Ein Supermarkt-Kunde in Hannover hatte die Polizei informiert. Im Kreis Verden werden 140 Schweine wegen hoher Dioxin-Werte getötet.

Hannover/Verden/Kiel/Brüssel. Der Dioxinskandal nimmt kein Ende. Im Gegenteil, er weitet sich sogar immer weiter aus. So sind in mehreren Supermärkten der Region Hannover Eier eines wegen des Dioxin-Skandals vorsorglich gesperrten Hofes in den Handel gelangt. Ein Verbraucher habe sich am Montag mit einer entsprechenden Eierpackung an die Polizei und die Behörden gewandt, teilte die Region Hannover am Dienstag mit und bestätigte Medienberichte. Der Abpacker der Eier aus dem Kreis Nienburg habe die Eier am Sonnabend zurückgerufen. Die Eier stammen von einem Betrieb aus dem Kreis Cloppenburg. Die Veterinärämter beider Kreise ermitteln den Hintergrund der Panne. Das Agrarministerium geht von einem Versehen und nicht von Vorsatz aus.

Im Landkreis Verden sollen unterdessen 140 Tiere bei einem Schweine-Mäster getötet und vernichtet werden. Der Grenzwert für Dioxin war auf dem Hof bei zwei Probeschlachtungen um die Hälfte überschritten worden. Das sagte der Kreisveterinär Peter Rojem am Dienstag in Verden. Es sei nicht auszuschließen, dass zu stark belastetes Schweinefleisch auf den Markt gekommen ist. Zuletzt seien Schweine am 29. Dezember geschlachtet worden – gesperrt worden sei der Betrieb erst Anfang Januar. Insgesamt stehen dort 536 Tiere im Stall. „Wir sind bemüht, das Fleisch wiederzufinden und aus dem Verkehr zu ziehen.“ Rojem und Kreislandwirt Joost Meyerholz rechnen nicht mit weiteren Fällen außerhalb des Landkreises. Der betroffene Mäster habe nach eigenen Angaben beim Futtermischen den Fettanteil deutlich erhöht, sagte Meyerholz.

Die Schweine stünden kurz vor der Schlachtreife, darum sei nicht mehr davon auszugehen, dass sich der Dioxinwert noch verringere, sagte Rojem. „Bei den Ferkeln wird eine Dioxin-Überschreitung kurz vor der Schlachtung nicht mehr gegeben sein.“ Dennoch würden sie später untersucht, bevor das Fleisch in den Handel gehe, sagte Rojem. Der Landwirt aus dem Raum Langwedel betreibe neben der Mast ein eigenes Futtermittelwerk und habe das mit Dioxin belastete Fettfutter von Harles und Jentzsch aus Schleswig-Holstein selbst eingemischt, sagte Kreislandwirt Joost Meyerholz. Neun weitere Schweinemäster im Landkreis hätten Futter aus diesem Werk erhalten, sagte Rojem. Die Höfe seien gesperrt. An diesem Donnerstag sollen dort Probeschlachtungen erfolgen. Anfang kommender Woche würden die Ergebnisse vorliegen. Auf den zehn Höfen stehen insgesamt rund 8000 Schweine.

Normal für Schweinefutter sei ein Zusatz von ein bis zwei Prozent. Hier seien es möglicherweise bis zu zehn Prozent gewesen. „Der Verbraucher muss bei Schweinefleisch keine Befürchtungen haben“, sagte Rojem. Tausende wegen Dioxin-Verdachts gesperrte Agrarbetriebe dürfen inzwischen wieder ihre Produkte verkaufen. In Niedersachsen sind landesweit noch 330, davon im Kreis Verden noch 12. (dpa)

Rumpf: Verursacher des Dioxinskandals hart bestrafen

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf (CDU) hat eine harte Bestrafung der Verursacher des Dioxinskandals gefordert. Sie machte den Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch in Uetersen (Kreis Pinneberg) verantwortlich: Viel zu spät und außerdem unter Missachtung geltenden Rechts seien die Behörden über problematische Analyseergebnisse informiert worden, sagte sie am Dienstag in Kiel. „Am Beispiel des Unternehmens Harles und Jentzsch mussten wir leider erfahren, dass mit offenbar krimineller Energie wenigstens eine Zeit lang viel vertuscht wurde.“ Dennoch sei das nach dem BSE-Skandal entwickelte System der Eigenkontrollen im Kern ein gutes. Unterdessen wurden drei weitere Proben ausgewertet – sie enthielten keine erhöhten Dioxin-Werte.

EU erwägt schärfere Regeln für Futterproduktion

Als Konsequenz aus dem Dioxinskandal in Deutschland erwägt die EU-Kommission strengere Regeln für die Futtermittelproduktion in Europa. Vier Dioxin-Vorfälle in den vergangenen zehn Jahren seien genug, sagte der Sprecher von EU-Verbraucherkommissar John Dalli am Dienstag in Brüssel. „Es hatte jedes Mal mit Problemen beim Fettmischen zu tun“, erläuterte er mit Blick auf Fälle in Irland, Belgien und Deutschland, das nun zum zweiten Mal betroffen ist. Diskutiert werde daher vor allem über eine Trennung der Produktion von Fetten für die Industrie und für Futtermittel. Bisherige Vorschläge der Branche seien enttäuschend.

Es sei noch nicht entschieden, ob verschärfte Regeln über freiwillige Selbstverpflichtungen oder eine EU-Gesetzgebung zu erreichen seien, sagte der Kommissionssprecher. Über einen besseren Schutz der Verbraucher vor Dioxin-Belastungen in Lebensmitteln werden voraussichtlich auch die EU-Agrarminister bei einem Treffen Ende des Monats beraten.

Mit dem Skandal in Deutschland beschäftigten sich am Dienstag in Brüssel bereits Fachleute in einem Ständigen Ausschuss der EU für die Lebensmittelsicherheit. Das Krisenmanagement in Deutschland sei dabei insgesamt begrüßt worden, berichtete der Kommissionssprecher. In den Niederlanden aus dem Verkehr gezogene Produkte hätten bei Tests keine überhöhten Dioxin-Werte ergeben.

Die Frage, inwiefern Landwirte für Verdienstausfälle finanziell entschädigt werden, müsse in den Mitgliedsstaaten diskutiert werden. Europa werde mögliche Schäden nicht reparieren, sagte der Sprecher.

Die Hersteller von Futtermitteln in der EU kündigten an, bis Ende des Monats ebenfalls Vorschläge machen zu wollen. Dabei geht es unter anderem um ein EU-weites Beobachtungssystem. Die rund 100 Fettmisch- Betriebe, die die Futterhersteller beliefern, sind auf europäischer Ebene nicht in einem Verband organisiert.