Tief “Daisy“ traf Norddeutschland mit voller Wucht: Dörfer wurden von der Außenwelt abgeschnitten, Deiche drohten zu brechen. 320 Menschen mussten die Nach in eingeschneiten Zügen und Autos verbringen.
Hamburg/Kiel. Einer der schlimmsten Wintereinbrüche seit Jahren hat weite Teile Deutschlands am Wochenende in ein Chaos gestürzt. Sturmtief „Daisy“ schnitt Dörfer von der Außenwelt ab. Autos blieben in meterhohen Schneewehen stecken. Am schlimmsten betroffen war der Nordosten, wo mehr als 320 Menschen die Nacht in eingeschneiten Autos oder Zügen verbringen mussten. Mehrere Menschen starben auf eisglatten Straßen. Die Sturmflut gefährdete Deiche in Schleswig- Holstein, die aber auch am Abend der tosenden Ostsee standhielten.
Katastrophenalarm rief der Landkreis Ostvorpommern aus. In vielen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen fällt am Montag vorsichtshalber der Unterricht aus. Auch in anderen Bundesländern gab es massive Behinderungen – die Polizei registrierte landesweit mehr als 2000 Unfälle. Am schlimmsten hatte es die Menschen auf der Ostsee-Insel Fehmarn getroffen, wo der Sturm über das flache Land wütete und sämtliche Dörfer vom Schnee einschloss.
Am Sonntagabend waren immer noch rund 20 der 42 Ortschaften isoliert. Im nördlichsten Bundesland weckte das Chaos Erinnerungen an eine Schneekatastrophe: „Wir haben hier die gleiche Situation wie bei der Schneekatastrophe 1978/1979, nur die technische Ausstattung ist heute besser“, sagte Fehmarns Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt. „Daisy“ traf seine Insel am heftigsten: Es sei alles erstarrt, berichtete Schmiedt. Er nannte es unverständlich, dass der Kreis Ostholstein keinen Katastrophenalarm ausgelöst habe. Nach Angaben der Polizei waren alle Dörfer der Insel „mehr oder weniger sich selbst überlassen“. Im Schneesturm fiel dann am Sonntag auch noch der Strom aus. Etwa eine Stunde lang saßen die Menschen im Dunkeln. Gegen Mittag begann es erneut zu schneien. „Das Schlimmste, was uns passieren konnte“, meinte Schmiedt.
Das extreme Hochwasser der Ostsee und der Sturm hätten zudem einen Deich auf 25 Meter Länge unterspült. Neuschnee, Eis und extremer Wind sorgten auch in weiten Teilen des übrigen Landes für massive Verkehrsprobleme. Mehrere Autobahnen und Bundesstraßen mussten gesperrt werden, einige Fähren stellten ihren Betrieb ein. Zugverspätungen oder gar -ausfälle gab es den ganzen Tag über in vielen Teilen Deutschlands.
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich mehr als 1000 Verkehrsunfälle, auch dort starben zwei Menschen. Bereits in der Nacht zu Samstag hatten 400 Lastwagenfahrer an der deutsch-französischen Grenze im baden-württembergischen Neuenburg ausharren müssen, bis sich die Lage normalisierte.
Die Räumdienste konnten im Norden nur mit Mühe Autobahnen sowie andere Hauptverkehrsstraßen freihalten. Die A20 zwischen Bad Segeberg und Lübeck wurde auf 20 Kilometer gesperrt. Schneewehen und umgestürzte Bäume blockierten Straßen auch in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Auf Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt fielen bis Sonntagnachmittag rund 320 Flüge aus. Etwa 60000 Fluggäste waren betroffen. Rund 100 Passagiere campierten im Airport auf Feldbetten, tausende Fluggäste schliefen in Hotels. Bundesweit verursachte der erwartete Schneefall im Bahnverkehr Streckensperrungen und Verspätungen. Schneeverwehungen hätten viele Weichen gestört und einzelne Strecken unpassierbar gemacht, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin. Bahn-Vorstand Ulrich Homburg entschuldigte sich in der „Bild am Sonntag“ bei den Fahrgästen: „Wir sind und bleiben ein Verkehrsmittel für jedes Wetter. Aber gerade Eisregen ist ein seltenes Ereignis, für das es keine Abhilfe gibt.“
Bei Lübeck schnitten meterhohe Schneewehen den Ort Priwall vorübergehend von der Außenwelt ab. Auch die Priwallfähre stellte ihren Betrieb wegen Hochwassers und Sturm ein. In der Lübecker Altstadt trat die Trave über die Ufer. Wegen orkanartiger Böen hatte die Reederei Scandlines schon am Samstag ihre Fähren von und nach Schweden und Dänemark ab Rostock und Sassnitz gestoppt. Reisende mussten lange Wartezeiten hinnehmen. „Wir können weder die Passagiere noch die Schiffe gefährden“, sagte ein Sprecher zur Begründung. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach soll Tief „Daisy“ an diesem Montag in Richtung Mittelmeer abziehen. Dann folge eine neue Kältewelle und lasse die Schneedecke festfrieren.