Des einen Freud ist des anderen Leid. Das stimmt auch im Fall der Abwrackprämie: Während Neuwagen weggehen wie warme Semmeln, werden Gebrauchtwagen zu Ladenhütern.
Hamburg. "Wir haben im Frühjahr doppelt so viele Polos und Golfs verkauft wie im Vorjahr. Hauptsächlich an neue Kunden, die sich ohne die Prämie vermutlich keinen Neuwagen gekauft hätten", freut sich Bernd Kußmaul von Auto Wichert. Der Hamburger Autohändler profitiert von der Umweltprämie, die auch weniger betuchte Autofahrer zu Neuwagen greifen lässt. Auch Kußmauls Kollegen vom Toyota-Händler S&K und den Mehrmarkenanbietern Ernst Dello und Krüll sind Nutznießer der Umweltprämie, berichten die Händler dem Abendblatt.
Und sie stehen nicht alleine da: Der gesamte deutsche Automarkt läuft dank der staatlichen Anreize auf Hochtouren. Die Zahl der Neuzulassungen stieg im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat um 39,7 Prozent auf rund 384 600 Fahrzeuge, wie das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg mitteilte. Der wankende Hersteller Opel legte sogar um 57 Prozent zu und sicherte sich mit 10,2 Prozent Marktanteil Platz zwei nach VW mit 21,4 Prozent.
Der starke Zuwachs bei den Neuzulassungen geht auf eine Welle von Autobestellungen bei der Einführung der Abwrackprämie zurück. Wer Ende Februar oder im März gekauft hatte, musste bei vielen Modellen mit mehrwöchigen Lieferfristen rechnen. Bei der staatlichen Abwrackprämie für Altautos bekommen Käufer eines Neuwagens 2500 Euro.
Umso kleiner, desto begehrter
Besonders gefragt waren erneut Minis (plus 140 Prozent), Kleinwagen (plus 92,7 Prozent) und Autos der Kompaktklasse (plus 55,7 Prozent). Oberklasse und obere Mittelklasse mussten dagegen abermals Rückgänge hinnehmen. Insgesamt wurden in den ersten fünf Monaten rund 23 Prozent mehr Pkw als im Vorjahreszeitraum zugelassen.
Die Hamburger Autohäuser sehen die Abwrackprämie allerdings nicht nur positiv. Zum einen sorgt sie für eine Delle im Werkstattgeschäft, weil alte, reparaturbedürftige Wagen von den Straßen verschwinden. Die Subventionen machen zudem günstige Gebrauchtwagen zu Ladenhütern, berichten die Händler, die neben neuen auch gebrauchte Autos verkaufen. Noch stärker gebeutelt sind die Firmen, die nur Gebrauchtwagen anbieten. "Niemand in unserer Branche verkauft noch Autos", sagt Bahman Abbasi aus Stapelfeld.
Der 50-Jährige handelt mit Gebrauchtwagen - eigentlich. Insgesamt 40 Autos hat er zurzeit auf dem Hof seines Easy-Car-Handels, los wird er sie nicht. Kürzlich musste er sogar fünf seiner Autos an einen Kollegen weiterverkaufen. "Mit 2000 Euro Verlust. Aber ich musste meine Miete zahlen." Lange könne er so nicht weitermachen.
"4000 Autohändler stehen auf der Kippe"
Das Interesse an der Abwrackprämie schwindet indes nur langsam. Bei dem für die Vergabe zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gehen immer noch pro Tag 8000 Anträge auf die Prämie ein. Nach Stand vom Mittwoch waren noch 460 000 von insgesamt zwei Millionen Prämien zu vergeben. Daraus ergibt sich noch eine Frist von drei Monaten, bis der Topf leer ist.
Die Bearbeitung der 480 000 vorliegenden Altanträge laufe nach Plan und werde Ende Juni abgeschlossen sein, so eine Sprecherin. Auch die 120 000 Reservierungsbestätigungen nach dem neuen Verfahren seien nahezu alle erteilt. Insgesamt will der Bund fünf Milliarden Euro für die Prämie ausgeben.
Nach dem Auslaufen der Subventionen droht nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ein Autohändlersterben. "4000 Autohäuser stehen auf der Kippe, weil sie spätestens im nächsten Jahr nur noch mit katastrophalen Margen rechnen können", sagte Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen dem Abendblatt. Bereits jetzt zeichne sich ab, dass etliche Händler über den Käuferanreiz aus der Abwrackprämie hinaus noch einmal 2500 Euro Rabatt gewährten, selbst bei günstigen Autos. Nach Auslaufen der Abwrackprämie könnten solche Baranreize nicht einfach eingestellt werden. Schließlich seien die Kunden dann "besonders verwöhnt", gab Dudenhöffer zu bedenken.