Wegen des Streusalz-Mangels boomt der Tafelsalzverkauf in den Supermärkten - und im Hafen sind jetzt drei Eisbrecher im Einsatz.
Hamburg. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Hamburg rechnet für das Wochenende mit kräftigen Schneefällen, -verwehungen und -stürmen. „Der Wind wird kräftig blasen. Wir erwarten eine Geschwindigkeit um die 40 Kilometer pro Stunde“, sagte Meteorologe Frank-Ulrich Dentler. Inzwischen hat das Tief „Daisy“ die Republik erreicht. Es sollte landesweit chaotische Zustände auf den Straßen, Flugausfälle und Zugverspätungen sowie starke Schneeverwehungen bringen – Winterdienste, Feuerwehren und Polizei rüsteten sich. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor Unwettern mit Stürmen in den Mittelgebirgen und im Norden. An manchen Orten könne sich der Schnee bis zu 50 Zentimeter auftürmen.
Die Bundesregierung mahnte die Energieversorger, Krisenvorsorge zu treffen. „Wir gehen davon aus, dass Sie – Ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend – die notwendigen Vorbereitungen treffen, um möglichen Gefährdungen der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems (...) effizient entgegen wirken zu können“, schrieb das Wirtschaftsministerium an die Stromversorger. In dem am Freitag bekanntgewordenen Schreiben wird auch auf die Stromausfälle im Münsterland Ende November 2005 verwiesen. Damals waren dutzende Strommasten unter der Schneelast eingeknickt, 250000 Menschen hatten tagelang keinen Strom.
Auf der Norderelbe in Hamburg werden am Wochenende drei Eisbrecher 24 Stunden am Tag im Einsatz sein. Die „Johannes Dalmann“, „Heinrich Hübbe“ und „Hugo Lentz“ sollen Hafen und Elbe vor dem Zufrieren bewahren und notfalls festsitzende Schiffe befreien, teilte die Hamburger Hafenbehörde mit. Die Norderelbe sei bereits zu 90 Prozent mit Eis bedeckt. Das Eisbrechen dient vor allem dem Hochwasserschutz der Stadt, weil dadurch der Druck des Eises auf die Deiche verringert wird. Zugleich werde damit aber auch der Verkehr der Fähr- und Hafenschifffahrt sichergestellt. Die Zufahrt von der Nordsee nach Hamburg und in die großen Hafenbecken hinein wird von den Seeschiffen ohne Hilfe der Eisbrecher freigehalten.
Anhaltender Frost lässt das Eis auch auf den Binnenseen und den Boddengewässern in Mecklenburg-Vorpommern weiter wachsen. Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes haben von Stegen aus Eisdicken von 5 bis 18 Zentimeter gemessen, wie Amtsleiter Olaf Schatzki in Waren sagte. Trotz eindringlicher Warnungen wurden auf den Seen bereits die ersten Eisangler und Schlittschuhläufer gesichtet.
Unterdessen reagiert der Düngemittel- und Salzhersteller K+S auf den Streusalz-Engpass und erhöht wegen des kalten Winterwetters die Produktion von Streusalz in Deutschland ab der kommenden Woche um etwa ein Fünftel. „Seit zwei Wochen produzieren wir unter Volllast an der Kapazitätsgrenze bei 20000 Tonnen je Tag – auch über die Feiertage hinweg", sagte ein Firmenssprecher. Ab kommender Woche solle die Produktion um rund 20 Prozent erhöht werden. Die K+S-Tochter Esco ist Europas größter Salzproduzent. Die Nachfrage sei wegen des Wintereinbruchs zuletzt „außerordentlich hoch“. Es gebe inzwischen Engpässe auf dem Markt. K+S tue alles, um der Auftragsflut Herr zu werden, sagte der Sprecher.
Die Nachlieferung drängt: Weil industrielles Streusalz gegen glatte Wege schon weitgehend ausverkauft ist, weichen viele Menschen in Norddeutschland jetzt sogar auf Kochsalz aus dem Supermarkt aus. Der Absatz von Tafelsalz sei in einigen Regionen stark angestiegen, sagte eine Sprecherin der Supermarktkette Edeka in Hamburg. Manche Supermärkte verkauften viermal so viel wie zu gewöhnlichen Zeiten.
