Die Ratingagentur Standard & Poor's hatte Lehman Brothers gut bewertet. Ein Anleger investierte 30.000 Euro - und verlor alles. Jetzt klagt er.

Hannover. Ein Privatanleger führt das bundesweit erste Gerichtsverfahren gegen die Ratingagentur Standard & Poor's wegen deren Bonitätsbewertung für die spätere Pleitebank Lehman Brothers.

Der Anleger hatte 2008 kurz vor dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman-Zertifikate im Wert von 30.000 Euro gekauft und sich dabei auf das „A+“-Rating von S&P verlassen, wie sein Anwalt Jens-Peter Gieschen am Montag sagte. „Auch private Anleger vertrauen bei ihren Entscheidungen auf die werbewirksamen Anpreisungen, wenn Emittenten oder Produkte mit guten Ratings versehen sind.“ Deshalb fordere er nun Schadenersatz von der Ratingagentur.

Lehman ging im September 2008 pleite, wodurch die im August erworbenen Zertifikate des Klägers wertlos wurden. Der Lehman-Zusammenbruch verschärfte die Krise an den den weltweiten Finanzmärkten. Da die Ratingagenturen aus Sicht vieler Politiker durch ihre laxen Bonitätsbewertungen Mitschuld an der Finanzkrise tragen, arbeiten EU und die USA derzeit daran, sie stärker zu regulieren. Zudem haben europäische Politiker die Schaffung einer europäischen Konkurrenz-Agentur zu S&P, Moody's und Fitch ins Gespräch gebracht.

Zwischen Ratingagenturen und Privatanlegern besteht zwar in der Regel keine direkte Geschäftsverbindung. Die Agenturen seien allerdings dennoch zu belangen, da sie davon ausgehen mussten, dass sich Dritte auf ihr Urteil verlassen, so Anwalt Gieschen.



Er schätzt die Erfolgsaussichten der „sehr ambitionierten“ Klage zwar auf „deutlich unter 90 Prozent“ ein, verweist allerdings darauf, dass die Rechtsschutzversicherung seines Mandanten die Kosten des Verfahrens trägt und es damit wohl nicht als substanzlos einschätzt. S&P lehnte eine Stellungnahme ab.

Die Klage wurde beim Landgericht Frankfurt eingereicht, da S&P in der Stadt eine Filiale hat. Der Kläger ist nach eigenen Angaben bereit, das Verfahren durch alle Instanzen und gegebenenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof zu treiben.

Sollte er Recht erhalten, dürften 400 Anleger – die mit den Lehman Zertifikaten insgesamt rund acht Millionen Euro verloren haben – ebenfalls Schadensersatz anstreben. Zudem seien Klagen gegen die großen S&P-Rivalen Moody's und Fitch sind in Vorbereitung, sagte Gieschen.