Der Frachter wird von der Bundesmarine nach Kenia geleitet und am Freitag dort eintreffen. Die Männer werden an Bord medizinisch betreut.

Hamburg. Die Übernahme der "Hansa Stavanger" durch deutsche Marinesoldaten am Montagmittag war filmreif: Schwer bewaffnete Boardingteams, sogenannte "Vessel Protection Detachments" (VPDs), starteten mit Hubschraubern von den in der Nähe wartenden deutschen Fregatten "Brandenburg" und "Rheinland-Pfalz" - kaum dass die somalischen Piraten die "Hansa Stavanger" mit dem 2,75-Millionen-Dollar-Lösegeld verlassen hatten. Die Elitesoldaten seilten sich über dem 170 Meter langen Frachter ab, sicherten das Deck, befreiten die 24-köpfige Crew, darunter fünf Deutsche, drei Russen, zwei Ukrainer, sowie zwei Seeleute von den Philippinen und zwölf Männer vom pazifischen Inselstaat Tuvalu.

Die geschwächten und traumatisierten Männer bekamen zu essen und zu trinken, wurden von einem Fregattenarzt untersucht. Kurz darauf machte sich das Containerschiff auf den Weg in die kenianische Hafenstadt Mombasa, begleitet von der Fregatte "Brandenburg".

Wie gestern bekannt wurde, wird die Fahrt jedoch länger als geplant dauern, da sich in der vier Monate währenden Liegezeit vor der somalischen Stadt und Piratenhochburg Harardheere Muschelkolonien am Schiffsrumpf festgesetzt haben, wie die Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg gestern Vormittag mitteilte. Die "Hansa Stavanger" kann derzeit nur mit einem Drittel ihrer vollen Geschwindigkeit (maximal 20 Knoten) fahren. Ob die Muscheln in Mombasa entfernt werden können oder ein Reparaturdock in Asien angesteuert werden muss, soll jetzt ein Team der Reederei prüfen.



Erst am Freitag, und nicht wie zunächst erwartet schon am Donnerstag, wird das Schiff den Hafen von Mombasa erreichen, wo bereits ein Ermittlungsteam des Bundeskriminalamts (BKA) warten wird, erklärte Wilhelm Möllers, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen seit der Entführung des Containerschiffs am 4. April dieses Jahres führt. Das Schiff soll untersucht, die Mannschaft befragt, Fingerabdrücke genommen werden. "Wir haben Kenia zudem um Rechtshilfe bei der Strafverfolgung der Piraten ersucht", sagte Oberstaatsanwalt Möllers. Ersten Angaben zufolge wurden an Bord bereits große Mengen an Patronenhülsen und Blindgänger gefunden.


Nach Angaben der Ehefrau des Kapitäns der "Hansa Stavanger" ist die Crew in den Umständen entsprechend guter Verfassung. Bozena K. hatte noch am Abend der Freilassung per Telefon mit ihrem Mann sprechen können, sagte sie dem deutschen Journalisten und Seefahrt-Spezialisten Leo Walotek-Scheidegger. Die Geiseln hatten einiges auszustehen, habe der Kapitän berichtet: Da die Piraten Angst vor einem Befreiungsschlag durch Soldaten der EU-Mission Atalanta hatten, seien die Geiseln mehrmals mit Waffengewalt gezwungen worden, ihre Kleidung mit denen der somalischen Seeräuber zu tauschen. Angesichts von Verletzungen und Hautkrankheiten, die die Piraten gehabt hätten, sei dies ausgesprochen unangenehm gewesen, berichtete der Kapitän.


Die somalischen Piraten haben Besatzungsmitglieder offenkundig sogar mit Scheinhinrichtungen terrorisiert. Der 27-jährige Frederik E. aus Brake, 2. Offizier auf dem Schiff, habe seinem Vater berichtet, dass sich Besatzungsmitglieder mit verbundenen Augen hinknien mussten und anschließend Gewehrsalven über ihre Köpfe hinweg abgefeuert wurden, berichtete die "Deutsche Schifffahrts-Zeitung" online.


Heike Proske, Generalsekretärin der Deutschen Seemannsmission mit Sitz in Bremen, sagte, die Entführung sei mit vier Monaten außerordentlich lang gewesen. Die Seeleute seien über Monate einem totalen Stress ausgesetzt gewesen. "Vor Somalia ist Monsun-Zeit. Die Crew war extremen Temperaturen ausgesetzt." Die Seemannsmission habe die Reederei in den vergangenen Monaten mehrfach angesprochen, um Kontakt zu den Familien zu bekommen. "Wir haben keine Rückmeldung bekommen. Das ist ungewöhnlich", sagte Proske.


Frank Leonhardt, Chef der Reederei Leonhardt & Blumberg, rechtfertigte gestern Vormittag die monatelangen Verhandlungen: Den Piraten, die unzuverlässige Gesprächspartner gewesen seien, habe man mit besonnenem Handeln begegnen müssen. "Viele Aussagen der Gegenseite waren nur wenige Stunden später schon nichts mehr wert." Das habe dann leider wertvolle Zeit gekostet.