Die Stadt und der Flugzeugbauer setzten sich vor dem Bundesverwaltungsgericht durch. Das Projekt ist “mittelbar gemeinnützig“, sagen die Richter.

Seit 1997 wurden unzählige Prozesse geführt, Baustopps von Gerichten verhängt und von nächsten Instanzen wieder aufgehoben: Jetzt ist die umstrittene Airbus-Werkserweiterung ins Mühlenberger Loch auch vom höchsten deutschen Verwaltungsgericht juristisch abgesegnet worden. Die fünf Richter vom 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bestätigten gestern in Leipzig in einer Revisionsverhandlung ein Urteil des Hamburger Oberverwaltungsgerichts (OVG) vom Juni 2005. Damit ist das erste der zwei großen Airbus-Verfahren abgeschlossen. Die Klagen gegen die Landebahnverlängerung laufen hingegen noch.

Das OVG hatte in einem Musterprozess die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Werkserweiterung abgewiesen - nachdem das Verwaltungsgericht sie noch bestätigt hatte. "Wir können keinen Fehler des OVG erkennen", begründete in Leipzig der Vorsitzende Richter, Stefan Paetow, die Entscheidung seines Senats. Hamburgs Wirtschaftsstaatsrat Gunther Bonz zeigte sich erleichtert: "Damit haben wir jetzt endlich eine wesentliche Rechtssicherheit für den Flugzeug-Standort Hamburg." Das gelte sowohl für die Produktion des Großraum-Flugzeuges A380 als auch für kleinere Airbus-Flugzeuge.

Es ist ein Saal mit langer Justizgeschichte, in dem das höchste deutsche Verwaltungsgericht über das Finkenwerder Airbuswerk verhandelt. Die hohen Wände sind bis über die Decke holzvertäfelt, goldener Stuck und mächtige Wappen deutscher Bundesländer, Städte und früherer Königreiche hängen über den Stuhlreihen und den immerhin acht Anwälten, die sich vor ihren Akten positioniert haben. Fünf haben die Stadt und Airbus ins Feld geführt, drei der Kläger. Noch bis 1945 kam hier im großen Saal des 1895 fertiggestellten Gebäudes das deutsche Reichsgericht zusammen.

Richter Paetow schätzt das klare Wort. "Das ist doch der Kern", ist eine gern gewählte Formulierung. Gleich zu Beginn fasst er die Revisionsverhandlung in zwei Komplexe zusammen: Zum einen gehe es um die Frage, ob der Kläger überhaupt klageberechtigt sei. Das hatten die Hamburger OVG-Richter verneint.

Zweiter Komplex: Die vom Hamburger OVG formulierte "mittelbare Gemeinnützigkeit" der privatwirtschaftlichen Airbus-Werkserweiterung zum Bau des Großraumjets A380. Hintergrund: Ist ein Projekt gemeinnützig, dann darf den Bürgern auch mehr zugemutet werden, beispielsweise Lärmbelastung. Der Planfeststellungsbeschluss dazu genehmigt aber auch eine deutliche Erhöhung der Flugbewegungen auf jetzt durchschnittlich 13,5 pro Tag. Wegen dieses Lärms hatten stellvertretend je ein Anwohner vom Nord- und Südufer der Elbe geklagt, inzwischen ist nur noch ein Hausbesitzer aus Teufelsbrück übrig, weil sich sein Neuenfelder Pendant mit der Stadt geeinigt hatte.

Die Kläger-Anwälte Rüdiger Nebelsieck und Peter C. Mohr machen in der Verhandlung mehrfach den aus ihrer Sicht großen Unterschied zwischen einem öffentlichen Flughafen und einem privaten Werksflugplatz deutlich. Hier müsse das Nachbarschaftsrecht greifen, das bei einer Beeinträchtigung einen stärkeren Ausgleich vorsieht. Die von Airbus zu zahlenden "passiven Lärmschutzmaßnahmen" (etwa Schallschutzfenster) an den Anwohnerhäusern reichten nicht aus. "Wenn ein Werk erfolgreich Flugzeuge mitten in der Stadt produziert, muss es irgendwann eine Grenze des Zumutbaren geben", so Nebelsieck.

Anders der Anwalt der Stadt, Professor Heribert Johlen: Der Bau von Flugzeugen sei stets damit verbunden, dass sie vom Werk auch wegfliegen könnten. Insofern sei der Airbus-Flugplatz mit der gemeinnützigen Anbindung eines Gewerbegebiets zu vergleichen.

Scharf zur Sache gehen die beiden Juristen in ihren Schlussplädoyers: "Die ganze Planung ist von dem Makel behaftet, dass die Bürger hinters Licht geführt wurden", meint Anwalt Mohr. Sie werfen der Stadt Salami-Taktik vor. Schon bei der ersten Landebahnverlängerung sei klar gewesen, dass eine zweite nötig sei. Wirtschaftsstaatsrat Gunther Bonz widerspricht und argumentiert mit 7900 neu entstandenen Arbeitsplätzen.

Der 4. Senat folgt nach mehrstündiger Verhandlungsunterbrechung in allen Punkten dem OVG. Aber auch bei den noch ausstehenden Prozessen dürfte sich nun die Position Hamburgs gestärkt haben.