Der Einsatz von Tausalz ist jedoch strikt reglementiert, weil das Salz der Umwelt schadet. In Hamburg etwa ist der Einsatz auf öffentlichen Gehwegen verboten. Erlaubt sind nur „abstumpfende Streustoffe“ wie Granulat, Split, Sägespäne und ähnliches, sagte der Sprecher der Hamburger Stadtreinigung, Reinhard Fiedler. Auf eigenem Grund und Boden können Firmen und Privatleute allerdings streuen, was sie wollen, obgleich das Salz nicht weniger schädlich auf Pflanzen und Tiere wirkt.
Die Stadtreinigung Hamburg, die im Winter Straßen abstreut, verwendet dazu ebenfalls gewöhnliches Salz, also Natriumchlorid. „Das können Sie sich auch aufs Frühstücksei streuen, es ist nur weniger sauber“, sagte Fiedler. Das Salz wird in einer Lauge aus Magnesiumchlorid gelöst, um es besser streuen zu können. Salz setzt den Gefrierpunkt von Wasser herab. Es wirkt bis etwa 20 Grad minus; je kälter es ist, desto höher muss das Salz dosiert werden.
Streit um die Räumungspflicht gibt es derweil in Hannover. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, warf der Stadt vor, der Pflicht zum Räumen des Schnees nicht nachzukommen. „Die Landeshauptstadt Hannover unterlässt in sträflicher Art und Weise ihre Räumungspflicht in der Innenstadt“, sagte Thümler. Die Zustände seien unzumutbar. Geh- und Fahrradwege seien nicht geräumt, in der Fußgängerzone befände sich eine Eisfläche. „Wegen ihrer verbohrten Umweltpolitik gefährdet die Stadt die örtliche Bevölkerung.“
Von dem Winterchaos profitieren dagegen vor allem die Jüngsten. Während die Schüler im Kreis Verden am ersten Tag nach den Weihnachtsferien wegen Schnee und Eis am Donnerstag frei hatten, können sich Schüler im Kreis Osterholz auf ein langes Wochenendende freuen. An diesem Freitag fällt die Schule überall aus. „Die Polizei hat uns empfohlen, aufgrund der Straßenverhältnisse den Unterricht ausfallen zu lassen“, sagte der Sprecher der Kreisverwaltung. Wie es in der nächsten Woche aussehe, werde sich am Montagmorgen entscheiden.
Der Verkehr bleibt derweil weiter beeinträchtigt. Wegen Eisschollen auf der Elbe stellte die Fähre in Bleckede (Landkreis Lüneburg) den Betrieb ein. Die Fähre in Darchau fährt nach Angaben des Landkreises zunächst weiter. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg bringt seine Eisbrecherflotte in Stellung, um bei fortschreitender Eisbildung das Fahrwasser passierbar zu halten. Dazu sollten im Laufe des Freitags drei bislang im Elbe-Seitenkanal stationierte Eisbrecher nach Hamburg verlegt werden, sagte die Leiterin des Amtes, Bettina Kalytta.
Spiegelglatte Straßen haben in Niedersachsen und Bremen ein Menschenleben gekostet und zahlreiche Unfälle mit Blechschäden verursacht. Ein 29 Jahre alter Autofahrer starb am Abend bei einem Unfall nahe Nienburg/Weser. Vermutlich wegen zu schneller Fahrweise kam er von der Bundesstraße 6 nahe Nienburg ab. Sein Fahrzeug prallte erst gegen die Leitplanke und wurde zurück über die Fahrbahn, durch einen Zaun und mit der Seite gegen einen Baum geschleudert. Der junge Mann starb noch an der Unfallstelle. „An derselben Stelle sind kurz hintereinander drei Unfälle passiert. Das ist pures Eis auf der Fahrbahn“, sagte ein Polizeisprecher in der Nacht.
