Airbus will auf dem US-Markt verstärkt mitmischen und US-Rivalen Boeing mit einem US-Werk und Fliegern “Made in USA“ direkt angehen.

Hamburg/Paris. Eine offizielle Bestätigung steht derzeit noch aus, doch ein offizielles Dementi fehlt ebenfalls: Der europäische Flugzeugproduzent Airbus bricht mit einem eigenen US-Montagewerk in den Heimatmarkt des Erzrivalen Boeing ein. Die Realisierung wäre ein lang angekündigter historischer Schritt für den Flugzeughersteller Airbus.

„Wir haben nie ein Geheimnis aus unserem Wunsch gemacht, in den USA industriell breiter aufgestellt zu sein – ganz einfach, weil es der größte Luftfahrtmarkt der Welt ist“, betonte noch am Donnerstag der frühere Airbus-Chef Tom Enders , der seit wenigen Wochen die Geschicke des Mutterkonzerns EADS leitet.

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Auf einer Veranstaltung in Paris meinte er nach Angaben der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ (Freitag): „Wir sind bereits mit Aufträgen von mehr als 20 Milliarden Dollar der größte Kunde der US-Luftfahrtindustrie.“ Eine Bestätigung für die nach übereinstimmenden Medienberichten am Montag anstehende Ankündigung des US-Werkes gab es allerdings auch von ihm nicht.

Der Name des ins Gespräch gebrachten Standortes Mobile im US-Bundesstaat Alabama kommt dennoch nicht überraschend. Schon beim Tauziehen um einen milliardenschweren Tankerflugzeug-Deal für die US-Luftwaffe war er aufgetaucht. Airbus hatte den Plan, in Mobile seine A330-Flugzeuge für die Air Force bauen zu lassen. Als Konkurrent Boeing nach jahrelangem Streit dann zum Zuge kam, verschwand der Name erst einmal in der Versenkung – auch wenn die Verhandlungen mit den dortigen Behörden offenbar weiter gingen. Bisher beschäftigt Airbus bereits rund 1000 Mitarbeiter in den USA - darunter in Mobile, wo eine Art Ingenieurszentrum entstanden ist.

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Aus Airbus-Sicht ist ein US-Standort der beste Weg, den lukrativen US-Markt zu knacken, der knapp 18 Prozent des globalen Luftverkehrs repräsentiert. Denn in Nordamerika ist bis zum Jahr 2030 nach hauseigenen Schätzungen ein Bedarf von 5901 Passagierflugzeugen mit mehr als 100 Sitzen Kapazität zu erwarten – ein Gesamtwert von 648 Milliarden Dollar (520 Mrd Euro). Mindestens die Hälfte davon dürften Mittelstrecken-Jets wie der zweistrahlige Airbus A320 sein, der sich in seiner Spar-Version A320neo gerade als wahrer Kassenschlager entpuppt. Boeing setzt ihm sein modernisiertes Erfolgsmodell 737 Max entgegen.

Doch obwohl Airbus der Konkurrenz mittlerweile auf dem Weltmarkt den Rang des Marktführers abgerungen hat, ist der Hersteller auf dem US-Markt trotz diverser Einzelerfolge mit knapp 20 Prozent Marktanteil noch unterrepräsentiert. Ein weiteres Argument für einen derartigen Produktionsstandort ist neben möglicherweise niedrigeren Produktionskosten als in den europäischen Werken – wie etwa Hamburg - vor allem im Finanziellen angesiedelt. Denn in der Welt der Luftfahrt werden Flugzeuge nach wie vor mehrheitlich in US-Dollar verkauft. Die Kosten entstehen Airbus jedoch in Euro. Schwankt der Dollar stark, sinkt bei Airbus die Profitmarge in den Keller.

Zudem käme ein psychologischer Effekt hinzu: Airbus könnte künftig seine Flugzeuge als „Made in USA“ verkaufen und damit all jenen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die in den USA bei öffentlichen Auftragsvergaben für nationale Hersteller plädieren. Das Airbus-Werk im chinesischen Tianjin (bei Peking) hat dabei in gewisser Weise den Weg gewiesen: Mit einer Produktionsrate von demnächst gerade mal vier Flugzeugen pro Monat dürfte das 2008 eröffnete Werk in diesem Jahr bereits die Gewinnzone erreichen. Das 100. Flugzeug soll demnächst ausgeliefert werden. Es hat den Airbus-Marktanteil in China von 30 auf etwa 50 Prozent gesteigert.

Für die am Rande ihrer Kapazität arbeitenden europäischen Montagewerke – wo Ende des Jahres eine Monatsproduktion von 42 Flugzeugen angepeilt wird – dürfte sich ein US-Werk kaum negativ auswirken. Denn die Auftragsbücher bei Airbus sind gut gefüllt. In diesem Jahr kann das Unternehmen deshalb 4000 neue Mitarbeiter neu einstellen will. 4500 waren es bereits 2011. Und ein US-Montagwerk würde ähnlich funktionieren wie eines der europäischen: die Komponenten werden aus allen Teilen der Welt angeliefert – darunter vor allem auch aus Europa. (dpa/abendblatt.de)