Zinsen für mehrere Euro-Länder zogen kräftig an. Italienische Anleihen werden derzeit mit 6,21 Prozent verzinst - deutsche mit 0,39.

Berlin. Während immer mehr Euro-Länder wegen der Schuldenkrise rekordhohe Zinsen zahlen müssen, kann sich die Bundesrepublik günstiger denn je am Kapitalmarkt refinanzieren. Bei der Auktion zweijähriger Bundesschatzanweisungen fiel der durchschnittliche Zins auf 0,39 Prozent, teilte die mit dem Schuldenmanagement des Bundes beauftragte Finanzagentur am Mittwoch mit. Bei der vorangegangenen Versteigerung im August mussten Investoren mit einer beinahe doppelt so hohen Rendite von 0,73 Prozent gelockt werden. „Daran lässt sich die Qualität der Benchmarkpapiere des Emittenten Bund ablesen“, sagte ein Sprecher der Finanzagentur.

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Zum Vergleich: Die Zinsen vergleichbarer italienischer Anleihen liegen derzeit bei 6,21 Prozent, bei spanischen Titeln bei 5,35 Prozent. Aus Angst vor einer Ausbreitung der Schuldenkrise waren am Dienstag erstmals Euroländer mit höchster Bonitätsnote – wie Frankreich, Österreich, Belgien und die Niederlande - ins Visier der Finanzinvestoren geraten: Die Zinsen zogen kräftig an.

Die Nachfrage nach den deutschen Papieren fiel wegen der niedrigen Zinsen sehr schwach aus: Der Bund sammelte rund 4,8 Milliarden bei den Anlegern ein. Ursprünglich sollten es bis zu sechs Milliarden Euro sein. Die Differenz behielt die Finanzagentur zur Markpflege ein. „Langfristig orientierte Anleger sind bei den aktuellen Zinsniveaus nicht interessiert“, sagte Marc Ostwald von Monument Securities. „Für die ist das nichts.“

Deutschland profitiert wegen der Schuldenkrise von seinem Status als sicherer Hafen. Investoren sind bereit, für Sicherheit deutliche Abschläge bei den Renditen hinzunehmen. So lieh sich der Bund erst vor wenigen Tagen 3,8 Milliarden Euro für sechs Monate und zahlt dafür den Mini-Zins von 0,08 Prozent. Bei der Auktion fünfjähriger Anleihen Anfang des Monats fiel der Durchschnittszins auf 1,0 Prozent.

Die Kreditwürdigkeit der Bundesrepublik wird wegen vergleichsweise solider Staatsfinanzen von allen großen Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet, womit ein Zahlungsausfall als höchst unwahrscheinlich gilt. Der Bund will sich in diesem Jahr 275 Milliarden Euro von Investoren leihen.

Leterme sieht Belgien in gefährlicher Lage

Der Chef der belgischen Übergangsregierung, Yves Leterme, sieht Belgien angesichts der massiv steigenden Zinsen in einer „sehr schwierigen Lage“. Zwar sei die massive Verteuerung der Staatsverschuldung „nicht strukturell“ bedingt, sondern ein europäisches Problem, zitierte ihn die belgische Zeitung „De Standaard“ am Mittwoch in ihrer Onlineausgabe. Doch sie stellt das Land, das mehr als ein Jahr nach den Neuwahlen noch immer keine neue Regierung hat und dessen Parteien sich auf Einsparungen von mehr als elf Milliarden Euro einigen müssen, vor weitere Probleme.

Die Zinsen für die Schulden Belgiens hatten am Dienstag einen neuen Höchststand erreicht. Für Papiere mit zehnjähriger Laufzeit stiegen sie von 4,59 auf zeitweilig 5,00 Prozent, um anschließend wieder leicht unter die psychologisch wichtige Marke zu fallen, wie die zuständige Finanzbehörde in Brüssel mitteilte. Anfang Oktober hatte Belgien noch 3,6 Prozent für Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit zahlen müssen. Zum Vergleich: Die Zinsen für deutsche Staatsanleihen lagen zuletzt deutlich unter zwei Prozent, weil sie wieder als sicherer Hafen gefragt waren.

Belgien, dessen Schulden 97 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, hat seit Juni vergangenen Jahres wegen des Streits zwischen den beiden Sprachgruppen des Landes keine gewählte Regierung. Es gibt auch noch keinen Staatshaushalt für das kommende Jahr.

