Düsseldorf. Nach 15 Jahren als Chefdirigent verlässt Alex Kober die Rheinoper. Was nun geplant ist und warum es kein Abschied für immer ist – ein Interview.
Axel Kober, Jahrgang 1970, verlässt die Rheinoper zwar als Chefdirigent, geht aber noch längst nicht in Rente. 15 Jahre lang hat er als exzellenter Teamplayer das Musikleben in Düsseldorf und Duisburg geprägt und gestalten – und genießt besonders als Wagner-Dirigent internationalen Ruhm, der sich bis zum Bayreuther Gralstempel herumgesprochen hat. Der in Mannheim lebende Orchesterleiter und Vater von drei erwachsenen Söhnen ist gefragt und steht auch nach seinem Abschied von Düsseldorf an ersten Adressen in Deutschland, Österreich und der Schweiz am Pult. Unsere Zeitung sprach mit ihm.
Herr Kober, Sie nehmen in den nächsten Wochen Abschied von der Rheinoper, nach 15 erfolgreichen Jahren als Generalmusikdirektor. Warum jetzt?
Axel Kober: Ich will herausfinden, was ich zukünftig alles noch machen will. Ich habe die letzten 25 Jahre sehr gerne die Verantwortung für große Opernhäuser übernommen, vor den 15 Jahren an der Rheinoper war ich in Mannheim, Dortmund und Leipzig verantwortlich. Der durch meine Entscheidung entstehende Freiraum fühlt sich sehr gut und leicht an. Und mit 54 bin ich noch jung genug, mir alles offenzuhalten und Neues auszuprobieren.
Wird Ihnen etwas fehlen?
Ja, weil die Opernhäuser in Düsseldorf und Duisburg meine musikalische Heimat geworden sind. Fehlen wird mir die enge Zusammenarbeit mit vielen geschätzten Kollegen, die Vertrautheit und der stetige Kontakt mit ihnen. Ich bin ein Teamplayer, wir haben gemeinsam viele spannende Projekte verwirklicht.
Welches sind Ihre schönsten Erinnerungen an diese Zeit?
Natürlich die Neu-Inszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ in beiden Häusern, mit beiden Orchestern. Dort ebenso wie bei „Ariadne auf Naxos“ die intensive Zusammenarbeit mit Dietrich Hilsdorf. Außerdem waren Highlights für mich Alban Bergs „Wozzeck“ mit Stefan Herheim oder Brittens „Peter Grimes“ mit Immo Karaman. In wunderbarer Erinnerung wird mir zudem die Zusammenarbeit mit unserem starken Ensemble und mit fantastischen Gastsolisten bleiben.
Sie haben auch Ballett zur Chefsache gemacht.
Ja, das war mir in der Zusammenarbeit mit Martin Schläpfer sehr wichtig. Unvergesslich bleiben seine Deutungen von Brahms‘ „Ein Deutsches Requiem“ und von Gustav Mahlers siebter Symphonie, kurz „7“.
Gibt’s auch traurige Erinnerungen?
Die Pandemie und die Zeit des zweiten Lockdowns. Im ersten Lockdown wurden wir kreativ, haben neue Formen ausprobiert, wie „Tristan und Isolde“ an drei Abenden mit kleinem Orchester. Ein Clou war auch die Operngala im Autokino. Aber der zweite Lockdown im Winter 2020 hat alles blockiert und lahmgelegt. Das war für uns Künstler, die Planung und auch das Publikum eine Katastrophe.
Sie gelten als „Wagner-Dirigent“. Was bedeutet das Werk von Richard Wagner für Sie?
Ich bin in der Nähe von Bayreuth aufgewachsen, war dort in der Musikschule. Daher hatte das Werk Richard Wagners schon sehr früh eine hohe Bedeutung in meinem Leben. Dennoch lasse ich mich ungern in die Schublade „Wagner-Dirigent“ stecken. Ich habe es immer sehr genossen an der Rheinoper ein breites Repertoire von Barock bis zur Moderne zu dirigieren.
War die Rheinoper für Sie auch Sprungbrett?
