Christopher von Deylen ist mit der “Polarstern“ unterwegs und erzählt, wie der erste Tauchgang vorbereitet wird.

Heute abend ist es soweit - der Quest wird seinen ersten Tauchgang auf diesem Expeditionsabschnitt absolvieren. Gleich nach dem Frühstück des dritten Arbeitstags an Bord beginnen die letzten Vorbereitungen. Gehäuse und Leitungen werden auf Dichtheit überprüft, Kameras auf ihre Funktion. Volker und sein Team gehen die lange ROV-(remotely operated vehicle)-pre-dive-Checkliste durch. Um den Quest mit ausreichend Energie versorgen zu können, muss an Bord mit Hochspannung gearbeitet werden. Dazu wird von einem Transformator im Quest-Kontrollcontainer eine Spannung in Höhe von 3300 Volt erzeugt. Diese Spannung geht dann durch das gestern ausgeturnte Kabel und wird an Bord des ROV auf die diversen Bordspannungen (600 Volt für die Motoren, 240 Volt für die High-Power-Lights, und 26 Volt für das sogenannte 'Hub', eine Art Schaltzentrale) zurücktransformiert. Auf diese Weise kann man die Energie verlustfrei durch die fünf Kilometer lange Leitung leiten.

Der hintere Bereich des Schiffs, in dem die Marum-Container plaziert sind, wird aus Sicherheitsgründen abgesperrt, sobald die Hochspannung eingeschaltet ist. Nur diejenigen, die direkt mit dem Quest zu tun haben sollen sich ab jetzt dort aufhalten. Die Gesichter sind angespannt, aber auch voller Vorfreude auf die kommende lange Tauch-Nacht. Irgendwie wirkt das Team wie eine Rockband. Jeder hat seine Aufgabe und am Ende zählt ausschliesslich das Resultat. Teamwork, wie auf der Buehne. Der erste Tauchgang soll um 18 Uhr beginnen. Volker teilt uns in zwei Schichten ein, sie dauern jeweils sechs Stunden.

Dann noch ein letzter Rundgang um den Quest, ein letztes Mal die Verankerung des Kabels geprüft. Ein Moment der Ruhe, die Mannschaft steht bereit und wartet auf das Zeichen zum Launch. Oben im Bild ist der 'teller' zu sehen, der den Quest während des Aussetzens stabil am Haken hält. Dann startet das Launch-Manöver. Die gewaltige Hydraulik am Heck des Schiffs bewegt den sogenannten A-Rahmen (im Bordjargon "Heckgalgen") des gelben "LARS" (launch and recovery system) mitsamt dem quest erst in die Höhe und dann langsam in Richtung Heck.

Anh aus Vietnam bedient die Seilwinde, so dass immer genug Kabel nachgegeben wird. In der Heckposition verharrt der Quest für kurze Zeit und scheint vor dem Tauchgang noch einen letzten Blick auf die Meeresoberfläche zu werfen. Ein schwimmender Schwarm Eissturmvögel verfolgt das Schauspiel äusserst interessiert.

Dann fangen die Hydraulikpumpen der Polarstern wieder an zu arbeiten, die Seilwinde wird aktiviert. Der Quest wird ins Wasser gesetzt. Durch seinen roten Auftriebskörper schwimmt er jetzt wenige Zentimeter unter dem Meeresspiegel. Die horizontalen Thruster-Motoren werden gestartet, langsam bewegt sich der Quest weg vom Schiff. Noch einmal verharrt er kurz. Der Möwenschwarm beschliesst, sich davonzumachen. Dann werden die drei vertikalen Thruster-Motoren aktiviert und in einer Fontäne aus Schaum und Gischt verschwindet der Quest in Richtung Tiefe.

Ein beeindruckender Moment. Das Deck wirkt auf einmal sehr verlassen - stand der Quest doch von Anbeginn der Reise an seiner festen Position. Nun befindet er sich auf dem Weg in Richtung Meeresgrund. Im Kontrollcontainer, dem 'van', kann man nun das Schauspiel aus Sicht der diversen Quest-Kameras verfolgen. Ein tiefblaues Nichts, ab und zu eine rote Tiefseegarnele und viele Sinkstoffe ('marine snow'). Im Windenleitstand der Polarstern hat Marcel eine große Leinwand samt Beamer installiert, das 'Kino'. Dort können Interessierte das Video-Signal der diversen Kameras verfolgen. Das Kino ist auch spät in der Nacht noch gut besucht, knapp zwanzig Wissenschaftler sehen dem Quest bei seiner ersten Mission zu.

Der Tiefenmesser zeigt schon über 1000 Meter, die Winde gibt pro Minute ca. 20 Meter Stahlkabel ab. Nach einer Stunde ist der Quest auf dem Meeresboden in ca. 2100m Tiefe angekommen.

Nun beginnt die eigentliche Arbeit.