Zum Wochenstart entspannte sich die Lage etwas. Doch mehrere Landkreise in der Metropolregion Hamburg sagten den Schulunterricht ab.
Hamburg/Kiel. Einer der schlimmsten Wintereinbrüche seit Jahren hat am Wochenende weite Teile Deutschlands in ein Chaos gestürzt. Auf der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn schnitt Sturmtief „Daisy“ alle Dörfer zeitweise von der Außenwelt ab. Auch in anderen Teilen Nordwestdeutschlands ging über Stunden nichts mehr. Schwer getroffen wurde ferner der Nordosten Deutschlands. Autos blieben in meterhohen Schneewehen stecken. Mehr als 320 Menschen mussten die Nacht zum Sonntag in eingeschneiten Autos oder Zügen verbringen. Mehrere Menschen starben auf eisglatten Straßen. Die Sturmflut gefährdete Deiche in Schleswig-Holstein.
Nachdem das Sturmtief "Daisy" an Kraft verlor, entspannte die Lage sich in der Nacht zu Montag etwas. Der Deutsche Wetterdienst in Hamburg hob alle Unwetterwarnungen auf, warnte für das östliche Schleswig-Holstein aber noch vor Glätte und Schneeverwehungen. Vor allem auf der besonders betroffenen Ostseeinsel Fehmarn kämpften die Einsatzkräfte in der Nacht zum Montag noch gegen die Schneemassen. Vorrangiges Ziel sei, die Straßen der Insel für die Rettungsdienste frei zu machen, sagte der Bürgermeister von Fehmarn, Otto-Uwe Schmiedt.
Auch am frühen Montagmorgen waren nach Polizeiangaben noch rund die Hälfte der 42 Orte auf Fehmarn vom Schnee eingeschlossen. Der Bahnverkehr in Schleswig-Holstein war auf einigen Strecken durch Schneeverwehungen blockiert. Zwischen Kiel und Flensburg, Kiel und Lübeck sowie zwischen Lübeck und Puttgarden müsse am Montag noch mit Zugausfällen und Verspätungen rechnet werden. In den Kreisen Ostholstein, Rendsburg-Eckernförde und Plön würden keine Autokraft-Busse fahren, sagte eine Bahnsprecherin.
Entwarnung gab es am späten Sonntagabend für die Deiche an der Südküste Fehmarns und in Dahmeshöved auf dem ostholsteinischen Festland. Bis in die Nacht hinein hatten Helfer die von der Sturmflut aus östlichen Richtungen angenagten Deiche mit Sandsäcken und Steinen repariert. Auch auf den Straßen im am heftigsten vom Schneechaos betroffenen Kreis Ostholstein hat sich die Lage nach Polizeiangaben entspannt. Die meisten Landes- und Kreisstraßen sowie die Autobahnen seien wieder passierbar, nur auf kleineren Nebenstraßen müsse noch mit Behinderungen gerechnet werden, hieß es.
Trotz der Entspannung der Lage fällt im Hamburger Umland in einigen Landkreise am heutigen Montag der Schulunterricht aus. Harburg, Lüneburg und Stade gaben eine entsprechende Anweisung heraus. Schulfrei gibt es zudem in den schleswig-holsteinischen Kreisen Stormarn, Segeberg, Ostholstein, Plön und Rendsburg-Eckernförde sowie in ganz Mecklenburg-Vorpommern.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern entspannte die Lage sich am frühen Montagmorgen. Im Landkreis Ostvorpommern wurde der Katastrophenalarm aufgehoben. Bei leichtem Schneefall habe die Situation auf den Straßen sich etwas beruhigt, hieß es. Die Autobahn 20 war am Montagmorgen zwischen Anklam und Stralsund allerdings weiterhin gesperrt. Die Räumdienste waren vielerorts die gesamte Nacht über im Einsatz. Auch am Montag rechnete die Polizei mit Behinderungen im Straßen- und Bahnverkehr. Besonders an der Küste müsse noch mit Sturmböen und Schneeverwehungen gerechnet werden.
In Schleswig Holstein weckte das Chaos Erinnerungen an die Schneekatastrophe Ende der siebziger Jahre. „Wir haben hier die gleiche Situation wie bei der Schneekatastrophe 1978/1979, nur die technische Ausstattung ist heute besser“, sagte Fehmarns Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt. „Daisy“ traf seine Insel am heftigsten. Schmiedt bezeichnete es als unverständlich, dass der Kreis Ostholstein keinen Katastrophenalarm ausgelöst habe. Nach Angaben der Polizei waren alle Dörfer der Insel „mehr oder weniger sich selbst überlassen". Im Schneesturm fiel dann am Sonntag auch noch der Strom aus. Etwa eine Stunde lang saßen die Menschen im Dunkeln. Gegen Mittag begann es erneut zu schneien. „Das Schlimmste, was uns passieren konnte“, meinte Schmiedt.
Das extreme Hochwasser der Ostsee und der Sturm hätten zudem einen Deich auf 25 Meter Länge unterspült. Neuschnee, Eis und extremer Wind sorgten auch in weiten Teilen des übrigen Landes für massive Verkehrsprobleme. Mehrere Autobahnen und Bundesstraßen mussten gesperrt werden, einige Fähren stellten ihren Betrieb ein.
Zugverspätungen oder gar -ausfälle gab es den ganzen Tag über in vielen Teilen Deutschlands. In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich mehr als 1000 Verkehrsunfälle, auch dort starben zwei Menschen. Bereits in der Nacht zu Sonnabend hatten 400 Lastwagenfahrer an der deutsch-französischen Grenze im baden-württembergischen Neuenburg ausharren müssen, bis sich die Lage normalisierte.
Die Räumdienste konnten im Norden nur mit Mühe Autobahnen sowie andere Hauptverkehrsstraßen freihalten. Die A20 zwischen Bad Segeberg und Lübeck wurde auf 20 Kilometer gesperrt. Schneewehen und umgestürzte Bäume blockierten Straßen auch in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Auf Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt fielen bis Sonntagnachmittag rund 320 Flüge aus. Etwa 60000 Fluggäste waren betroffen. Rund 100 Passagiere campierten im Airport auf Feldbetten, tausende Fluggäste schliefen in Hotels.
Bundesweit verursachte der erwartete Schneefall im Bahnverkehr Streckensperrungen und Verspätungen. Schneeverwehungen hätten viele Weichen gestört und einzelne Strecken unpassierbar gemacht, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin. Bahn-Vorstand Ulrich Homburg entschuldigte sich in der „Bild am Sonntag“ bei den Fahrgästen: „Wir sind und bleiben ein Verkehrsmittel für jedes Wetter. Aber gerade Eisregen ist ein seltenes Ereignis, für das es keine Abhilfe gibt.“
Bei Lübeck schnitten meterhohe Schneewehen den Ort Priwall vorübergehend von der Außenwelt ab. Auch die Priwallfähre stellte ihren Betrieb wegen Hochwassers und Sturm ein. In der Lübecker Altstadt trat die Trave über die Ufer. Wegen orkanartiger Böen hatte die Reederei Scandlines schon am Samstag ihre Fähren von und nach Schweden und Dänemark ab Rostock und Sassnitz gestoppt. Reisende mussten lange Wartezeiten hinnehmen. „Wir können weder die Passagiere noch die Schiffe gefährden“, sagte ein Sprecher zur Begründung.
Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach soll Tief „Daisy“ an diesem Montag in Richtung Mittelmeer abziehen. Dann folge eine neue Kältewelle und lasse die Schneedecke festfrieren.