Walter Scheuerl, der für die CDU in die Hamburger Bürgerschaft einziehen will, stößt mit seiner Attacke gegen Ole von Beust auf Kritik.
Hamburg. Er wurde als der große Coup der CDU präsentiert - doch keine drei Wochen später ist Walter Scheuerl schon zum Problemfall für die Partei geworden. Dass der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Primarschule gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Altbürgermeister Ole von Beust ablehnt, wird noch toleriert - schließlich lagen die beiden in der Schulpolitik inhaltlich völlig über Kreuz. Dass der Anwalt, der bei der Neuwahl am 20. Februar als Parteiloser auf der CDU-Landesliste kandidieren soll, der Partei darüber hinaus aber auch offen empfiehlt, ihr einstiges Zugpferd ganz aus dem Wahlkampf herauszuhalten, sorgt mächtig für Wirbel.
"Wir bestimmen als Partei bitte schön immer noch selbst, von wem wir uns unterstützen lassen", sagte der Landesvorsitzende Frank Schira dem Abendblatt. Wenn Ole von Beust anbiete, die Partei im Wahlkampf zu unterstützen - was er getan hat -, dann werde man das annehmen und sich darüber freuen. "Es gibt überhaupt keinen Grund, Ole von Beust zu verstecken", sagte Schira. Im Gegenteil, er sei ein "Pfund, mit dem man wuchern" könne.
Ähnlich deutlich äußert sich Partei-Vize Marcus Weinberg: "Es ist befremdlich, wenn sich Herr Scheuerl als Nicht-Parteimitglied über den noch zu planenden Wahlkampf äußert." Auch die negative Einordnung der Von-Beust-Ära lehnt der Bundestagsabgeordnete ab: "Wir als Partei wissen die neun guten Jahre unter Ole von Beust zu würdigen und brauchen keine Belehrungen."
CDU-Innenexperte Kai Voet van Vormizeele will Ole von Beust bewusst zu Wahlkampfterminen einladen. "Und ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn er kommt", sagte Voet van Vormizeele und stellte klar: "Wir brauchen keine Ratschläge von Menschen, die sonst auch keine Ahnung von Wahlkämpfen haben." Andere äußerten sich weniger offen, gaben aber zu verstehen, dass sie ganz klar anderer Meinung sind. Es müsse jeder selbst wissen, wann er wem welchen Ratschlag meint erteilen zu müssen, sagt Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse.
"Von Beust als Zugpferd einzuspannen macht aus meiner Sicht keinen Sinn", hatte Scheuerl im Abendblatt gesagt und betont: "Für gemeinsame Auftritte stehe ich nicht zur Verfügung."
Die Debatte dreht sich aber nur oberflächlich um Wahlkampfauftritte eines Ex-Bürgermeisters. Ihre Brisanz bezieht sie vielmehr aus der grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Ausrichtung der Hamburger CDU. Unbestritten ist, dass Ole von Beust der Partei mit seiner liberalen Grundhaltung neue Wählerschichten erschlossen und sie so 2004 zur absoluten Mehrheit und 2008 immerhin noch zu respektablen 42,6 Prozent geführt hatte.
Bis zum Ende seiner Amtszeit hatte er davor gewarnt, dass ein Verlassen dieses Kurses die Rückkehr zur 25-Prozent-Partei bedeute. Dass mit den Schira-Stellvertretern Weinberg und Rüdiger Kruse zwei Vertreter des liberalen Großstadtpartei-Kurses an einer neuen Programmatik arbeiten, zeigt, dass diese Einschätzung Gewicht hat.
Dennoch wurde durch den Rücktritt von Beusts, dessen Wort in der CDU lange als Gesetz galt, eine Diskussion in Gang gesetzt, inwiefern er die Partei nur geöffnet und weiterentwickelt hat - oder ob er ihren "Markenkern" verraten und die Stammklientel verprellt habe.
Vor allem die Tatsache, dass von Beust vor der Wahl 2008 für den Erhalt des Gymnasiums geworben hatte, danach aber in der Koalition mit den Grünen die sechsjährige Primarschule - also die Verkürzung der Gymnasialzeit - zur Herzensangelegenheit werden ließ, tragen ihm viele in der CDU nach. Ebenso seine scharfe Kritik an Kapitalismus und Eliten sowie seinen plötzlichen Rücktritt im Sommer 2010.
Mit dem Einzug des konservativeren Innensenators Christoph Ahlhaus ins Rathaus verbanden viele Christdemokraten die Hoffnung auf eine Wende hin zu den Leib- und Magenthemen der Partei, weg von zähneknirschend mitgetragenen "grünen" Projekten wie Primarschule und Stadtbahn. Die Kandidatur des Primarschulgegners Scheuerl für die CDU ist der sichtbarste Ausdruck dieser Wende.
"Ole von Beust steht für neun erfolgreiche CDU-Jahre", sagt zum Beispiel der Schulpolitiker Robert Heinemann, einer der wenigen, die stets gegen die Primarschule waren. "Aber dass es gewisse inhaltliche Gegensätze zwischen ihm und Scheuerl gibt, ist doch offensichtlich und muss nicht verschwiegen werden." Die Tatsache, dass Scheuerl für die CDU kandidiert, drücke ja aus, dass die Partei zu der Schulpolitik zurückkehrt, für die sie vor Schwarz-Grün stand, so Heinemann. "Wir müssen uns jetzt überlegen, welche Rolle Ole von Beust trotz dieses Gegensatzes im Wahlkampf spielen kann."
Eine solche Relativierung kommt für Barbara Ahrons nicht infrage. "Auf Ole von Beust lasse ich nichts kommen", sagt die Wirtschaftsexpertin. Sie verstehe nicht, warum Scheuerl jetzt so nachtrete. "Wahrscheinlich will er sich nur wieder mal ins Gespräch bringen."