Schneekettenproduzenten, Salzlieferanten und Händler jubeln, überforderte Kommunen und die Bauwirtschaft leiden unter dem Winter.

Hamburg. „Einfach prächtig der Schnee, hoffentlich schneit es noch bis Juni weiter.“ Für Brigitte Kopp vom führenden Schneekettenproduzenten RUD aus Aalen ist die weiße Pracht ein Segen. Seit drei Wochen wird rund um die Uhr in drei Schichten geschuftet. Familienväter, Straßenräumdienste, sogar Bauunternehmen rennen dem Betrieb derzeit die Bude ein, um ihre Wagen, Räumfahrzeuge oder Gabelstapler wintertauglich zu machen. Das Umsatzplus gegenüber der vergangenen Saison werde beträchtlich sein, reibt sich Kopp die Hände. „Jahrelang haben wir auf so einen Winter gewartet.“

Salzhersteller profitieren

Die Produzenten von Auftausalz können mit der Nachfrage nicht mehr mithalten. Schon seit deutlich vor Weihnachten wird in den drei Bergwerken der K+S-Gruppe Salz für Straßen und Gehwege abgebaut, ohne Pause an Weihnachten oder Sylvester. „Trotzdem können wir derzeit nur für Autobahnen und Landstraßen liefern“, sagt K+S-Sprecher Ulrich Göbel. Städte und Gemeinden und andere Großkunden gehen leer aus. Und das, obwohl die Tageskapazität von 20.000 Tonnen seit dieser Woche um bis zu 30 Prozent erhöht wurde, indem Rückstände der Kaliproduktion sehr energieintensiv zu Streusalz aufbereitet werden. Ein Novum in der jüngeren Geschichte.


Kommunen kommt die weiße Pracht teuer zu stehen

Manche Großkunden kommt der Zusatzbedarf teuer zu stehen: Denn in den Lieferverträgen sind Höchstmengen kalkuliert. Und bei etlichen Großkunden seien diese inzwischen ausgereizt, sagt Göbel. Besonders teuer könnte es ausgerechnet für die Kommunen werden, die wegen ihrer knappen Kassen beim Salz sparen wollten. Sie müssen jetzt zu erhöhten Preisen nachbestellen.

Überhaupt gehören die Kommunen, ohnehin schon strukturell unterfinanziert, zu den Leidtragenden der Winterpracht. Allerdings seien Sonderausgaben für Salz und Räumdienste „nur ein Baustein in der angespannten Haushaltslage“, heißt es beim Deutschen Städtetag.

Bauwirtschaft ist hart getroffen

Besonders hart treffen Schnee und Eis die Bauwirtschaft. „Die kalte Witterung kann uns den Einstieg ins Wachstumsjahr 2010 deutlich verhageln“, zitierte die „Bild“-Zeitung am Montag den Chefvolkswirt der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Volker Treier. „Wenn sich das Wetter nicht bald ändert, dann verlieren wir im ersten Quartal rund zwei Milliarden Euro Wertschöpfung am Bau.“ Betroffen seien nicht nur Bauunternehmen selbst, sondern Zulieferer von Baustoffen und Maschinen, Gerüstbau, Dachdecker und der Handel mit Innenausstattungen.

Mützen und Jacken haben Hochkonjunktur

Auf ein Anhalten der weißen Pracht hofft dagegen der Einzelhandel. „Mützen, Handschuhe und warme Jacken werden den Verkäufern derzeit aus der Hand gerissen“, sagt Ulrike Hörchens vom Einzelhandelsverband HDE. Dabei sei der Januar normaler Weise einer der ruhigsten Monate. „Zumindest für die Geschäfte, die Winterkleidung und alles rund um den Wintersport anbieten, läuft es derzeit super.“

Schlitten ausverkauft

Beim Schlittenbauer Ress-Kutschen aus Unterfranken läuft es sogar so gut, dass niemand mehr Zeit hat, zum Telefon zu greifen. Am Montag war nur eine Bandansage zu hören: „Bis Ende Januar ist die Schlittenproduktion ausverkauft.“ Es würde aber weiter gefertigt und geliefert, solange der Winter andauere. „Denn von der Nordsee bis zur Zugspitze, zur Zeit wird auf jedem Berg und jedem Hügel gerodelt“, freut sich Peter Franz Thürl vom Verband des deutschen Sportfachhandels.

Reifenhandel meldet 8,2 Prozent Plus

Weil niemand auf den Straßen ins Rutschen kommen möchte, herrscht auch beim Reifenhandel Jubelstimmung. Schon bis zum Jahresende verzeichnete die Branche ein Plus von 8,2 Prozent bei Winterreifen, wie der Chef des Bundesverbandes Reifenhandel, Hans-Jürgen Drechsler, der „Automobilwoche“ sagte. Trotz gesteigerter Produktion sei es schon zu Engpässen gekommen. „Und der Verkauf läuft auch zu Beginn des neuen Jahres rund, denn der Winter ist ja noch lange nicht vorbei.“ Der Absatz von Frostschutzmittel schnellte beim Tankstellen-Marktführer BP in der ersten Januarwoche um 70 bis 80 Prozent über das Vorjahresniveau.

Skihallen-Betreiber sind sauer

Ein Wermutstropfen ist der weiße Traum ausgerechnet für das einzige selbst ernannte „all inclusvive Skigebiet weltweit“. Denn das Alpin Center in Bottrop bei Essen ist überdacht. „Ohne Schnee hätten wir bestimmt mehr Besucher“, meint Marketingleiter Fabian Wilms leicht säuerlich. Er hofft, dass die Lust am Wintersport bleibt, wenn der Schnee geschmolzen ist.