Auch anderen Autofahrern wurden Schnee und Glätte zum Verhängnis. Auf der A 7 bei Laatzen nahe Hannover geriet ein Lastwagen am Abend ins Schleudern und kippte nach Angaben der Feuerwehr mit der Beifahrerseite auf die Mittelleitplanke. Fahrer und Beifahrer im Alter von 22 und 20 Jahren wurden im Führerhaus eingeschlossen und leicht verletzt. Sie kamen ins Krankenhaus. Wegen der Bergungsarbeiten war die A 7 mehrere Stunden lang in beiden Richtungen jeweils nur auf einer Spur befahrbar, es kam zu Staus. Auch im Stadtgebiet sowie in der Region Bremen, vor allem auf der Autobahn 1 gab es mehrere Unfälle. Ein Lastwagen landete hier ebenfalls im Graben, Verletzte gab es nicht. Im Tagesverlauf wird mit heftigen Schneefällen und einer weiteren Verschlechterung der Straßenverhältnisse gerechnet.
Kälte und Schnee erschweren außerdem zunehmend die Arbeit der Müllabfuhr. Im schlimmsten Fall kann der Müll nicht abgeholt werden, wie zum Teil in der Stadt und im Landkreis Celle. „Wenn wir die großen Container nicht über den sehr hohen Schnee am Straßenrand rüberbekommen, müssen wir sie stehen lassen“, sagte der Sprecher des Zweckverbands für Abfallwirtschaft in Celle, Werner Bartels-Knoche, am Donnerstag. Bei den Göttinger Entsorgungsbetrieben gibt es ähnliche Probleme. Biotonnen können nicht entleert werden, wenn der Inhalt festgefroren ist. „Extrem feuchter Küchenabfall kann in der Tonne bei den Temperaturen verklumpen“, sagte die Sprecherin des Zweckverbands Abfallwirtschaft Region Hannover (aha), Franziska Saniter. Sie empfiehlt, die Tonne mit Zeitungspapier auszulegen und den Küchenabfall in Papier einzuwickeln.
Im Harz erwarten die Tourismusorte trotz Schnee- und Sturmwarnung zum Wochenende zahlreiche Besucher. "Die Grundlage für Wintersport ist nahezu überall optimal“, sagte Miriam Fuchs vom Tourismusverband HTV. Bei Schneehöhen von bis zu 70 Zentimetern seien so gut wie alle Pisten geöffnet und die Lifte in Betrieb. Mehrere Hundert Kilometer Loipen für Langläufer sind gespurt. Unterdessen haben die Behörden erneut davor gewarnt, die Wege und Loipen im Harz zu verlassen. Vor allem am nördlichen Harzrand seien viele Bäume von einer Eisschicht überzogen, sagte ein Polizeisprecher. Bei Sturm könnten diese Bäume leicht umstürzen. Die Stadt Goslar rief sogar dazu auf, wegen der Wetterverhältnisse Friedhöfe und Grünanlagen zu meiden.
Bei der Mecklenburgischen Seenplatte stehen die Eissegler in den Startlöchern. Sie prüfen traditionell den Goldberger See, ein sehr flaches Gewässer, sowie die Müritz, um möglichst schon am Wochenende die ersten Ausfahrten zu wagen. Die Eisschicht auf den Seen wächst. Noch ist sie aber zu dünn, um betreten zu werden.
Doch trotz eindringlicher Warnungen wurden auf den Seen bereits die ersten Eisangler und Schlittschuhläufer gesichtet. So könnte vor allem das Westufer der Müritz Eisfans am Wochenende bereits in Versuchung bringen. Am Schiffsanleger vor Schloss Klinkist das Eis bereits 18 Zentimeter dick. Trotzdem ist es dort noch nicht sicher. Ein Veranstalter an der Müritz hat deshalb bereits ein Eisfest – das sonst auf der Müritz oder dem Kölpinsee stattfand – am Wochenende auf einen Parkplatz des Natur-Info-Zentrums Müritzeum verlegt: „Ohne Einbruchgefahr“, wie es in der Ankündigung heißt.
Am schleswig-holsteinischen Bungsberg wird am Wochenende sogar die Polizei da sein, um en erwarteten Andrang in geordnete Bahnen zu lenken. Die Beamten sollen besonders darauf achten, dass die Rettungswege nicht zugeparkt werden. Außerdem wird bei Rettungseinsätzen der Betrieb auf der Ski- und Rodelpiste gestoppt. Am vergangenen Wochenende hatten uneinsichtige Wintersportler einen Rettungseinsatz massiv behindert.