Am Anfang ist die Euphorie riesig, doch dann fangen die Probleme an: ein Thema finden, darüber schreiben, Kritik am Artikel aushalten. Eine Reportage über Schüler im Journalistenstreß.
Es ist Anfang September, und draußen scheint die Sonne. Für die Klasse 9 b des Gymnasiums Uhlenhorst-Barmbek beginnt die dritte Unterrichtsstunde. Die Blicke der 21 Schülerinnen und Schüler, alle zwischen 14 und 16 Jahre alt, sind auf den Lehrer gerichtet. Da klopft es, und die Tür geht auf. Frau Brühl, die Deutschlehrerin, betritt den Raum. Leicht außer Atem verkündet sie: "Wir nehmen am Projekt ,Schüler machen Zeitung' des Hamburger Abendblattes teil! Ich habe eben die Zusage bekommen!" Ein Raunen geht durch die Klasse.
In der nächsten Deutschstunde ist dann Zeit für die vielen Fragen der Schüler. Frau Brühl gibt Auskunft. "Wir werden sechs Wochen lang das Hamburger Abendblatt erhalten und mit der Zeitung im Deutschunterricht arbeiten. Dadurch lernen wir viel über das Medium Zeitung. Natürlich werden wir auch selbst journalistisch arbeiten und Berichte, Reportagen oder Kommentare entwickeln. Und ihr kommt mit einem Klassenfoto in die Zeitung", erklärt Frau Brühl ruhig. Hektik macht sich in der kleinen und sonst so ruhigen Klasse breit. Alle rufen aufgeregt durcheinander: "Juhu, wir sind alle Reporter. Ich will später eh' Reporter werden, das trifft sich gut!" "Die Klasse, die letztes Jahr teilgenommen hat, ist mit einem Artikel ins Abendblatt gekommen." "Das macht sicher Spaß! Ich bekomme einen Presseausweis, dann geh' ich zum HSV!"
Montag. Die ganze Klasse muß zum Fototermin ins Foyer. Yasmin und Seda richten sich zum x-ten Mal die Haare. Als der Photograph endlich das Schulgebäude betritt, posieren die Schüler lächelnd vor der Kamera. Vom Blitzlicht geblendet und etwas enttäuscht über die Kürze des Fototermins gehen sie zurück in ihre Klasse. Entspannung macht sich breit, denn jetzt sind erst einmal Herbstferien.
Drei Wochen später flattern die ersten Zeitungen ins Klassenzimmer. Mit einem lauten Knall landet der Stapel von Hamburger Abendblättern auf dem Lehrerpult.
"Wir werden ab jetzt eine Schulstunde in der Woche mit der Zeitung arbeiten," erläutert die Lehrerin. Ein leises Stöhnen geht durch die Klasse. "Wir müssen uns auch über die Themenfindung Gedanken machen. Es dürfen keine Themen ausgewählt werden, die schon täglich im Abendblatt behandelt werden. Sucht nach Themen, die einen Einblick in eure Welt geben. Davon haben die Abendblatt-Leser keine Ahnung."
In den folgenden Wochen beherrscht ein typischer Gesprächsablauf die Pausenkommunikation. Schüler A: "Ey, worüber schreibst du? Hast du schon eine konkrete Idee?" Schüler B: "Ja, aber Frau Brühl meint, sie wäre nicht gut genug. Jetzt muß ich noch mal von vorn überlegen! Und zum HSV darf auch keiner."
"So, am nächsten Montag möchte ich eine Grobfassung aller Artikel. Da ihr eure Texte sowieso mehrmals überarbeiten müßt, möchte ich mir früh genug einen Überblick verschaffen", verkündet Frau Brühl Mitte November. Mit dieser Aussage erntet sie eine Menge entsetzter Blicke. Nach der anfänglichen Euphorie merken spätestens jetzt alle, daß dies keine leichte Aufgabe ist.
"Wie sollen wir das denn schaffen? Wir alle haben viel mit den anderen Fächern zu tun, und jetzt noch dieser Termin", beschwert sich David. "Ich schreibe über Mädchenfußball, muß aber mein Training ausfallen lassen, weil ich mit dem Astronomiekurs in die Sternwarte gehe", erklärt Swantje verzweifelt.
Man sollte denken, daß es ganz einfach ist, ein Thema zu finden und zu recherchieren, aber erst mal anzufangen und etwas zu finden, das sowohl den Reporter als auch die Leser interessiert - das ist sehr schwierig. Der Frustfaktor steigt außerdem noch dadurch, daß die ersten Artikel anderer Schüler von anderen Schulen im Abendblatt erscheinen.
Trotzdem geht es los. Mike und Janosch besuchen ein Fußballtraining der E-Jugend. Die Reportage handelt von einer Trainingseinheit und der Faszination Fußball. Mike zum Stand ihrer Reportage: "Wir haben erst die Einleitung. Es ist sehr schwer, einen szenischen Einstieg zu schreiben."
Karla und Annika geht es ähnlich. Sie haben ihre Recherche zwar schon abgeschlossen, aber sie sind enttäuscht darüber, daß ihr Thema von so vielen Schülern anderer Schulen gewählt wurde. "Wir waren bei dem Jazzkonzert von Pure Desmond. Es ist unwahrscheinlich, daß unser Artikel auch noch abgedruckt wird", klagt Annika.
Mit der Zeit haben immer mehr "Reporter" aufgegeben. Ihre Themen waren zu wenig umfangreich, sie kamen mit der Überarbeitung nicht hinterher oder haben von Anfang an kein Thema gefunden. Die Gruppe der Artikel schreibenden Schüler wird immer kleiner und die Zeit immer knapper.
Die anfängliche Freude über die Teilnahme an dem Projekt hat sich in Panik und Zeitdruck verwandelt. Dazu kommen noch endlose Zeitungstextanalysen, eine Klassenarbeit in Deutsch über die Reformpläne der Schulsenatorin und die Proben für das Weihnachtskonzert in der Schule. Inzwischen scheint die Sonne nicht mehr, es schneit, und alle sind im Stress.
Plötzlich ist es soweit. Die Überarbeitung der Artikel ist abgeschlossen. Sie werden bei Frau Brühl abgegeben. Großes Aufatmen und große Erleichterung. Alle sind doch stolz, daß sie es geschafft haben. "Für den Artikel hat es sich gelohnt, am Ende ist er doch ganz gut geworden!" freut sich Karla. Es war für alle eine anstrengende, aber auch sehr interessante Zeit.
Eliska Drews, Maleen Geese, 9 b
Gym. Uhlenhorst-Barmbek