Airbus baut ein Werk, mitten im Heimatland des Rivalen Boeing. Die Airbus-Mitarbeiter in Europa sollen nicht weniger zu tun bekommen.

Mobile/Hamburg. Der europäische Flugzeugbauer Airbus startet mit dem Bau seines ersten Werkes in den USA einen Frontalangriff auf den Erzrivalen Boeing. Die Europäer setzen für 600 Millionen Dollar oder umgerechnet 475 Millionen Euro sieben große Hallen auf die grüne Wiese samt nötiger Startbahn. Schon in drei Jahren sollen in der Hafenstadt Mobile im Bundesstaat Alabama die ersten Maschinen der Serie A320 montiert werden. Es ist eine Kampfansage an Boeing.

„Wir müssen in den USA sichtbar sein“, sagte der neue Airbus-Chef Fabrice Brégier bei der Vorstellung der Pläne vor Ort. In keinem anderen Land der Erde werden mehr Flugzeuge verkauft als in den Vereinigten Staaten. Bislang sind die USA aber die Schwachstelle der Europäer, die sich weltweit mit dem Titel des größten Flugzeugbauers schmücken. „Wir sind der Überzeugung, dass wir einen größeren Anteil am Markt bekommen können“, sagte Brégier.

In den USA beherrscht das Boeing-Konkurrenzmodell B737 die Lüfte. Die Maschinen mittlerer Reichweite mit ihren 100 bis 200 Sitzen sind ideal, um die Städte in dem weiten Land miteinander zu verbinden. Airbus’ Hoffnung ist, dass eine Fertigung vor Ort das Eis bei den US-Fluggesellschaften bricht. Die Chefs mehrerer Airlines äußerten sich bereits positiv. Überdies fällt das Wechselkursrisiko durch die US-Produktion weg. Flugzeuge werden weltweit in Dollar gehandelt.

Der Chef des Airbus-Mutterkonzerns EADS, Thomas Enders, trat der Befürchtung entgegen, dass das neue US-Werk Jobs in Europa gefährde. Airbus baut den A320 unter anderem in Hamburg. „Nein, das heißt überhaupt keinen Abbau von Arbeitsplätzen“, sagte Enders dem Fernsehsender n-tv. „Wir rechnen im Gegenteil damit, dass jeder Arbeitsplatz, der in Mobile jetzt entsteht, ungefähr vier Arbeitsplätze bei Airbus nach sich zieht.“

+++Airbus will Boeing auf Heimatmarkt angreifen+++

Airbus schätzt den Bedarf an sogenannte Single-Aisle-Maschinen, also Flugzeugen mit einem einzigen Gang wie beim Airbus A320, in den in den nächsten 20 Jahren auf 4600 Stück in den USA. „Diese Montagelinie bringt uns unseren Kunden näher“, sagte Brégier.

Die einzelnen Sektionen werden in den europäischen Fabriken vorgefertigt, per Schiff in den Hafen von Mobile gebracht, und im dortigen Werk dann zu kompletten Fliegern zusammengesetzt. Anschließend werden die Maschinen lackiert, getestet und an die Kunden ausgeliefert.

Mit dem Bau des Werks soll im Sommer 2013 begonnen werden, die Montage soll 2015 beginnen und die erste Auslieferung wird für 2016 erwartet. Wenn das Werk auf vollen Touren läuft, sollen 40 bis 50 Flugzeuge jedes Jahr die Hallen verlassen. Gemessen an den heutigen Produktionsraten würde das neue Werk damit rund ein Zehntel der jährlichen A320-Produktion liefern. Eine spätere Ausweitung der Fertigung wäre möglich, sagte Airbus-Strategiechef Christian Scherer.

„Mit diesem Projekt werden 1000 sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen“, frohlockte Gouverneur Robert Bentley. Der Süden der USA gilt als eher arme Gegend. In der Vergangenheit haben sich hier aber immer mehr Industriebetriebe angesiedelt, darunter die deutschen Autobauer BMW, Mercedes und VW. Die Betriebe profitieren von staatlicher Unterstützung und günstigen Löhnen.

In Mobile werden alle Varianten der A320-Modellfamilie gebaut mit Ausnahme des kleinsten Vertreters A318. Es ist das vierte Werk für den Bestseller. Bislang werden die Flieger am Stammsitz in Toulouse montiert, bei der deutschen Airbus-Tochter in Hamburg-Finkenwerder sowie seit 2008 auch in der chinesischen Hafenstadt Tianjin.

Besonders die modernisierte Variante A320neo verkauft sich blendend. Seit der Vorstellung vor etwa einem Jahr sind rund 1400 Bestellungen eingegangen. „Wir sind ausverkauft bis 2019/2020“, sagte Airbus-Chef Brégier.

Auch die US-Fluggesellschaften haben starkes Interesse an dem neuen Flieger gezeigt, der ab 2015 ausgeliefert wird. American Airlines hat gleich 130 Stück bestellt und weitere 130 Maschinen des Vorgängers. Das Flugzeug soll dank neuer Triebwerke und einer geänderten Flügelform 15 Prozent weniger Sprit verbrauchen als das aktuelle Modell – in Zeiten steigender Ölpreise ist das ein gewaltiges Verkaufsargument.

Ursprünglich wollte Airbus in Mobile ein Werk für militärische Tankflugzeuge bauen. Diese Pläne platzten, weil der sogenannte Jahrhundert-Auftrag der US-Regierung über rund 35 Milliarden Dollar nach jahrelangem Tauziehen und massivem politischem Druck in Washington im Februar 2011 schließlich an den US-Konkurrenten Boeing ging. Derzeit arbeiten in Mobile rund 200 Ingenieure und weitere Mitarbeiter für Airbus.

(dpa/abendblatt.de)