Konkurrenzfähigkeit der Eurozone leidet unter der Krise. Deutschland steht erstmals vor den USA – große Sorgen bereitet Griechenland.

Genf/Berlin. Die Schuldenkrise vergrößert das Wettbewerbsgefälle zwischen den 17 Ländern der Eurozone immer weiter. Zu diesem Schluss kommt der Wettbewerbsbericht 2012, den das Weltwirtschaftsforum (WEF) am Mittwoch in Genf veröffentlichte.

Zwar hält sich Deutschland in der Top-Ten-Gruppe der konkurrenzfähigsten Länder der Erde und steht mit Rang sechs nun erstmals vor den USA , die um zwei Plätze abrutschten. Mit Finnland, den Niederlanden und Deutschland gehören jedoch nur drei Staaten, die den Euro als Währung haben, zu den besten zehn von insgesamt 144 Ländern.

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Spitzenreiter wurde erneut die Schweiz. Schlusslicht unter den Euroländern ist das von der Staatspleite bedrohte Griechenland . Die USA verloren zwar weiter an Konkurrenzkraft und landeten insgesamt nur auf dem siebten Rang. Sie bleiben aber die innovationsfreudigste Volkswirtschaft der Erde.

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Deutschland wird eine anhaltend hohe Flexibilität und Innovationskraft seiner Wirtschaft sowie eine ausgezeichnete Infrastruktur bescheinigt. Zudem seien die deutschen Unternehmen meist in der Lage, die gesamte Kette der Wertschöpfung zu nutzen, erklärten die Autoren der WEF-Studie.

Probleme sehen sie aber auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Sie bemängeln, dass „fehlende Flexibilität bei der Bestimmung der Löhne sowie hohe Kosten bei Entlassungen die Schaffung neuer Jobs behindern“. Pluspunkte gab es hingegen für das hohe Niveau und die Praxisorientierung der beruflichen Aus- und Weiterbildung.

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Die am besten auf den globalen Wettbewerb eingestellte Volkswirtschaft ist nach Einschätzung der WEF-Experten weiterhin die Schweiz – wie im Vorjahr gefolgt von Singapur. Finnland arbeitete sich als Euro-Musterschüler durch seinen wirtschaftlichen Reformkurs vom vierten auf den dritten Rang vor. Nach Schweden kamen die Niederlande auf Platz fünf (Vorjahr sieben). Damit zogen die Holländer an Deutschland vorbei.

Alarmierend erscheint das erneute Absacken Griechenlands – jetzt um weitere sechs Ränge auf den 96. Platz. Die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft ist nicht nur erheblich schwächer als jene der anderen 16 Euroländer. Hellas liegt sogar hinter einigen Entwicklungsländern wie Botsuana (79) und Kambodscha (85) zurück.

„Dass Griechenland und vielleicht auch andere Länder den Euro verlassen, erscheint inzwischen als eine reale Möglichkeit, mit potenziell verheerenden Konsequenzen für die Region und darüber hinaus“, erklärte WEF-Chef Klaus Schwab. In Griechenland wird seit Wochen um ein neues Sparprogramm gerungen, ohne das es von den Helfern kein Geld mehr geben wird. Entscheidend ist der Bericht der internationalen Geldgeber-Troika von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF).

Als eine „Schlüsselerkenntnis“ nennen die Autoren des Berichts, für den Professor Xavier Sala-i-Martín von der Columbia University in New York die Federführung hatte, das „anhaltende und teils größer werdende Gefälle bei der Wettbewerbsfähigkeit zwischen europäischen Ländern“.

Großbritannien steht auf dem siebten Platz (Vorjahr zehn). Die zweitgrößte Volkswirtschaft des Eurolandes, Frankreich, kommt nur auf Platz 21. Die Krisenländer Spanien (36), Italien (42) und Portugal (49) hinken deutlich hinter den EU-Spitzenreitern zurück.

China erweist sich dagegen mit Platz 29 erneut als die konkurrenzfähigste unter den großen aufstrebenden Volkswirtschaften und liegt dabei noch 30 Stufen vor Indien. Das an Rohstoffen reiche Russland bringt es gerade mal auf Rang 67.

Bewertet wurden die Länder nach zwölf Kriterien – darunter die staatlich-behördlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, die Infrastruktur, der Entwicklungsstand des Finanzmarktes und der Technologie sowie die Flexibilität des Arbeitsmarktes und die Qualität des Bildungswesens.

Unterdessen richten sich die Blicke auf die Europäische Zentralbank (EZB) , die derzeit ein neues Programm zum Kauf von Staatsanleihen kriselnder Euroländer wie Spanien und Italien vorbereitet. Details dazu werden an diesem Donnerstag erwartet. Mit den Maßnahmen will die Zentralbank das seit Monaten relativ hohe Zinsniveau wirtschaftlich angeschlagener Staaten in Südeuropa drücken. Die Bundesbank lehnt die Käufe ab , sie verstießen gegen das Verbot der Staatsfinanzierung mit Hilfe der Notenpresse.

Deutschlands Privatbanken unterstützen eine führende Rolle der EZB bei der Regulierung der Finanzbranche. Auf Widerstand trifft dagegen der Anleihekaufplan der Währungshüter. Commerzbank-Chef Martin Blessing kritisierte in Frankfurt, Staatsanleihenkäufe verstießen gegen das Mandat der EZB. „Ich kann mir nicht vorstellen wie durch einen Rechtsbruch langfristig Vertrauen aufgebaut werden kann“, sagte Blessing am zweiten Tag der „Handelsblatt“-Bankentagung. Für eine vernünftige Idee halten die Privatbanken aber eine zentrale europäische Bankenaufsicht unter Federführung der EZB.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist zuversichtlich, dass die Euro-Zone an Stabilität gewinnt. Dem rbb-Inforadio sagte Schäuble: „Der Euro wird im nächsten Jahr ein Stück stabiler sein und weniger Nervosität auf den Finanzmärkten auslösen. Aber er wird noch nicht ganz im ruhigen Fahrwasser sein.“ (dpa)