Neue Fabrik in Alabama soll Produktion in Hamburg ergänzen. Experten halten sie für nötig, um steigende Nachfrage nach Flugzeugen zu decken.
Hamburg. Selbst die Veranstaltungsorte sind offenbar schon bekannt: Airbus-Chef Fabrice Bregier werde am Montag um 10 Uhr Ortszeit im Mobile Convention Center die Pläne für ein Werk in Mobile/Alabama vorstellen, zuvor treffe er am Sonntag Lokalpolitiker zum Dinner im Battle House Hotel. Das jedenfalls berichtet die örtliche Zeitung "Press-Register".
+++ Vorbild Airbus +++
+++ Das Werk in China +++
Von Airbus heißt es zwar, es gebe keine Entscheidung zu dem Thema eines US-Werks, zu Spekulationen äußere sich das Unternehmen nicht. Generell aber sei es "kein Geheimnis, dass Airbus seit Längerem darüber nachdenkt, wie wir uns global industriell noch breiter aufstellen können", sagt Firmensprecher Heiko Stolzke dem Abendblatt.
Vor allem geht es darum, die Produktion im Dollar-Raum zu steigern. Denn Flugzeuge werden in Dollar verkauft, ein großer Teil der Kosten fällt bei Airbus, anders als beim Hauptkonkurrenten Boeing, aber in Euro an - was den Europäern bei vergleichsweise hohen Kursen der Gemeinschaftswährung stets wehtut. "Die Schwankungen des Devisenkurses sind ein Unsicherheitsfaktor, den man mit einer Produktion in den USA zumindest verringern kann", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Der Hauptgrund für den Bau eines weiteren Werkes sei aber ein anderer: "Heute liefern Airbus und Boing zusammen jährlich rund 900 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge aus, mittel- bis längerfristig wird der Markt aber 1200 Maschinen jährlich nachfragen", erwartet Großbongardt. "An den gegenwärtigen Standorten von Airbus in Europa wird sich eine Kapazitätssteigerung in diesem Umfang nicht schnell genug umsetzen lassen."
+++ Airbus baut neues Montagewerk in Amerika +++
Auf Basis der vorhandenen Fertigungskapazität seien beide große Hersteller bis 2016 "praktisch ausverkauft", was neuen Wettbewerbern im Markt der Jets mit 100 bis 200 Sitzen, etwa aus China und aus Kanada, zusätzliche Chancen biete, falls Airbus und Boeing den steigenden Bedarf nicht selbst decken könnten.
Zwar hat Airbus auch ein Montagewerk in China. "Das Unternehmen wird die Produktion dort aber aus politischen und strategischen Gründen voraussichtlich nicht sehr weit über das bisher geplante Maß hinaus erweitern", sagt Großbongardt. Für ihn wäre der Bau eines Werks in den USA eine "gute, notwendige, logische Entscheidung" des Airbus-Managements.
Dass die USA - trotz der höheren Wachstumsraten in Asien - immer noch ein äußerst wichtiger Luftfahrtmarkt sind, steht ohnehin außer Frage. Nach einer Schätzung von Airbus benötigen die Fluggesellschaften in Nordamerika bis zum Jahr 2030 insgesamt knapp 5000 neue Kurz- und Mittelstreckenjets. Zum Vergleich: In Asien sind es der Prognose zufolge 5700, in Europa gut 4500 Maschinen. Bisher ist Airbus in den USA mit einem Marktanteil von nicht einmal 20 Prozent klar unterrepräsentiert, denn weltweit liegt der Anteil in der Nähe von 50 Prozent. Es gäbe in Amerika für den europäischen Flugzeugbauer also noch viel zu gewinnen.
So wie im chinesischen Tianjin ginge es in Alabama um ein Endmontagewerk, das die vorgefertigten Rumpfsegmente - sie kommen aus Hamburg - und Tragflächen per Schiff aus Europa erhielte. Aus diesem Grund und wegen der künftig voraussichtlich steigenden Produktionszahlen müssten die Mitarbeiter in den europäischen Standorten ein neues Werk in den USA mit vielleicht 1200 bis 1500 Beschäftigten nicht fürchten, sagt Großbongardt: "Es bedroht nicht die Arbeitsplätze in Hamburg, sondern lässt eher Platz für weiteres Wachstum."
Für Mobile spricht nicht nur die Lage an der Küste. Airbus ist dort mit gut 200 Beschäftigten in einem Konstruktionszentrum, das Teile der Inneneinrichtung des Langstreckenjets A350 entwirft, sowie einem Wartungsbetrieb für Militärflugzeuge schon vertreten.
Vor allem aber unterhält Airbus schon seit dem Jahr 2005 beste Kontakte zur dortigen Politik. Denn im Zuge der Bewerbung um einen Großauftrag der US-Luftwaffe für Tankjets, den sich schließlich der Rivale Boeing sichern konnte, hatten die Europäer ein Montagewerk in Mobile in Aussicht gestellt.
Wegen günstiger Investitionsbedingungen, wozu auch niedrige Arbeitskosten angesichts eines geringen Organisationsgrads der Beschäftigten in Gewerkschaften zählen, sind unter anderem die Autokonzerne Mercedes und Hyundai mit Werken in Alabama vertreten. Im Nachbarbundesstaat Mississippi baut das Airbus-Schwesterunternehmen Eurocopter seit 2004 Hubschrauber - und hat seitdem den US-Marktanteil auf 50 Prozent verdoppelt.