Auch zwei Tage nach der Entführung eines deutschen Frachters vor Ostafrika gibt es noch keine weiteren Informationen über den Verbleib und den...
Auch zwei Tage nach der Entführung eines deutschen Frachters vor Ostafrika gibt es noch keine weiteren Informationen über den Verbleib und den Gesundheitszustand der Schiffsbesatzung. Laut Hamburger Staatsanwaltschaft sind unter den 24 Seeleuten auch fünf Deutsche.
Nach Informationen des Abendblatts handelt es sich bei dem gekaperten Schiff um die "Hansa Stavanger" der alteingesessenen Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg. Staatsanwaltschaft und Auswärtiges Amt bestätigten gestern nur, dass das Schiff zu einer deutschen Reederei gehört.
Die Führungsebene des Schiffs, also Kapitän und Offiziere, sollen Deutsche sein. Die Reederei mit Sitz an der Straße Neumühlen (Ottensen) wollte sich nicht zu dem Fall äußern.
Ersten Informationen nach sollen die Seeräuber den Frachter 400 Seemeilen vor der Küste Somalias zwischen Kenia und den Seychellen in ihre Gewalt gebracht haben. Das Auswärtige Amt hat einen Krisenstab eingerichtet. Ziel sei eine rasche Lösung des Falls, sagte eine Sprecherin.
Man wolle Leib und Leben der Besatzung nicht gefährden, sei aus "einsatztechnischen" Gründen mit Informationen zurückhaltend. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen Unbekannt wegen des Angriffs auf den Seeverkehr eingeleitet. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat die Ermittlungen aufgenommen.
Die "Hansa Stavanger" wurde 1997 gebaut und hat eine Tragfähigkeit von 21 000 Tonnen. Das 170 Meter lange und 25 Meter breite Schiff kann nach Angaben der Reederei bis zu 1550 Container an Bord nehmen. Die Reederei Leonhardt & Blumberg wurde bereits 1903 gegründet und ist in der dritten Generation unter der Leitung der Familie Leonhardt.
Sie betreibt eine Flotte von 53 Schiffen, die meisten davon Containerschiffe mit einer Kapazität zwischen 1000 und 4500 Standardcontainern.
Im Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika setzt jetzt offenbar auch die Bundesregierung auf einen internationalen Gerichtshof. "Piraterie ist ein internationales Problem", sagte Verteidigungsstaatssekretär Thomas Kossendey (CDU) dazu dem NDR. Unterdessen gab es Kritik an der Besatzung des entführten Frachters "MV Hansa Stavanger", die Sicherheitsempfehlungen missachtet haben soll.
"Ich halte es für zwingend notwendig, dass wir einen internationalen Gerichtshof einrichten im Rahmen der Vereinten Nationen, um diese Piraten auch international verlässlich zu verurteilen", sagte Kossendey weiter. Dies könne nicht die Aufgabe eines Landes sein, sondern das müsse die internationale Gemeinschaft anpacken.
Kossendey bescheinigte der EU-Mission "Atalanta" eine erfolgreiche Arbeit seit Anfang Dezember. Im Vergleich zum Zeitraum von August bis November vergangenen Jahres habe es seither weniger Piratenüberfälle gegeben. Allerdings sei das Übel nicht grundsätzlich beseitigt. Der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner forderte, auch Piraten-Mutterschiffe aktiver zu kämpfen. "Es reicht nicht aus, Schiffe zu eskortieren", erklärte er in Berlin.
"Ich freue mich, dass jetzt auch aus der Bundesregierung ein internationaler Gerichtshof gefordert wird", sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck der Nachrichtenagentur AFP zu dem Vorstoß Kossendeys. Er verwies darauf, dass eine entsprechende Forderung der Grünen noch im Dezember von der Union abgelehnt worden sei. Auch die Fraktion die Linke verwies auf frühere diesbezügliche Forderungen von ihrer Seite. Wenn sich die Regierung dem jetzt anschließe, zeigte dies, dass "sie sich mit dem Militäreinsatz komplett verrannt hat", erklärte ihr Außenexperte Norman Paech.
Der 21.000-Tonnen-Frachter MV "Hansa Stavanger" war am Samstag 400 Seemeilen vor Somalia überfallen worden. Das Auswärtige Amt machte am Dienstag keine Angaben zum Befinden der Crew oder zur aktuellen Position des gekaperten Schiffes. Diese Zurückhaltung sei im Interesse der Betroffenen, sagte eine Sprecherin. Ein Krisenstab sei eingeschaltet worden.
Das Schiff pendelt dem Verband Deutscher Reeder (VDR) zufolge regelmäßig zwischen dem kenianischen Mombasa und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Frachter fahre "immer an der ostafrikanischen Küste entlang", sagte ein VDR-Sprecher. Daher habe das Schiff auch keine Möglichkeit gehabt, den von der EU-Mission "Atalanta" gesicherten Korridor zu nutzen. Dieser funktioniere für den Ost-West-Verkehr durch den Golf von Aden, aber nicht für den Nord-Süd-Verkehr.
Die "Hansa Stavanger" war zum Zeitpunkt des Überfalls laut Bundeswehr von Norden kommend auf dem Weg nach Daressalam (Tansania). Nach Angaben des "Atalanta"-Stabs war der Frachter bei der EU-Mission nicht registriert. So sei seine Durchfahrt durch die Gewässer vor Somalia bei der Marine auch nicht bekannt gewesen, bis die Nachricht von dem Überfall gekommen sei, sagte ein Sprecher. Wie ein Sprecher des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos sagte, sind Handelsschiffe nicht nur gehalten, sich zu registrieren, sondern auch, einen Abstand von mindestens 800 Seemeilen zur Küste einzuhalten.
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen haben Piraten in den vergangenen Tagen auch einen taiwanesischen Fischtrawler und einen britischen Frachter gekapert. Derzeit sind mindestens 17 Schiffe und mehr als 250 Geiseln in der Gewalt von Piraten. Die Seeräuber haben seit Jahresbeginn wegen der Marine-Patrouillen zwar weniger Erfolg, stoßen für ihre Angriffe aber immer weiter in den Indischen Ozean vor.