Nach dem schnellen EM - nun die Qualifikation in Rekordzeit für die WM 2010 in Südafrika. Die Niederlande zwischen Traum und Trauma.

Amsterdam. In Rekordzeit haben die niederländischen Fußballstars das Ticket nach Südafrika gelöst, doch allzu große WM-Euphorie will bei Oranje nicht aufkommen. Der Schmerz von der Euro 2008 sitzt immer noch tief, als die Elftal erst die Fußballwelt verzauberte, um dann im Viertelfinale gegen Russland aus allen Träumen gerissen zu werden. Zum x-ten Mal hatten die Niederländer in der Schweiz eine große Titelchance liegen gelassen. So übt sich der neue Bondscoach Bert van Marwijk - der frühere Dortmunder Trainer ist ohnehin kein Mann der großen Sprüche - in Understatement. „Wir haben nicht das Potenzial eines großen Fußball-Landes“, sagte van Marwijk, der 2008 die Nachfolge von Marco van Basten angetreten hatte, und gab vorsichtig das Halbfinale als WM-Ziel aus.

Dabei hat van Marwijk eigentlich allen Grund, optimistisch zu sein. Erstmals in der Verbandsgeschichte blieben die Niederländer in der WM-Qualifikation ungeschlagen, nach sechs Siegen in sechs Spielen war Oranje als erstes europäisches Team für Südafrika qualifiziert. Und auch sonst gab es im Jahr 2009 keine Niederlage, nicht einmal jüngst gegen Weltmeister Italien (0:0).

Für Chefkritiker Johan Cruyff ein Muster ohne Wert: „Leistungen in Freundschaftsspielen zählen nicht. Da geht es um nichts. Die Qualifikation haben sie gemeistert. Man darf nicht vergessen, dass die Gegner nicht zu den besten in Europa gehörten“, sagte der Vize-Weltmeister von 1974. Trotzdem traut Cruyff der Mannschaft in Südafrika einiges zu: „Wenn es um etwas geht, wird die Elf scharf sein.“ Allerdings gibt es noch viele Fragezeichen. So sind der frühere HSV-Star Rafael van der Vaart (Real Madrid) und Klaas Jan Huntelaar (AC Mailand) in ihren Klubs nur Bankdrücker, die Offensivstars Arjen Robben (Bayern München), Wesley Sneijder (Inter Mailand) und Robin van Persie (FC Arsenal) klagen ständig über Verletzungsprobleme, und im Tor ist nach dem Rücktritt van Edwin van der Sar (Manchester United) ein Vakuum entstanden. Inzwischen denkt der 38-Jährige an ein Comeback.

Auch Stürmerstar Ruud van Nistelrooy (Real Madrid) und Clarence Seedorf (AC Mailand) würden in Südafrika gerne nochmal ihr Comeback geben, van Marwijk ist davon freilich wenig begeistert. 31 Spieler, darunter fünf Torhüter probierte der Trainer seit seinem Amtsantritt aus. Eine feste Größe ist dabei wieder sein Schwiegersohn Mark van Bommel (Bayern München), der unter Ex-Bondscoach van Basten noch außen vor war. Auch sonst ist die Bundesliga gut vertreten: So gehörten zuletzt Joris Mathijsen, Eljero Elia (beide Hamburger SV), Edson Braafheid (Bayern München) und Khalid Boulahrouz (VfB Stuttgart) ebenfalls zum Kader.

„Wir sind nicht der Topfavorit, aber diese Mannschaft muss eine wichtige Rolle spielen“, forderte Henk Kesler als Direktor des niederländischen Fußball-Verbandes KNVB vor der neunten Endrunden-Teilnahme. Mit Teamgeist soll dies gelingen, wie van Marwijk betont. Tugenden, die in der Vergangenheit nicht immer an der Tagesordnung waren.