Die SPD und die Grünen schließen nach Gesine Lötzschs umstrittenen Kommunismus-Äußerungen Koalitionen auf Bundesebene aus.
Hamburg/Berlin.. Nach den Kommunismus-Äußerungen der Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch haben SPD und Grüne die Regierungsfähigkeit der Linkspartei in Zweifel gezogen. "Wenn die Linkspartei regierungsfähig sein will, muss sie eindeutig klären, wie sie zu ihren Geistern der Vergangenheit steht", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dem Abendblatt. "Eine Parteichefin, die den Kommunismus beschwört, und ein Ex-Parteichef, der innerparteiliche Diskussionen per Satzungsänderung verhindern will, lassen doch berechtigte Zweifel aufkommen, inwieweit sich die Linkspartei in ihrer Gesamtheit allen Grundprinzipen der Demokratie verpflichtet fühlt." Die Linke müsse klarmachen, ob sie "weiter nur unfinanzierbare Wohltaten für alle" versprechen wolle und wie sie es mit Uno-Einsätzen zur Friedenssicherung halte. Eine entsprechende Regierungsfähigkeit der Linkspartei sehe er "gegenwärtig nicht", machte Özdemir deutlich. So könne die Linkspartei für die Grünen "kein Partner sein".
Zuvor hatten führende Sozialdemokraten einer Koalition mit der Linken auf Bundesebene eine Absage erteilt. SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte, eine Partei, die derartige Zweifel an ihrer demokratischen Grundorientierung zulasse, komme als Partner für die SPD auf Bundesebene nicht in Betracht. "Wer glaubt, den Kommunismus ausprobieren zu müssen, sei es in der Opposition oder gar in der Regierung, dem kann wohl niemand mehr helfen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schloss eine Koalition mit der Linken aus, wenn sich deren Führung zum Kommunismus bekenne. "Sollte das Führungspersonal der Linkspartei 2013 den Kommunismus als Ziel ihrer Politik ausgeben, wird sie in der deutschen Politik keine Koalitionspartner finden. Auch nicht die Sozialdemokratie", sagte er dem "Tagesspiegel".
Der Ko-Parteichef der Linken, Klaus Ernst, machte deutlich, dass er die Absagen nicht akzeptieren will. "Gabriel und Steinmeier werden bald wieder abrüsten. Eine Blockadehaltung ist unpolitisch", sagte Ernst dem Abendblatt. Die Debatte werde zunehmend ziellos. "Niemand will den Kommunismus. Weder Gesine Lötzsch noch die Linke", sagte er. Ernst forderte ein Ende der Debatte. "Wir sind nicht für Ismen gewählt worden, sondern damit der Mindestlohn kommt und gerechte Renten und ein vernünftiger Sozialstaat." Dafür gebe es demokratische Mehrheiten. "Diese ziellose Debatte sollte jetzt schleunigst enden." Lötzsch hatte in einem Zeitungsbeitrag geschrieben: "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung." Auch Fraktionschef Gregor Gysi hatte sich von den Aussagen distanziert.
Gestern traf sich die Spitze der Linken auf dem Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde zum Gedenken an die Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht - ein Akt, der vor allem Geschlossenheit demonstrieren sollte. Einen Tag zuvor hatte Lötzsch beim Hamburger Wahlparteitag die Reaktionen auf ihren Artikel als "hysterisch" bezeichnet und sich verteidigt: Die Heftigkeit der Kritik lasse sich nur mit der Verunsicherung der bürgerlichen Parteien und Medien erklären. Die Vision einer gerechten Gesellschaft werde dort offenbar als eine Bedrohung empfunden. Die Linke habe mit dem Stalinismus gebrochen und sich bei den Opfern entschuldigt. "Die Idee des Kommunismus wurde missbraucht, aber das ändert nichts daran, dass wir über Ideen nachdenken müssen, die wir demokratischen Sozialismus nennen."
In einer Rede bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz am selben Tag in Berlin wehrte sie sich gegen Kritik von Fraktionschef Gysi. Er habe zwar recht, wenn er sagte, dass die Menschen beim Begriff Kommunismus an Stalin und die Mauer dächten. "Gysi hat aber nicht recht, wenn er meint, dass man den Begriff des Kommunismus nicht mehr verwenden darf." In der "Welt am Sonntag" stellte sie klar: "Ich bin keine Kommunistin, sondern eine demokratische Sozialistin." Doch die interne Kritik hielt an. Fraktionsvize Dietmar Bartsch sagte im Deutschlandradio Kultur: Die Linke habe unwiderruflich mit stalinistischen Methoden gebrochen. "Und wer auch nur einen Hauch von Zweifel aufkommen lässt, der muss auch deutlich kritisiert werden." Die Hamburger Linken-Spitzenkandidatin bei der Bürgerschaftswahl, Dora Heyenn, räumte ein: "Ich habe mir die Debatte nicht ausgesucht. Aber jetzt ist sie da, und wir gehen offensiv damit um."
Beistand bekam Lötzsch von ihrer Stellvertreterin Sahra Wagenknecht, deren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Plattform derzeit ruht. "Gesine Lötzsch ist gezielt falsch wiedergegeben worden. Sie hat gesagt, dass die Linke für eine gerechtere Welt kämpft", sagte Wagenknecht dem Abendblatt. Das stehe im Programm der Partei, "und dafür werden wir gewählt". Sie forderte, Lötzsch und den ebenfalls in der Kritik stehenden Ernst zu stützen. "Wir müssen den Angriffen auf die Führung mit mehr Selbstbewusstsein begegnen. Lötzsch und Ernst machen als Vorsitzende gute Arbeit." Sie appellierte an die Partei: "Wir brauchen jetzt Geschlossenheit. Die Genossen, die glauben, sich nur durch Kritik an der Führung profilieren zu können, gefährden unsere Wahlerfolge." Ob sich die Parteifreunde an den Appell halten, wird man heute beobachten können. Die Linke begeht im Berliner Congress Center ihren politischen Jahresauftakt und bittet zum Neujahrsempfang.