Paris/München. An der Spitze von Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern EADS findet am Donnerstag (31. Mai) ein Stabwechsel statt. Ein französischer Spitzenmanager räumt altersbedingt einem deutschen Top-Manager den Chefsessel. Beide haben viel gemeinsam und gelten als Visionäre und sind charakterstarke Grenzgänger – selbst wenn ihr gesellschaftlicher Hintergrund unterschiedlicher nicht sein könnte.

Der Neue: Thomas Enders

Der bisherige Airbus-Chef Thomas Enders (53) – im Konzern mit Englisch als Hauptsprache Tom Enders – wird zum 1. Juni neuer EADS-Chef und damit Europas mächtigster Luft- und Raumfahrtmanager. Er folgt nach einem 2007 zwischen Berlin und Paris ausgehandelten Besetzungsschema als Deutscher auf den altersbedingt scheidenden Franzosen Louis Gallois, der mit einer Rekordbilanz aus der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ausscheidet.

Der Schäfersohn Tom Enders kämpfte sich erfolgreich aus armen Verhältnissen an die Spitze und erwarb sich als Sanierer und strategischer Entwickler Respekt. Seine Karriere verlief zwischen Management, Politik und Bundeswehr. Der Fallschirmjäger stieg bis zum Major der Reserve auf, was ihm den Spitznamen „Major Tom“ einbrachte. Der mitunter etwas hemdsärmelig auftretende vierfache Familienvater gilt als charakterstark und liebt klare Worte. Auch den Konflikt mit der Politik scheut er nicht, wenn es um die Interessen seines Unternehmens geht. Den Traum vom Fliegen ermöglichte er sich mit einer Ausbildung zum Helikopter-Pilot. In einer deutsch-französischen Doppelspitze hatte er von 2005 bis 2007 den Konzern schon einmal mitgeführt, bevor er dann neuer Chef bei der EADS-Tochter Airbus wurde und den Flugzeughersteller zum Weltmarktführer machte.

Der Alte: Louis Gallois

Der altersbedingte ausscheidende EADS-Chef Louis Gallois (68) hat jahrzehntelang als einer der wichtigsten europäischen Manager Akzente im europäischem Luft- und Raumfahrtgeschäft gesetzt. Der charismatische Franzose mit dem feinen Humor gilt als knallharter Verhandlungsexperte, aber konziliant im Umgang. Wiederholt versuchte er auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen, das europäische Gemeinschaftsprojekt EADS vor Begehrlichkeiten der Politik abzuschirmen. Er hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Fusion von vier mittelgroßen nationalen Unternehmen zum europäisch ausgerichteten EADS-Konzern und stieß diverse Großprojekte an.

Obwohl sein Bildungshintergrund dem typischen Karrierebild eines französischen Spitzenpolitikers entspricht, war der den Sozialisten nahe stehende Gallois politisch kaum in Erscheinung getreten. Über seinen Rückzug ins Privatleben als Rentner vor dem heimischen TV witzelte er wiederholt. Der „Welt am Sonntag“ erklärte er, er sei nun in einer Kommission der EU tätig, die die Rolle der Investmentbanken untersuche: „Ich engagiere mich weiter in meinem Thinktank in der Industriepolitik. Dann werde ich in den Verwaltungsrat des staatlichen Fonds FSI einziehen. Außerdem bin ich noch Verwaltungsrat bei Michelin. Mir wird also nicht langweilig.“ Auf der letzten EADS- Bilanzkonferenz unter seiner Leitung wurde er von den internationalen Journalisten spontan mit Applaus verabschiedet, was ungewöhnlich ist. (dpa)