Gregor Gysi sagte auf dem Landesparteitag der Linken in Hamburg, dass Lötzsch etwas unterstellt werde, was sie niemals gesagt habe.

Hamburg. Auch die Hamburger Linken kommen an der Kommunismus-Debatte nicht vorbei. Wenige Stunden vor Beginn ihres Wahlparteitags am Sonnabend hatten die Parteitagsstrategen den Ablauf noch einmal umgekrempelt und den Auftritt der Bundesvorsitzenden Gesine Lötzsch an den Anfang der zweitägigen Veranstaltung gestellt – vor die Diskussion über das Wahlprogramm für die Bürgerschaftswahl am 20. Februar und vor die Rede von Linken-Legende und Bundesfraktionschef Gregor Gysi. Nach wie vor schlagen Lötzsch’ Kommunismus-Äußerungen heftige Wellen, auch in den eigenen Reihen, Keine einfache Situation für die Parteichefin: Sie war nicht nur als Wahlkämpferin in die Hansestadt gekommen, sondern auch als Verteidigerin in eigener Sache.

In ihrer 30-minütigen Rede bezeichnete Lötzsch die Reaktionen auf ihren Artikel mit der Überschrift "Wege zum Kommunismus“ als "hysterisch“. Die Heftigkeit der Kritik lasse sich nur mit der Verunsicherung der bürgerlichen Parteien und Medien erklären. Die Vision einer gerechten Gesellschaft werde dort offenbar als eine Bedrohung empfunden.

Die Linke habe mit dem Stalinismus gebrochen und sich bei den Opfern entschuldigt. "Die Idee des Kommunismus wurde missbraucht, aber das ändert nichts daran, dass wir über Ideen nachdenken müssen, die wir demokratischen Sozialismus nennen“, sagte die Parteichefin, die am Sonnabendnachmittag in Berlin auch auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz sprechen wird. Zu den Forderungen aus der CSU, die Linke vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, sagte Lötzsch: "Wenn die CSU uns so überwachen will, wie sie die Bayerische Landesbank überwacht hat, dann kann sie es auch gleich lassen.“

Die Hamburger Delegierten quittierten Lötzsch Rede mit Beifall, distanzieren wollte sich kaum einer. Immer wieder war in der Debatte von einer "Diffamierung“ der Parteivorsitzenden die Rede. "Der Kapitalismus ist das Problem, nicht der Kommunismus“, sagte Sprecherin der Linksjugend, Christin Bernhold, und sprach von "einer Blutspur des Kapitalimus“. Der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch wies darauf hin, dass sich die Linke “stärker als alle anderen Parteien mit Demokratie auseinandergesetzt“ habe. Die "Hetze“ entbehre jeglicher Grundlage.

Auch wenn kaum einer der Genossen gestern öffentlich zugeben wollte, dass die aktuelle Debatte der Hamburger Linken im Wahlkampf gefährlich werden könnte, schwang das den ganzen Tag mit. Auch die Chefin der Bürgerschaftsfraktion, Dora Heyenn, übte sich in Schadensbegrenzung: "Ich habe mir die Diskussion nicht ausgesucht. Aber sie da und wir gehen offensiv damit um.“ Inhaltlich stellte sie sich erneut hinter Lötzsch. "Sie hat sehr differenziert dargestellt, dass es darum geht, wie wir den Kapitalismus überwinden können“, sagte Heyenn, machte aber auch klar: Das Wort Kommunismus werde im Programm der Hamburger Linken nicht vorkommen.

Noch deutlicher wurde Gregor Gysi, der bei einem kurzen Parteitagsbesuch seine Kritik an dem Lötzsch-Text erneuerte. "Er ist missverständlich. Man hätte einige Sätze anders formulieren müssen.“ Entweder, sagte er, "vermeide ich den Begriff Kommunismus, oder ich muss auch auf die Verbrechen hinweisen. Ich hätte den Artikel so nicht geschrieben.“ Gysi machte aber auch klar, dass die Interpretationen, die Gesine Lötzsch jetzt unterstellt würden, "abwegig und grob unfair“ seien. An seine Partei appellierte er angesichts von sieben Landtagswahlen in diesem Jahr jetzt keine Personaldebatte zu führen. Auch er bekam viel Beifall.

Parteichefin Lötzsch zeigte sich nicht unbeeindruckt. Denn auch in den eigenen Partei ist Gysi nicht der einzige Kritiker. Der Linke-Fraktionsvize Dietmar Bartsch forderte im Deutschlandradio Kultur von der Politikerin ein Bekenntnis zum demokratischen Wertesystem. "Wir haben uns auf den Weg gemacht 1989 und unwiderruflich mit stalinistischen Methoden gebrochen“, sagte er. "Das muss ganz, ganz klar sein.“ Auf dem Hamburger Parteitag vermied die Parteichefin das K-Wort. "Natürlich ist jeder Mensch, der Verstand hat, nachdenklich" - insbesondere, wenn es “Missverständnisse und Widersprüche" gebe“. Sie habe beobachtet, dass viele Menschen über Visionen nachdenken wollen. “Und natürlich sind Diskussionen immer mit Begriffen verbunden“, sagte Lötzsch. Für viele sei der Begriff mit Vergangenheit verbunden, auch mit Unterdrückung, mit Verbrechen. Entscheidend sei aber, dass über die Zukunftsgestaltung in der Gesellschaft nachgedacht werden müsse. “Und meine Botschaft ist: Wir als Linke treten für den demokratischen Sozialismus ein.“