Popmusiker Christopher von Deylen alias Schiller steuert mit Hilfe des Wissenschaftsteams den Tauchroboter. Eine Herausforderung an Logistik, Koordination - und Geduld. Auch Kaffee hilft, um um vier Uhr nachts den “Quest“ zu “fliegen“ - und die Aussicht auf eine Extraportion Spiegeleier.
es ist dunkel. man spuert nur das vibrieren der schiffsmotoren, hoert das monotone rauschen der klimaanlage. ab und zu ein leises 'beep', wenn der computer eine eingabe quittiert. unzaehlige bildschirme leuchten und tauchen die szenerie in ein fahles licht. das bild erinnert mich an einen weltraum-film. wir befinden uns jedoch nicht in der kommandozentrale eines raumschiffes, sondern im kontroll-container des quest - dem sogenannten 'van'.
der van ist das gehirn des quest-systems. von hier aus wird das rov ferngesteuert, hier wird die hochspannung erzeugt. der van ist mit der polarstern vernetzt, diverse daten werden ausgetauscht. es besteht eine direkte sprechverbindung zur bruecke, weil beide fahrzeuge gemeinsam navigiert werden muessen. ueber das sogenannte 'posidonia' kann die aktuelle position des quest-roboters bestimmt werden. dazu wird das rov mittels spezial-antennen im schiffsrumpf angepeilt. die ausgemachte relative position zum schiff wird dann mithilfe der gps-position der polarstern zur absoluten position des quest interpoliert. da gps-systeme unter wasser nicht funktionieren, ist dieses komplizierte verfahren der einzige weg, das rov zu orten.
auf den diversen tauchgaengen muessen exakte positionen ('stationen') angefahren werden, darum ist eine genaue standortbestimmung entscheidend. einer der vielen bildschirme im van zeigt auf einem koordinatensystem die diversen positionen von quest, polarstern und den einzelnen stationen.
ich bin zusammen mit christian, anh, patrick und volker fuer die zweite schicht eingeteilt. sie beginnt um mitternacht und dauert sechs stunden. unternehme den versuch, ein wenig 'vorzuschlafen' und gebe dieses ehrgeizige vorhaben mangels aussicht auf erfolg allerdings schnell wieder auf. mit einem becher kaffee halte ich mich wach und gehe gegen mitternacht zum schichtwechsel in den van.
der tiefenmesser zeigt 2448 meter. insgesamt acht kameras geben uns ein umfassendes bild von der situation am meeresgrund. einige von ihnen sind via joystick dreh- und schwenkbar ('pan-tilt'). fuer die benutzung der greifarme gibt es ein komplexes eingabegeraet, den sogenannten 'master-arm'. es ist eine miniatur-version des roboterarmes, mit dem man die ausgewachsene version am quest millimetergenau steuern kann. und das ueber eine entfernung von bis zu 5.000 metern. schon erstaunlich.
heute nacht haben wir ein diffiziles programm vor uns. mehrere stationen auf dem meeresgrund muessen 'angeflogen' werden. an den stationen warten instrumente und geraete auf ihren einsatz. sie sind zu einem frueheren zeitpunkt abgesetzt worden. der quest ist nun der verlaengerte arm der wissenschaftler. mit 'push cores' werden sedimentproben entnommen, die dann an bord des quest oder via 'fahrstuhl' (erklaere ich weiter unten) mit nach oben genommen werden. in der hydraulisch ausfahrbaren 'schublade' des rov ist platz fuer weitere biologische- und gesteinsproben.
das anfliegen der einzelnen stationen gestaltet sich mitunter recht komplex. da die sichtweite in der tiefe teilweise nicht viel mehr als 5 meter betraegt, ist eine genaue positionsbestimmung der ziele notwendig. diese kann unter anderem durch peilverfahren oder mittels sonar erfolgen. alle im container anwesenden starren gebannt auf den entsprechenden sonar-bildschirm mit dem charakteristischen orange-farbenen faecher. oft verbirgt sich hinter einem verheissungsvollen signal nur ein grosser stein, dann geht die suche weiter.
diese prozedur kann zur echten herausforderung werden. viel geduld und konzentration sind gefragt. wenn sich auf dem high-definition flatscreen im dunkelblau der tiefe die schemen einer zielstation abzeichnen, geht ein deutlich vernehmbares aufatmen durch den van. es ist kurz vor drei uhr morgens. anh und ich gehen kurz in 'messe 1' auf dem D-deck und holen eine frische ladung kaffee. volker und patrick fliegen den quest.
gegen vier uhr bin ich dran. ich setze mich neben volker an den rechten pilotenplatz. wir sind immer noch in 2.500 meter tiefe. anh und christian sind draussen an der kabelwinde. sie halten 'windenwache'. von zeit zu zeit muss die kabellaenge korrigiert werden, daher ist diese position durchgehend besetzt. ein bildschirm am windenstand gibt aufschluss ueber den fortgang der unterwasser-operation, die verstaendigung zum van funktioniert via sprechfunk.
