutschland und speziell dem Ruhrgebiet in Verruf geraten. Der ein oder andere befürchte schnell eine Ghettoisierung. „Das schlechte Image resultiert aus den 60er und 70er Jahren“, sagt Wüllner und Farwick konkretisiert: „Die Gebäude waren in der Qualität nicht so, wie sie sein sollten, und wurden in der Pflege danach auch stark vernachlässigt.“

Mülheimer Planungsdezernent widerspricht drohender Ghettoisierung

Wenn die Dinge ehrlich benannt und erklärt würden, dann stiege auch die Akzeptanz. Dazu müsse eine gemischte Nutzung vorhanden und die Erdgeschosszone gut ins städtische Umfeld verankert sein. „Es ist in Randbezirken sicherlich schwieriger, in die Höhe zu gehen. Leichter ist es in einem Bereich der Innenstädte, wo schon höhere Gebäude im Bestand vorhanden sind“, so Patrick Fischer vom BDA Mülheim.

Mülheims City-Hochhäuser am Hans-Böckler-Platz gelten in den Augen vieler als schlechtes Beispiel für hohen Wohnungsbau.
Mülheims City-Hochhäuser am Hans-Böckler-Platz gelten in den Augen vieler als schlechtes Beispiel für hohen Wohnungsbau. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Dem Szenario einer drohenden Ghettoisierung möchte Planungsdezernent Felix Blasch ohnehin entgegentreten. „Die Förderung für diesen Wohnraum geht bis in den Mittelstand hinein, das betrifft breitere Bevölkerungsschichten, als manch einer denkt“, so der Beigeordnete, der in diesem Punkt noch ein Informationsdefizit ausgemacht hat.

Bebauungspläne sorgen oftmals für hohe Hürden

Egal ob Neubau oder Aufstockung von Bestandsgebäuden um zusätzliche Stockwerke – oft spricht ein alter Bebauungsplan dagegen. „Wir hatten aber durchaus Fälle, wo wir auch nachverdichten und Aufstockung genehmigen konnten“, Blasch. Im Bereich „Auf dem Bruch“ in Dümpten sei großflächig aufgestockt worden.

Bei Gebieten mit einem Bebauungsplan sei man oft etwas unflexibel. „Die Pläne sind oft alt, sodass man viele Punkte ändern muss. Es reicht dann nicht zu sagen: Man darf jetzt mehrere Geschosse bauen“, unterstreicht Blasch. Die Stadt habe aber auch schon Bebauungspläne aufgehoben. „Man muss da manchmal etwas kreativ sein, um zum Ziel zu kommen.“

In den Augen Markus Wüllners fehlt lediglich das eine Beispiel, „um das nächste Ding auch so zu machen.“ Und Felix Blasch möchte in Mülheim mit Sicherheit keine Skyline aus Hochhäusern errichten. „Aber etwas mehr Höhe dürfen wir uns schon zutrauen.“

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