Probleme mit den Eltern, einsam und nicht integriert - Vera brauchte dringend Hilfe. Die bekam sie in der Jugendwohnung Steilshoop. Dort wurde sie erwachsen und glücklich.
Es gibt unendlich viele Jugendliche, die Probleme in ihrem Elternhaus haben und damit nicht allein klarkommen können. Als ich 18 war, gehörte ich auch dazu. Vor sechs Jahren ist meine Familie aus Moskau nach Deutschland gekommen in der Hoffnung, das Leben neu anzufangen. Doch etwas ist schiefgelaufen. Meine Eltern ließen sich nach zwei Jahren scheiden, und wie es häufig passiert, leiden die Kinder mit.
Ich hatte keine Beziehung zu meinem Heimatland. Ich war hier ohne Sprachkenntnisse, ganz allein. Integriert zu sein war das Wichtigste, was ich brauchte, doch wußte ich nicht, womit ich anfangen sollte. Ich war damals noch nicht bereit, erwachsen und selbständig zu werden. Und dann bekam ich eine Möglichkeit, selbständig, aber doch betreut und nicht alleine zu leben. Die Jugendwohnung Steilshoop war das Beste, was mir damals passieren konnte.
Dieses Projekt existiert seit Mitte der 80er Jahre, und das Team, das mich betreut hat, arbeitet seit 1995 zusammen. Es besteht aus einem internen Betreuerpaar und einer externen Betreuerin. Die internen Betreuer helfen den Jugendlichen bei alltäglichen Problemen und Fragen. Die externe Betreuerin hat nicht nur einen persönlichen Kontakt zu den Jugendlichen, sondern auch zu Eltern, Schulen und Behörden. Ihr Arbeitsplatz ist das Jugendamt Wandsbek. Doch diese Hilfe bekommt nicht jeder. Es werden diejenigen angenommen, die nicht nur ein Dach über dem Kopf brauchen, sondern auch nach einem richtigen Weg für sich suchen. Diejenigen, die sich helfen lassen wollen.
Man darf nicht junger als 15 Jahre alt sein und nicht älter als 21. Jeder Jugendliche ist verpflichtet, eine Beschäftigung zu haben (zum Beispiel Schule oder eine Ausbildung).
Es wird auch eine Zustimmung der Eltern benötigt, um dort wohnen zu dürfen. Drogen werden nicht akzeptiert.
Der Schwerpunkt der Erziehung besteht darin, einem Jugendlichen beizubringen, wie er im Leben ohne fremde Hilfe klarkommt. Jedem, der nicht genau weiß, wie man es macht, werden die einzelnen Schritte erklärt. Am Ende der Erziehung steht als Ziel der Umzug in eine eigene Wohnung.
Bis dahin lernt man, mit Geld vernünftig umzugehen, Scheu und Ängste zu überwinden und - was sehr wichtig ist - rücksichtsvoll zu werden. Da man in einer Lebensgemeinschaft wohnt, muß man lernen, auf seine Mitbewohner zu achten, sie zu respektieren und friedlich Konflikte lösen zu können. Dafür wird jede Woche ein sogenannter Gruppenabend organisiert, wo man seine Probleme und Neuigkeiten erzählen kann. Meistens werden sie auch gemeinsam besprochen und gelöst.
Es ist schon ein Jahr her, seitdem ich aus der Jugendwohnung raus bin. Ich habe eine eigene Wohnung und besuche zur Zeit eine Höhere Handelsschule. Ich bin selbständig und selbstbewußt geworden. Ab und zu komme ich zum Gruppenabend vorbei, um meine "zweite Familie" zu besuchen. Und werde immer wiederkommen. Sie hat mir Kraft gegeben, um das zu werden, was ich jetzt bin. Ich kann mit Sicherheit sagen, daß die zweieinhalb Jahre in der Jugendwohnung Steilshoop nicht nur ein wundervolles Erlebnis waren, sondern auch eine gute und sinnvolle Zusammenarbeit. Ich war eine von vielen, die Hilfe gern angenommen haben. Ich habe viel gelernt. Und es hat sich gelohnt. Für mich und für die anderen aus der Jugendwohnung.
Vera Pinskaia, HH 55
Staatliche Handelsschule Gropiusring