Die Käufer von Zertifikaten der Pleite-Bank Lehman haben keinen Anspruch auf Schadenersatz von der Haspa, urteilt das Oberlandesgericht.

Hamburg. Erst haben sie ihr Geld verloren, nun ruft ihnen ein Richter noch ein herzhaftes „selber schuld“ hinterher. Die geschädigten Anleger in Lehman-Zertifikaten haben am Freitag vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OlG) einen Rückschlag erlitten. Der 13. Zivilsenat kassierte zwei Urteile des Hamburger Landgerichts, die den Anlegern nach dem Verlust ihres Geldes Schadenersatz durch die Hamburger Sparkasse (Haspa) zugesprochen hatte. Endgültig entschieden werden die Streitfälle vermutlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Das Gericht ließ die Revision zu und die Anwälte der geschädigten Anleger wollen diesen Weg gehen. (Az: 13 U 117/09 und 13 U 118/09)

Das Gericht hatte über zwei ähnlich gelagerte Fälle zu urteilen, bei denen ein Lehrer und eine Kauffrau nach Beratung durch die Haspa im Winter 2006 und im Herbst 2007 jeweils 10.000 Euro in Zertifikate der US-Bank Lehman Brothers investiert hatten. Das Geld war nach der Insolvenz des Instituts Ende 2008 verloren. Die Bank, so das Urteil, habe sich damals bei der Beratung nicht pflichtwidrig verhalten. Die beiden rechtlich kritischen Punkte – die Marge der Bank und die Information über die fehlende Einlagensicherung für die Lehman- Zertifikate – beurteilte das Gericht dabei anders als die Vorinstanz.

Die Bank sei nicht verpflichtet, ihre Kunden beim Verkauf eines Finanzprodukts über die Höhe ihres Gewinns zu informieren. „Das würde im Ergebnis dazu führen, dass die Ertrags- und Kostenstrukturen der Bank auf den offenen Markt gelangen würden“, sagte der Vorsitzende Richter Ralf Panten. Dabei handele es sich aber um Geschäftsinterna, die von der Bank zu schützen seien. Zudem sei offenkundig, dass die Bank beim Verkauf eines Wertpapiers einen Gewinn erziele. Es handele sich um eine qualifizierte Dienstleistung, die bezahlt werde. Mit dieser Bemerkung handelte sich der Richter lautstarke Unmutsbekundungen von den Zuschauerbänken ein, die überwiegend mit Lehman-Opfern besetzt waren.

Zudem habe die Haspa nicht speziell darauf hinweisen müssen, dass die Lehman-Zertifikate nicht der deutschen Einlagensicherung unterliegen. Den Anlegern sei bekannt gewesen, dass ein Totalverlust eintreten könnte. Das Gegenteil hätten sie nicht beweisen können; vielmehr sei in den Beratungsgesprächen über die Bonität und das Rating von Lehman Brothers gesprochen worden. Das mache aber nur Sinn, wenn man sich über die Vertrauenswürdigkeit eines Schuldners kundig mache, also die Rückzahlung nicht sicher sei.

Panten ging mit den Klägern zeitweise hart ins Gericht. „Sie haben sich hier ein bisschen sehr unbedarft dargestellt“, sagte er an die Adresse der klagenden Kauffrau, die über erhebliche Vorkenntnisse bei der Geldanlage verfüge. Beide Kläger hatten durch frühere Anlageentscheidungen gezeigt, dass sie für eine höhere Rendite auch ein Risiko in Kauf nehmen würden. „Wenn Sie sagen, Sie hätten das Produkt nicht verstanden, dann frage ich mich, warum Sie es gekauft haben“, sagte Panten. „Es gibt eine Eigenverantwortung des Anlegers.“

Zum Zeitpunkt des Geschäfts sei ein Lehman-Zertifikat eine weitgehend sichere Geldanlage gewesen. Die Insolvenz des Instituts sei aus damaliger Sicht unwahrscheinlich gewesen. Die Bankberater hätten das in dem Satz zusammengefasst: „Wenn alles zusammenbricht, ist das Geld weg.“ Genau dieser Fall sei eingetreten.

Bundesweit sind zahlreiche Verfahren wegen der Insolvenz von Lehman Brothers und anderen Anlageverlusten nach der Finanzkrise anhängig. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Allein die Zertifikate einer niederländischen Lehman-Tochter sollen 30000 bis 50000 Anleger gekauft haben. Der Hamburger Richter machte deutlich, dass jeder Einzelfall geprüft werden müsse. Anspruch auf Schadenersatz bestehe nur, wenn sich die Bank pflichtwidrig verhalten haben. Das hänge unter anderem ab vom Anleger, von der Art des Produkt und vom Zeitpunkt des Geschäfts.

Die Anleger äußerten sich nach den Urteilen enttäuscht sowie auch empört und emotional über das Urteil. „Eine Unverschämtheit“, schimpfte eine frustrierte Bankkundin. Die Haspa begrüßte die OLG-Urteile und erklärte, sie sehe ihre Rechtsauffassung bestätigt.