Nun steht auch der Euro-Rettungsschirm unter verschärfter Beobachtung von Standard & Poor's. Ratingagentur verteidigt Entscheidung.

Berlin/Frankfurt. Ein Rating-Schock folgt auf den nächsten: Standard & Poor's (S&P) hat nach dem Rundumschlag gegen zahlreiche Staaten der Eurozone auch den Kreditausblick für Anleihen des Euro-Rettungsfonds EFSF gesenkt. Der Ausblick für das „AAA“-Toprating werde auf „negativ“ gesetzt, teilte die Agentur am Dienstag mit. Der Rettungsfonds könnte die bisherige Topbonität verlieren, falls ein bisher mit Bestnote versehenes Mitgliedsstaat der Eurozone herabgestuft werden sollte. Dabei könnte die Kreditbewertung des EFSF um ein bis zwei Stufen gesenkt werden, hieß es weiter in der Mitteilung.

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+++ Jean-Claude Juncker: Ankündigung von Standard & Poor’s ein "Keulenschlag" +++

Der Europa-Chefanalyst von Standard & Poor's, Moritz Kraemer, hat die Entscheidung verteidigt, die Kreditwürdigkeit fast aller Euro-Länder unter verschärfte Beobachtung zu stellen. Investoren würden nicht blind Ratingveröffentlichungen folgen. Wer dies glaube, unterschätze die Intelligenz der Marktteilnehmer. Zudem könnte der EU-Gipfel Ende dieser Woche noch einiges bewegen. „Wir glauben, dass der Krisengipfel eine ganz maßgebliche Chance ist, diesen Prozess umzukehren“, sagte Kraemer am Dienstag im ARD-Morgenmagazin.

Die Risiken, die von der Krise ausgingen, könnten in den kommenden Wochen deutlich steigen, warnte Kraemer. Die Krise sei in einer Art und Weise ausgeufert, die nicht nur die Staatenfinanzierung betreffe, sondern auch das Bankensystem geschwächt habe: „Es ist eine systemische Vertrauenskrise."

„Wir glauben, dass die bisherige Erfolglosigkeit, die Krise wirklich effektiv und nachhaltig in den Griff zu bekommen, die Risiken einer realwirtschaftlichen Bremswirkung nach sich zieht“, sagte Kraemer. Die Gefahr einer Rezession im kommenden Jahr sei gestiegen – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Eine Exportnation wie Deutschland werde davon wehr stark betroffen sein.

Die Bundesregierung reagierte auf die drohende Herabstufung der Euro-Länder mit demonstrativer Gelassenheit: „Was eine Ratingagentur macht, das ist in der Verantwortung der Ratingagentur. Wir werden am Donnerstag und Freitag (8. und 9. Dezember) die Entscheidungen treffen, die wir für die Euro-Zone für wichtig, für unabdingbar halten und damit einen Beitrag zur Stabilisierung der Euro-Zone leisten“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin mit Blick auf die kommenden EU-Gipfel in Brüssel.

Sie habe immer gesagt, dass die Bekämpfung der Krise ein längerer Prozess sei, erklärte die CDU-Vorsitzende. „Aber dieser Weg ist jetzt vorgezeichnet, auch gestern durch das Treffen mit dem französischen Präsidenten, und auf diesem Weg werden wir weiter voranschreiten.“ Merkel und Nicolas Sarkozy hatten sich am Montag unter anderem auf schärfere Euro-Regeln und eine Vertragsveränderung verständigt.

Die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hatte am späten Montagabend eine Überprüfung der Kreditwürdigkeit von Deutschland und Frankreich sowie weiterer 13 Staaten der europäischen Währungsunion angekündigt. Die systemischen Belastungen der Euro-Staaten hätten in den vergangenen Wochen ein Ausmaß erreicht, das erheblichen Druck auf die Bonität der Eurozone als Ganze ausübe, erklärte Standard & Poor’s in New York. Bei einer Neubewertung könnten Euroland eine Herabstufung und damit höhere Zinsen drohen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versteht die Ankündigung von S&P als Handlungsaufforderung an die EU. Schäuble sagte am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion in Wien: „Die Warnung betrifft die Eurozone als Ganzes.“ Die Ankündigung sei „eine zusätzliche Bestätigung, dass wir alles daran setzen müssen, zu einem guten Ergebnis zu kommen“, ergänzte Schäuble mit Blick auf den EU-Gipfel. Alle Länder müssten ihre Defizite reduzieren. „Jedes Land muss seine eigenen Hausaufgaben machen.“

Die Verringerung der staatlichen Defizite müsse „überprüfbar und glaubwürdig“ geschehen. Die Schuldenbremse sei ein wichtiger Schritt, das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurozone wieder zu stärken, sagte Schäuble bei einer Podiumsdiskussion unter anderen mit der österreichischen Finanzministerin Maria Fekter sowie Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger.

Der Deutsche-Bank-Experte Ulrich Stephan rät dazu, die drohende Herabstufung der Topbonität Deutschlands nicht überzubewerten. „Wenn man über ein Triple-A redet und das ginge runter auf AA+ wäre das nicht der Untergang des Abendlandes“, sagte der Chefanlagestratege des größten deutschen Geldhauses in Frankfurt. „Aber es ist natürlich ein Signal und deswegen ist es auch wichtig, dass man daran arbeitet, dass es nicht dazu kommt.“

Die Märkte würden sich ihre eigenen Realitäten schaffen, so Stephan und weiter: „Trotz der Warnung reagieren die Bundesanleihen heute kaum“, sagte Stephan. Er glaube nicht, dass die S&P-Mitteilung zu „dramatischen Auswirkungen an den Märkten führen“ werde. Auch nach der Ankündigung einer drohenden Abstufung der Bonität der USA im August sei man sehr schnell zur Tagesordnung übergegangen.

Es sei nun an den europäischen Regierungen, auf dem eingeschlagenen Reformpfad voranzuschreiten. „Ich habe den Eindruck, dass Europa verstanden hat und jetzt diesen Weg gehen wird“, sagte Stephan.

Stefan Schneider, Leiter Makroökonomie bei DB Research, ergänzte, Italien sei das Schlüsselland: „Wenn die Euro-Zone es nicht schafft, Italien auf den rechten Pfad zu bringen, hätte das eklatante Auswirkungen auf den Fortbestand der Euro-Zone. Aber im Moment sehe ich dafür keine Indikation.“

Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, sagte hingegen, die Ankündigung sei „wie ein Keulenschlag“. Der Schritt sei völlig überzogen und komme zur Unzeit. Die Eurozone verstärke gerade ihre Sparbemühungen. „Beunruhigt bin ich nicht, erstaunt schon“, fügte Juncker hinzu. Dass die Agentur kurz vor dem EU-Gipfel „aus blauem Himmel“ vorpresche, könne kein Zufall sein. Er begrüßte die deutsch-französischen Pläne. Automatische Strafen für Defizitsünder, die Schonung von Banken und das vorgezogene Aufspannen des dauerhaften Rettungsschirms ESM seien „in hohem Maße vernünftig“. (dapd/dpa/abendblatt.de)