Weder die Reederei noch die Polizei wissen, wo sich das Schiff jetzt befindet. Sorge um die russische Crew.
Stockholm. Seit zehn Tagen versucht die schwedische Kriminalpolizei, mit der Besatzung der "Arctic Sea" in Kontakt zu kommen. Auch der finnische Holzproduzent "Stora Enso" hofft, etwas von dem Schiff zu hören, denn an Bord des auf Malta registrierten Frachters befindet sich eine Ladung Holz (Wert 1,3 Millionen Euro), die von "Stora Enso" nach Algerien verkauft worden war. Selbst die Reederei sucht das Schiff, ganz zu schweigen von den russischen Behörden, denn alle 15 Mann an Bord kommen aus Russland. Doch niemand kann sagen, wo die "Arctic Sea" steckt. Damit wird der Fall des Frachters immer rätselhafter.
Ende Juli hatte sich der russische Botschafter in Stockholm an das schwedische Innenministerium gewandt und um Hilfe gebeten. In Russland war Tage zuvor ein Hilferuf von der "Arctic Sea" eingegangen. Demnach muss an Bord des Schiffes irgendwo zwischen den beiden schwedischen Inseln Gotland und Öland etwas fast Unvorstellbares passiert sein. In der Nacht zum 24. Juli war um 3 Uhr morgens wie berichtet ein schwarzes Gummiboot zum Holzfrachter gefahren. Auf der Seite stand das Wort "Police". Etwa zehn vermummte Männer stürmten das Schiff und stießen dabei auf keinerlei Widerstand, denn die Besatzung dachte, es handle sich um eine Polizeikontrolle.
Die mutmaßlichen Piraten ließen sich Zeit, sie verprügelten einige Besatzungsmitglieder, andere fesselten sie, um sie regelrecht zu misshandeln. Sogar Zähne wurden ausgeschlagen. Die Täter sprachen gebrochenes Englisch, was sie wollten und woher sie eigentlich kamen, wurde den russischen Seeleuten nicht klar. Als sie das Schiff durchsucht und nichts von Wert gefunden hatten, verschwanden die Piraten wieder. Sie hatten sich zwölf lange Stunden an Bord der "Arctic Sea" aufgehalten.
Was dann passierte, ist unklar. Offenbar informierte der Kapitän die russische Polizei, fuhr aber ohne Stopp weiter Richtung Algerien. Da die Kaperung in schwedischem Hoheitsgebiet passierte, wandte sich der russische Botschafter in Sorge um die Crew an die Schweden. So wurde der Überfall eine Woche nach der Tat bekannt.
In Schweden war man zunächst verunsichert. Kommissar und Untersuchungsleiter Ingemar Isaksson: "Es ist unfassbar. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich mit einer Schiffskaperung befassen muss. Hoffentlich wird es auch das letzte Mal sein." Zeugen meldeten sich, die glauben, etwas gesehen zu haben. Wider Erwarten entpuppte sich dann auch die Suche nach der "Arctic Sea" als Rätsel. Zuletzt hatte sich das Schiff gemeldet, als es im Englischen Kanal war. Dann sah man es noch einmal am 29. Juli vor der Küste Portugals auf dem Radar. Seit dem 29. Juli ist es verschwunden. In Schweden vermutet die Polizei nun ein Drogengeschäft. Möglicherweise hätten die Täter das Schiff verwechselt.