Besatzungs-Mitglieder mussten sich mit verbundenen Augen hinknien. Anschließend wurden Gewehrsalven abgefeuert.

Nairobi/Hamburg. Die somalischen Piraten haben Besatzungsmitglieder der „Hansa Stavanger“ offenkundig mit Scheinhinrichtungen terrorisiert. Der 27-jährige Frederik E. aus Brake, 2. Offizier auf dem Schiff, habe seinem Vater berichtet, dass sich Besatzungs-Mitglieder mit verbundenen Augen hinknien mussten und anschließend Gewehrsalven über ihre Köpfe hinweg abgefeuert wurden, berichtete die „Deutsche Schifffahrts-Zeitung“ online. Das deutsche Containerschiff mit seinen 24 Crewmitgliedern, darunter fünf Deutsche, wird am Donnerstagabend oder Freitag in der kenianischen Hafenstadt Mombasa erwartet. An Bord ist auch ein Marinearzt. Laut Bundeswehr wird das Schiff von der Fregatte „Brandenburg“ begleitet.

Nach viermonatigem Martyrium an Bord der „Hansa Stavanger“ hatten die Piraten das Schiff am Montagabend verlassen. Zuvor hatten sie nach eigenen Angaben umgerechnet 2,1 Millionen Euro Lösegeld vom Eigentümer, der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, erhalten. Piraten hatten die „Hansa Stavanger“ am 4. April rund 650 Kilometer von der somalischen Küste entfernt in ihre Gewalt gebracht. Bei den fünf Deutschen an Bord handelt es sich um zwei Auszubildende, einen Offizier und den Kapitän. Ein Sprecher der EU-Operation Atalanta sagte am Dienstag, es bestehe zwar keine akute Gefahr für Leib und Leben, die psychische Belastung habe jedoch Spuren hinterlassen. Den Besatzungsmitgliedern des deutschen Containerschiffs gehe es den Umständen entsprechend gut.

Nachdem die Seeräuber das Schiff am Montagabend verlassen hatten, habe der Frachter zunächst Kurs auf die in der Nähe wartende Fregatte „Rheinland-Pfalz“ genommen, teilte der Kapitän der „Hansa Stavanger“ mit. „Seit 20.45 Uhr befand sich neben der Fregatte „Rheinland-Pfalz„ auch die Fregatte „Brandenburg“ vor Ort“, heißt es auf der Webseite der Bundeswehr am Dienstag weiter. Unmittelbar nach Abzug der Piraten hätten die Kriegsschiffe Soldaten auf den Frachter geschickt, die medizinische Versorgung anboten und Lebensmittel brachten. „Alle Besatzungsmitglieder wurden untersucht und sind wohlauf. Es gibt keine Verletzten und keine medizinische Notlage.“ An Bord der „Hansa Stavanger“ befänden sich größere Mengen Patronenhülsen und Blindgänger, teilte die Marine weiter mit. Feldjäger unterstützten die Polizei und sicherten Spuren. „Diese können zu einem späteren Zeitpunkt für eine Strafverfolgung genutzt werden“, heißt es. Die Bundeswehr habe das Containerschiff und ihre Besatzung seit Beginn der Geiselnahme Anfang April „permanent mit mindestens einem Schiff und einem Seefernaufklärer der Marine beschattet“.

Wegen starken Muschelbefalls, der sich während der langen Liegezeit gebildet habe, komme die „Hansa Stavanger“ Richtung Mombasa nur langsam voran, sagte ein Sprecher des Ostafrikanischen Seefahrerprogramms in Nairobi. Deswegen werde der Frachter frühestens Donnerstagabend, vermutlich aber erst am Freitag in der kenianischen Hafenstadt eintreffen. Nach Angaben von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier werden die Besatzungsmitglieder nach der Ankunft in Mombasa in ihre Heimatländer ausgeflogen.

Die Bundesregierung hatte mit großer Erleichterung auf die Nachricht von der Freilassung reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hoffe, dass sich die freigelassenen Besatzungsmitglieder und ihre Angehörigen von den Strapazen und seelischen Belastungen der letzten Wochen möglichst schnell erholen, erklärte eine Regierungssprecherin am Montagabend in Berlin.

Die Hamburger Reederei erwartet, dass ihr Containerschiff im Hafen von Mombasa als Tatort beschlagnahmt wird. Sowohl das Bundeskriminalamt (BKA) als auch kenianische Behörden wollten an Bord ermitteln, sagte Reedereisprecher Christian Rychly in Hamburg. Die Hamburger Staatsanwaltschaft bat die kenianischen Behörden um Hilfe. „Wir haben ein Rechtshilfeersuchen gestellt“, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Die Staatsanwaltschaft der Hansestadt ermittelt seit April gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines gemeinschaftlichen Angriffs auf den Seeverkehr und der schweren räuberischen Erpressung.

Was anschließend mit dem Schiff geschieht, hängt nach Angaben der Reederei von dessen Zustand ab. Ob der Muschelbefall in Mombasa entfernt werden könne oder ein Reparaturdock in Asien angesteuert werden müsse, soll ein Team der Reederei prüfen. Der Verband Deutscher Reeder forderte, nicht nur den Golf von Aden militärisch abzusichern, sondern auch eine Ostroute vor der somalischen Küste. (dpa)