ich lege meine rechte hand an den 'puck' und fliege den quest in 2 metern hoehe ueber den meeresgrund. mit der linken hand beruehre ich ab und zu den touchscreen, ueber den die geschwindigkeit der thruster-motoren geregelt wird. ein leises 'beep' ertoent. dann richte ich die augen auf den bildschirm-kompass, der die flugrichtung anzeigt. langsam gewoehne ich mich an die reaktionszeiten des quest. die steuerung ist sehr sensibel, da wechselnde stroemungen die lenkbewegungen beeinflussen. eine gewisse traegheit muss beachtet werden. man muss aufpassen, dass man beim fliegen das kabel nicht zu weit verdreht. zum glueck gibt eine anzeige aufschluss ueber den grad der drehung.
es muss kurz mach fuenf sein, die bruecke meldet sich. der wachhabende offizier teilt uns mit, dass ein eisfeld auf die polarstern zutreibt. wir koennen unsere position nicht mehr schnell genug aendern, so dass wir nur eine alternative haben: hoffen, dass es nicht zur kollision der eisschollen mit unserem kabel kommt. dazu wird der 'A-rahmen', ueber den das kabel in die tiefe geht, etwas steiler gestellt. so kommt es naeher ans schiffsheck und ist etwas geschuetzter. mehr kann man im moment nicht tun. die bruecke schickt einen matrosen zur beobachtung ans heck, christian geht ebenfalls auf position und ueberwacht die lage.
der zeitpunkt zum auftauchen rueckt naeher, vorher muss ein letztes mal eine station angeflogen werden. der sogenannte 'fahrstuhl' vom max-planck institut fuer marine mikrobiologie in bremen. ein zwei tonnen schweres geraet, welches passenderweise auf den namen 'colossus' hoert. in seinem transportkaefig werden diverse messinstrumente und sediment-proben verstaut, die auf diesem wege zurueck an die wasseroberflaeche transportiert werden.
der fahrstuhl muss sicher lokalisiert werden, bevor er 'augeloest' wird. dazu wird ueber ein hydrophon ein akkustisches signal in einer bestimmten frequenz uebertragen. der empfaenger am fahrstuhl registriert dieses signal und loest die verankerung. die angebrachten auftriebskoerper bringen den fahrstuhl dann nach oben. ueber das bereits erwaehnte posidonia-system kann er dann vom schiff geortet werden und wird mit einem der kraene an bord der polarstern gehievt. die wissenschaftler koennen mit ihrer analyse beginnen.
ich fliege in richtung der letzten ausgemachten position des fahrstuhls und naehre mich ihm bis auf ca. 40 meter. das sonar zeigt nun eindeutig die umrisse von 'colossus', so dass der impuls zum ausloesen gegeben werden kann. kurze zeit spaeter verschwindet der schatten auf unserem sonar. eindeutiger beleg dafuer, dass der ausloese-vorgang funktioniert hat. fuer den fall, dass dies einmal nicht funktionieren sollte, koennte man den fahrstuhl auch manuell entriegeln - eine weitere aufgabe fuer den quest.
das eisfeld haben wir inzwischen hinter uns gelassen. laut christian hat eine extra-grosse eisscholle das rov-kabel nur knapp vefehlt. glueck gehabt.
kurz nach sechs uhr geht die heutige mission zuende, fertig machen zum auftauchen. der abstand zur polarstern wird geringer. ich versuche waehrend des auftauchens eine position 50 meter hinter dem schiffsheck zu halten. eine starke stroemung macht haeufige korrekturen noetig, wir lehnen den quest gegen die stroemung um nicht abzudriften. volker koordiniert die windengeschwindigkeit mit unserem auftauchmanoever, zur zeit hievt die winde mit 28 metern pro minute. er sieht muede aber zufrieden aus, als er der bruecke bescheid gibt, dass der quest in einer guten stunde an bord geholt werden soll. die mannschaft wird geweckt und versammelt sich mit schwimmweste und schutzhelm ausstaffiert am heckgalgen. maggie aus der schweiz (erster offizier) kommt in ihrer leuchtend-orangen allwetterjacke und ueberwacht das manoever. via funk steht sie permanent in verbindung mit der bruecke.
gegen halb acht steht der quest wieder an seinem platz auf dem arbeitsdeck, ein paar muede und hungrige gestalten machen sich auf dem weg in die 'messe 2' auf dem C-deck. ich frage moni (first stewardess) nach einer extraportion spiegeleier, von beiden seiten gebraten ('hochkant'). sie sieht mich an, ahnt die lange nacht und laechelt.