Ja, von hier aus wurde ich zu den Bayreuther Festspielen als „Tannhäuser“-Dirigent engagiert, ebenso an die Wiener Staatsoper und an die großen Häuser in Berlin, Zürich und Dresden. Das sind in Zukunft meine Stammhäuser, an denen ich dirigieren werde – und in Düsseldorf in der nächsten Spielzeit eine Serie von Verdis „Otello“.
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Sie dirigieren am Wochenende Düsseldorfs Symphoniker?
Ja. Ich habe während meiner Zeit als GMD jede Saison ein Abonnement-Konzert in der Tonhalle dirigiert. Ich freue mich immer darauf, in vier Tagen mit derselben Orchester-Besetzung intensiv symphonische Werke einzustudieren. In der Oper muss man die Repertoire-Stücke ja meist für zwei Besetzungen proben. Jetzt steht unter anderem Rimski-Korsakows „Schehérazade“ auf dem Programm.
Was hat sich im Opernbetrieb seit 2009 geändert?
Viel. Die Atmosphäre im Haus ist kollegialer geworden, die Kommunikation zwischen Sängern, Musikern und Leitung hat sich verbessert. Aber langfristige Auswirkungen der Corona-Pandemie machen sich bemerkbar. Das Repertoire mit zahlreichen Werken hat sich noch nicht erholt. Diese Probleme haben viele Häuser, weil es weniger Bühnentechniker gibt als vorher und die Kulissen auf die größere Zahl ausgelegt. Durch die dazukommende Reduzierung des Schichtbetriebs (früher arbeiteten sie rund um die Uhr) wird die Planung von Proben mit und ohne Bühnenbilder immer komplizierter.
Hat sich das Repertoire-Theater überlebt?
Ich bin großer Verfechter des Repertoire-Angebots im Stadttheater. Denn Klassiker, wie „Zauberflöte“, „Freischütz“ oder „Hänsel und Gretel“ bilden den Boden für unsere Tradition. Zudem lernen junge Sänger nur durch das Repertoire die Werke kennen, die von ihnen auf der Bühne gefordert werden. Wo soll das Publikum diese Werke sonst kennenlernen?
Früher wurden Dirigenten vergöttert oder wie Tyrannen gefürchtet. Und heute?
Die Zeit von Diktatoren am Pult ist vorüber. Aber Hierarchie muss sein, ein Orchester kann im Probenprozess kein basisdemokratischer Verein sein. Aber Umgang und Tonfall zwischen Dirigent und Orchester haben sich geändert. Wir gehen respektvoll miteinander um und hören gerne gegenseitig auf Vorschläge.
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Und Pultstars heute?
Sie werden immer jünger. Dirigenten mit Anfang 20 sind heute keine Seltenheit mehr und werden von einigen Agenten auf dem internationalen Musikmarkt gehypt.
Sie kommen gerade mit drei Stunden Verspätung aus Mannheim. Geht das ewige Pendeln nicht auf die Nerven?
Ich bin Familienmensch und habe das Pendeln auf mich genommen, weil ich mit meiner Frau und unseren drei Söhnen (die jetzt erwachsen sind) in Mannheim leben wollte – im Takt der Bundesbahn. Das wird sich künftig nicht ändern. Nur nach NRW komme ich dann seltener. Also: Bei den Kobers wird’s nicht ruhig werden.
Was glaubt der scheidende GMD, angesichts andauernder Kämpfe um den Neubau? Hat Düsseldorf 2034 ein neues Opernhaus?
Der Neubau ist alternativlos. Das sagen auch alle Studien, egal aus welcher Ecke. Fatal wäre es, jetzt wieder alles auf den Prüfstand zu stellen und über notdürftige, extrem teure Reparaturen nachzudenken. Natürlich muss sich das Opernhaus in Zukunft verändern und sich der Mehrheit der Einwohner öffnen, die Kunstformen selber tun dies schon seit Jahrhunderten kontinuierlich, das Neue liegt in ihrer Natur. Eins muss klar sein: Die Stadttheater in Deutschland sind ein Weltkultur-Erbe. Und wir müssen alles dafür tun, um es für die kommenden Generationen zu erhalten.
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