Der beschuldigte Futtermittelproduzent aus Uetersen musste Insolvenz anmelden. Ein kriminelles Vorgehen gilt als immer wahrscheinlicher.
Hannover. Im Dioxin-Skandal mehren sich die Hinweise auf kriminelle Machenschaften bei der Herstellung von Tierfutter. Nach dpa-Informationen fanden Ermittler Anhaltspunkte dafür, dass bei der Produktion vorsätzlich und systematisch gepanscht wurde. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hält ein kriminelles Vorgehen für wahrscheinlich. Der im Zentrum des Skandals stehende Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch in Uetersen stellte derweil Insolvenzantrag.
„Die uns jetzt vorliegenden Erkenntnisse deuten darauf hin, dass gegen das Gesetz der Eintrag ins Futtermittel nicht gemeldet wurde“, sagte Aigner am Mittwoch in Berlin. Die Ministerin, die selbst im Kreuzfeuer der Kritik steht, kündigte zugleich ein Maßnahmenpaket zur Verringerung der Dioxin-Gefahr in Lebensmitteln an.
Das niedersächsische Agrarministerium prüft, ob das Fleisch von rund 150 mit dioxinverseuchtem Futter gemästeten Schweinen in den Handel gelangte. Die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion kritisierte das Krisenmanagement des Agrarministeriums im Dioxin-Skandal scharf. Fraktionschef Stefan Schostok forderte, das aus seiner Sicht überforderte Ministerium dürfe nicht länger mit dem Krisenmanagement betraut werden. Ministerpräsident David McAllister (CDU) solle einen Krisenstab zum Dioxin-Skandal einrichten. Die niedersächsischen Behörden hätten das Problem trotz frühzeitiger Hinweise aus Nordrhein-Westfalen zunächst massiv unterschätzt, erklärten die Grünen. Nach Ansicht der Linken trägt die Landesregierung Mitverantwortung an solchen Skandalen, wenn sie den Etat des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kürze und in diesem Jahr 282 000 Euro einsparen wolle. Nach wie vor liegt die Zahl der noch gesperrten Betriebe in Niedersachsen nach Ministeriumsangaben bei etwa 330, vor allem Schweinehalter und Geflügel-Farmen sind betroffen. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe geht dem Verdacht nach, dass Harles und Jentzsch belastete Vorprodukte möglicherweise systematisch so lange verdünnt haben könnte, bis der Dioxin-Grenzwert von 0,75 Nanogramm erreicht war. „Wir müssen das erst noch prüfen“, sagte Oberstaatsanwalt Ralph Döpper. „Wir werten das Material aus.“
Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Behördenkreisen der beteiligten Bundesländer erfuhr, wurden von einem Produktionstag Mischproben beschlagnahmt, bei denen hohe Dioxin-Eingangsbelastungen immer weiter reduziert worden waren. Damit das Labor nicht Alarm schlägt, seien die Proben als technische Fette deklariert und eingeschickt worden. Die Ermittler haben den Verdacht, dass der Eintrag über eine nicht registrierte Mischanlage im niedersächsischen Bösel erfolgte, die für Harles und Jentzsch betrieben worden sein soll.
Aigner sagte: „Auch eine Vermischung des Futtermittels ist gesetzeswidrig. Wenn sich die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft erhärten, ist das kriminelles Vorgehen.“ Sie verwies aber auf die laufenden Ermittlungen.
Vor einigen Tagen war bekanntgeworden, dass bei Eigenkontrollen bereits im März 2010 erhöhte Dioxin-Werte gemessen worden waren. Das Unternehmen soll dies den Behörden aber verschwiegen haben.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass – entgegen anderslautenden Angaben vom Vortag – das Fleisch von rund 150 mit dioxinverseuchtem Futter gemästeten Schweinen doch in den Handel gelangt sein könnte. Das Land Niedersachsen musste sich am Mittwoch korrigieren, nachdem das Agrarministerium in Hannover noch am Dienstag Entwarnung gegeben hatte. Ob das verdächtige Fleisch tatsächlich überhöhte Dioxinwerte aufwies, ist allerdings unklar.
Die an einen Großschlachthof gelieferten Schweine stammen von einem inzwischen gesperrten Betrieb in Langwedel im Kreis Verden. Niedersachsens Agrar-Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke hatte am Dienstag kategorisch ausgeschlossen, dass Dioxin-Fleisch aus dem Betrieb in den Handel ging. Ministeriumssprecher Gert Hahne erklärte, Ripke sei noch nicht auf dem neuesten Stand des zuständigen Kreis- Veterinärs in Verden gewesen.
Bei dem Schweinemäster im Kreis Verden waren bei Probeschlachtungen überhöhte Dioxin-Werte gemessen worden. 140 Tiere sollten deshalb getötet werden. Nach jüngsten Erkenntnissen hatte der Landwirt aber vor der Sperrung schon 150 mit Dioxin-Futter gemästete Schweine zu einem niedersächsischen Großschlachthof gebracht.
Die Tiere hätten das mit Dioxin verseuchte Futter seit dem 26. November bekommen, sagte Kreisveterinär Peter Rojem am Mittwoch. „Wir haben alle Schlachtungen seit der Zeit erfasst.“ Ministeriumssprecher Hahne sagte: „Es besteht gute Hoffnung, dass ein Großteil noch in einem Kühlhaus ist.“ Dioxin aus vergiftetem Tierfutter wurde bereits in Eiern und dem Fleisch von Legehennen gefunden.
China verhängte ein generelles Importverbot für Schweinefleisch und Eier aus Deutschland. Dagegen hat die Slowakei ihr Verkaufsverbot für Eier und Hühnerfleisch aus Deutschland wieder aufgehoben.