Stabile Mehrheiten statt hessische Verhältnisse: Mit einem klaren Wahlsieg der geplanten Koalition von FDP und CDU ist die ein Jahr währende politische Ungewissheit in Hessen beendet. Hier sehen Sie Bilder von der Landtagswahl.
Stabile Mehrheiten statt hessische Verhältnisse: Mit einem klaren Wahlsieg der geplanten Koalition von FDP und CDU ist die ein Jahr währende politische Ungewissheit in Hessen beendet. Der bisher alleinregierende CDU-Ministerpräsident Roland Koch, der nach seinem Wahldebakel 2008 nur geschäftsführend im Amt war, kann mit der FDP eine stabile Regierung bilden. Allerdings profitiert Koch von historischen Zugewinnen der Liberalen. Nach dem Absturz der SPD auf ein nie dagewesenes Tief ist die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Ypsilanti zurückgetreten.
Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel ist bereit, ihre Ämter zu übernehmen. Der Sieg von CDU und FDP in Hessen gibt beiden Rückenwind für ihre Koalitionspläne im Bund. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kommt die SPD nur noch auf 23,7 Prozent. Die CDU kommt auf 37,2 Prozent. Der zukünftige Partner FDP hat gigantische Zugewinne und bekäme 16,2 Prozent. Die Grünen landen ebenfalls mit großen Zugewinnen bei 13,7 Prozent, die Linke ist mit 5,4 Prozent knapp im Landtag.
Ypsilanti sagte, während der Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel neben ihr stand: "Das ist eine schwere Niederlage für die hessische SPD. Der Wähler hat uns nicht verziehen, dass wir im November des letzten Jahres keine parlamentarische Mehrheit für einen Regierungswechsel hinbekommen haben. Ich resigniere nicht, zugleich nehme ich aber die politische Verantwortung für dieses Ergebnis auf mich." Schäfer-Gümbel sagte: "Das ist eine schwere Niederlage für die Sozialdemokratie in Hessen. Es war eine Denkzettelwahl." Ministerpräsident Roland Koch sagte: "Heute Abend steht fest: CDU und FDP haben eine stabile politische Mehrheit, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht hatten in Hessen." Koch versprach eine schnelle Regierungsbildung mit der FDP.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Die CDU ist die einzige Volkspartei der Mitte. Wir haben alle Chancen im Bund, 40 Prozent plus X zu gewinnen."
FDP-Chef Guido Westerwelle war in Berlin voller Euphorie über die großen Zugewinne: "Das war ein Auftakt nach Maß für Deutschland in das Superwahljahr." In Wiesbaden sagte der FDP-Spitzenkandidat Jörg-Uwe Hahn: "Ein Triumph ist es wirklich nicht, es ist ein Zeichen für einen Neuanfang in Hessen, für eine starke FDP. Es ist auch ein Zeichen an die Große Koalition in Berlin: Hört endlich auf, alles auf Kosten der Kinder zu finanzieren." Der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir sagte lakonisch: "Die SPD hat es nicht auf die Reihe gekriegt."
Für das Abendblatt analysierte der Göttinger Parteienforscher Prof. Franz Walter das Ergebnis: "Das Ergebnis für die CDU ist keine Wiederauferstehung von Roland Koch, es zeigt frappant die Grenzen des großen Strategen Koch auf. Die Bundeskanzlerin wird sich freuen. Die SPD ist der tatsächliche Wahlverlierer und mit diesem Desaster von Ergebnis keine Volkspartei mehr in Hessen. Die FDP ist die Sammelbewegung des rechten Bürgertums und die Wagenburg derjenigen, die möglichst unbeschadet die derzeitige Krise überstehen wollen. Für ein bürgerliches Bündnis auf Bundesebene sind die Mehrheiten wieder da. Hat die SPD eine Krise, profitieren die Grünen. Insgesamt aber stagniert das Potenzial der Partei. Die Grünen haben es nicht geschafft, die FDP als dritte Kraft und als Zünglein an der Waage zu ersetzen. Die Linke bietet in dieser Krisenzeit keine Ordnung, Klarheit und Eindeutigkeit."
Auch der Passauer Politikwissenschaftler Prof. Heinrich Oberreuter hat das Hessen-Ergebnis für das Abendblatt bewertet:
CDU: "Aus dem Bund kam kein Rückenwind und umgekehrt. Das Ergebnis ist eher eine Katastrophe, denn die CDU konnte von den Wirren bei der SPD nicht profitieren. Die Stabilisierung von Roland Koch hat nicht geklappt."
SPD: "Andrea Ypsilanti wird als Totengräberin der Hessen-SPD in die Geschichte eingehen. Für ein SPD-Stammland ist das ein völlig indiskutables Ergebnis und kein Ausgangspunkt für eine Verbesserung im Bund."
FDP: "Sie profitiert von einer gewissen Unzufriedenheit des wirtschaftlich orientierten Bürgertums. Wenn die FDP demnächst die Stimmen von Hessen im Bund lahm legt, wird die bundespolitische Gestaltung schwierig."
Grüne: "Die Grünen haben bei diesem historisch besten Ergebnis von den Verlusten der SPD profitiert, aber keine neuen Wähler aus sich selbst heraus gewonnen."
Linke: "Die Partei stagniert, konnte nicht von der ökonomischen Krise und der SPD-Krise profitieren."