Der Abstand Belgiens zu den Zinsen, die Deutschland für seine Schulden bezahlen muss – der sogenannte Spread – lag noch im April bei etwa 80 Basispunkten. Er hat sich nunmehr auf gut 300 Punkte etwa vervierfacht. Die belgische Zeitung „De Standaard“ kommentierte am Dienstag, im rapiden Anstieg der Schuldzinsen für Belgien spiegele sich wachsender Zweifel der Finanzmärkte an der Fähigkeit zu einer Regierungsbildung in überschaubarer Zeit.

Bedrohung für Italien

Die Sorgenkinder der Eurozone hatten am Dienstag mit bedrohlich steigenden Kreditkosten bei Investoren für große Verunsicherung gesorgt. Im Blickpunkt stand vor allem Italien: Dessen Zins für zehnjährige Staatsanleihen stieg gestern abermals um 0,43 Prozentpunkte auf 7,01 Prozent. Damit lag er einen Prozentpunkt über dem kritischen Renditeniveau, bei dem Griechenland, Irland und Portugal unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen mussten.

Erst vergangenen Mittwoch hatte der Zins für zehnjährige italienische Anleihen fast 7,5 Prozent betragen und Sorgen über eine unkontrollierbare finanzielle Abwärtsspirale befeuert. Zwar hat die Nachricht, dass der Ökonom Mario Monti als designierter Ministerpräsident die Nachfolge von Silvio Berlusconi antreten soll, für Erleichterung gesorgt. Dennoch blicken die Märkte weiter mit Skepsis nach Rom.

Die Anleger in Deutschland quittierten die Entwicklung mit Verkäufen. Der DAX verlor bis zum späten Nachmittag 0,5 Prozent auf 5.954 Zähler, der MDAX gab 1,2 Prozent ab auf 8.925 Punkte. Der TecDAX verlor 1,4 Prozent auf 689 Zähler. Die Zinsen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen fielen um 1,0 Prozentpunkte auf 1,76 Prozent.

Spanien und Frankreich unter Druck

Unter Druck steht immer mehr Spanien: Die Zinskosten schossen am Dienstag bei der Ausgabe kurzfristiger Anleihen in die Höhe. Die Staatskasse wollte mit Anleihen über zwölf und 18 Monate 3,2 Milliarden Euro aufnehmen. Das ist nahe der Obergrenze von 3,5 Milliarden, die sie selbst gezogen hatte. Der Zins für einjährige Anleihen lag bei fünf Prozent. Bei der Auktion am 18. Oktober waren es noch 3,6 Prozent. Für 18-monatige Bonds muss der Staat jetzt 5,2 Prozent bezahlen, nach 3,8 Prozent im Oktober.

Der Zinssatz für zehnjährige Anleihen schnellte auf 6,25 Prozent - am Vortag hatte er noch bei 6,07 Prozent gelegen. Dies wurde als weiteres Zeichen für die wachsende Vorsicht der Investoren gegenüber den Staatsanleihen angesichts der Schuldenkrise gewertet.

Unterdessen erlöste Griechenland mit dem Verkauf kurzfristiger Staatsanleihen 1,3 Milliarden Euro. Wie die griechische Schuldenagentur mitteilte, verlangten die Investoren für die Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von 13 Wochen 4,63 Prozent Zinsen. Mitte Oktober musste das Land für Anleihen 4,61 Prozent Zinsen zahlen. Die Auktion war fast dreimal überzeichnet. Griechenland ist zur Verhinderung einer Zahlungsausfalls auf internationale Hilfskredite angewiesen.

Auch Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, bekam die schlechte Stimmung zu spüren. Die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen stiegen um weitere 0,17 Prozent auf 3,59 Prozent. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht über die Wirtschaftskraft der 17 Länder der Eurozone wurde Frankreich ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Eine Bewertungsliste zur allgemeinen Wirtschaftslage führte das Land zwischen Spanien und Italien auf den unteren Rängen.

„Für Frankreich sollten die Alarmglocken schrillen“, hieß es in dem Bericht der Denkfabrik Lisbon Council. „Für Europa ist das eine äußerst besorgniserregende Zeit, in der eine Ansteckungsgefahr sich zu einer sehr realen Möglichkeit zu entwickeln beginnt“, erklärte ein Wertpapierhändler bei Spreadex, Simon Furlong. „Die nackte Realität ist, dass es sehr wahrscheinlich einen Dominoeffekt in Europa geben könnte.“

Mit Material von dpa/dapd/reuters