Während geprüft wird, ob das Unternehmen Harles und Jentzsch in Teilen erhalten werden kann, bangen Landwirte um ihre Entschädigung.
Norddeutschland. Nach dem Insolvenzantrag des in den Dioxin-Skandal verwickelten Futterfett-Herstellers Harles und Jentzsch aus Uetersen prüft der vorläufiger Verwalter, ob der Betrieb eingeschränkt weitergehen kann. Es werde untersucht, ob der Bereich der Nicht-Futterfette unter Aufsicht des Hamburger Rechtsanwalts Heiko Fialski fortgeführt werden könne, sagte ein Sprecher des Insolvenzrechtlers am Donnerstag. Hierdurch könnten gegebenenfalls die Interessen der betroffenen Gläubiger und Arbeitnehmer des Unternehmens besser gewahrt werden als bei einer sofortigen Betriebsstilllegung, hieß es.
Mit Futterfett darf die Firma aufgrund behördlicher Verfügungen aber nicht mehr handeln. Die Firma hatte am Mittwoch beim Amtsgericht Pinneberg Insolvenzantrag gestellt. Hintergrund seien bereits geltend gemachte Schadenersatzansprüche, die zu einer Zahlungsunfähigkeit von Harles und Jentzsch führen könnten, erläuterte der Insolvenzverwalter. Er muss sich nun nach Gerichtsangaben ein Bild von der finanziellen Aufstellung des Unternehmens und den Forderungen der Gläubiger machen. Mit einer Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nicht vor Mitte bis Ende Februar zu rechnen.
Harles und Jentzsch steht unter dem Verdacht, vorsätzlich und systematisch Futterfette gepanscht zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht nur wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Lebens- und Futtermittelrecht, sondern auch wegen des Verdachts auf Betrug und Verstoß gegen die Abgabenordnung. Das Landwirtschaftsministerium in Kiel hatte die Firma offen für den Dioxin-Skandal verantwortlich gemacht. So habe das Unternehmen viel zu spät und „unter Missachtung geltenden Rechts“ die Behörden über problematische Analyse-Ergebnisse informiert. Harles und Jentzsch wusste demnach schon im März 2010 von zu hohen Dioxin-Werten in Futterfetten, meldete dies aber nicht.
Nach Insolvenzantrag: Bauern bangen um Entschädigung
Welche Folgen der Insolvenzantrag für mögliche Entschädigungsforderungen von Bauern haben wird, war zunächst offen. Die betroffenen Landwirte sehen ihre Chancen auf Entschädigungen im Dioxinskandal aber bereits schwinden. Der Bauernverband rät, die Futtermittellieferanten in die Pflicht zu nehmen. Der Schaden für die Branche ist immens. Wer letztendlich für die Dioxintests, Probeschlachtungen und Verdienstausfälle zahlen wird, die sich auf mehrere zehntausend Euro summieren können, ist noch unklar. „Es ist für die Bauern eine sehr schlechte Situation“, sagte die Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Natascha Manski. Mit der Insolvenz von Harles und Jentzsch, dem Lieferanten des vergifteten Futterfettes, habe sich die Aussicht auf Schadensersatz verschlechtert. „Man kann das so sehen, dass sich das Unternehmen aus der Verantwortung stehlen will“, meinte die Sprecherin. Landeshilfe stellte das Ministerium zunächst nicht in Aussicht. Direkter Ansprechpartner für die Landwirte sei der jeweilige Futtermittellieferant, sagte die Sprecherin des Landesbauernverbands in Hannover, Gabi von der Brelie. Betroffene Landwirte würden vom Verband bei der juristischen Aufarbeitung und möglichen Musterprozessen unterstützt. „Der Bauer muss aber nachweisen, dass der Lieferant nicht ordnungsgemäße Ware geliefert hat.“ Bis es zu konkreten Schadensersatzforderungen kommt, sollen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Rund 50 größere Futtermittelhersteller in Niedersachsen hatten dioxinbelastetes Fett von Harles und Jentzsch weiterverarbeitet. Inwiefern diese alle mit einer Produkthaftpflichtversicherung gegen Forderungen der Landwirte abgesichert sind, war nicht bekannt. Von den tausenden vorsorglich gesperrten Höfen hätten vor allem die 330 größere Einbußen zu befürchten, die weiterhin blockiert sind und erst nach Einzeluntersuchungen wieder freigegeben werden sollen. „Große Reserven hat bei den Schweinemästern im Moment keiner, die stehen schon ziemlich blank dar“, meinte von der Brelie. „Die haben dieses Jahr halt umsonst gearbeitet, das ist bitter, weil die Zeichen ansonsten positiv waren.“ Keine Hilfe biete die Tierseuchenkasse, die nur bei Krankheiten und deshalb amtlich angeordneten Tötungen von Geflügel oder Vieh zahle. Der Gesamtschaden für die Agrarbranche ließe sich noch nicht im Ansatz beziffern, sagte von der Brelie. „Der größte Schaden ist, dass die Märkte in Turbulenzen geraten sind und die Preise sinken.“ Mit Forderungen nach Landeshilfe hatte der Verband sich bisher zurückgehalten. Stattdessen hatte Verbandspräsident Werner Hilse nach niederländischem Vorbild einen gemeinsamen Entschädigungsfonds der Futtermittelfirmen angeregt.