Morgen im Abendblatt: Exklusiv-Interview mit dem Herrn des Grünen Hügels: Was war mit Schlingensief? Sind die Festspiele zeitgemäß? Steht die Tochter in den Startlöchern?

Hamburg. In Bayreuth wird mit den diesjährigen Richard-Wagner-Festspielen ein Jubiläum begangen, das seinesgleichen sucht in der internationalen Theaterwelt: Im 55. Jahr leitet Wolfgang Wagner, der Enkel des Komponisten, dann die Festspiele. Seit er 1951 - damals noch gemeinsam mit seinem Bruder Wieland - das vieldiskutierte Neu-Bayreuth schuf, sind rund 1600 Vorstellungen unter der Leitung des mittlerweile 85jährigen über die Bühne der "Scheune" am Grünen Hügel gegangen.

In einem Exklusiv-Interview mit dem Abendblatt sprach Wagner jetzt über Wohl und Wehe des einzigen Musikfestivals in Deutschland von internationaler Bedeutung. Dabei ging er auf Bayreuther Standardthemen wie die Kartennachfrage ein, begründete die vergleichsweise niedrigen Eintrittspreise ("wenn wir die erhöhen, müssen die Sängergagen steigen"), sprach über das angebliche Hausverbot gegen den letztjährigen "Parsifal"-Regisseur Christoph Schlingensief ("dummes Zeug") und nahm zur Nachfolgefrage im Zusammenhang mit seiner Tochter Katharina Stellung. Und last but not least äußerte er sich zu der Hypothek, in einem Haus gelebt zu haben, in dem einst ein Adolf Hitler ein und aus ging.

Wolfgang Wagner wurde in den 30er und 40er Jahren bei dem Ausstatter und Regisseur Emil Preetorius und dem Dirigenten Heinz Tietjen ausgebildet. Nachdem seine Mutter Winifred, eine glühende Verehrerin Hitlers, nach Ende des Krieges nach einem Spruchkammerverfahren zur Entnazifizierung auf die künftige Leitung der Festspiele verzichtet hatte, war der Weg frei für ihn und seinen älteren Bruder Wieland (1917-1966). Diesen zitiert er jetzt im Abendblatt-Interview: "Die einzigen Politiker, die echt etwas für Bayreuth getan haben, waren zwei Irre: König Ludwig II. und Hitler."

Während Wieland als Regisseur in Bayreuth künstlerisch neue Maßstäbe setzte, konzentrierte sich Wolfgang zunächst auf die Organisation und die permanent schwierige Finanzierung. Er setzte sich für die Gründung einer Fördergesellschaft ein, die bis jetzt mehr als 30 Millionen Euro als Zuschüsse für den Festspielbetrieb sowie die Bau- und Sanierungsarbeiten spendeten. Beide Brüder vereinbarten, daß beim Tod des einen der andere die Festspiele allein leiten sollte.

Die Zukunft Bayreuths wurde 1973 mit der Gründung einer Stiftung langfristig gesichert, die für 12,4 Millionen Mark den Besitz der Familie Wagner (Festspielhaus, Villa Wahnfried etc.) erwarb. Im Vorstand der Stiftung sitzen neben Wolfgang Wagner je ein Vertreter Bayerns und des Bundes. Der Stiftungsrat hat 24 Stimmen, verteilt auf die Bundesrepublik und das Land Bayern mit je fünf Stimmen, die Familie Wagner (vier), die Stadt Bayreuth (drei), die Gesellschaft der Freunde, die Bayerische Landesstiftung und den Bezirk Oberfranken (je zwei) und die Oberfrankenstiftung (eine Stimme).

An Wolfgang Wagners Erfahrung und Fachwissen, gepaart mit fränkisch-beharrlichem Durchsetzungsvermögen, kam keiner vorbei: Der Stiftungsrat hat ihn auf Lebenszeit zum alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer 1986 gegründeten GmbH berufen, die das Festspielhaus mietet und das Festival veranstaltet.

An diesem Passus sind seither alle Versuche gescheitert, den Festspielchef abzulösen, und sei es nur aus Altersgründen. Über die Nachfolgefrage kam es zum Bruch nicht nur zwischen Wolfgang und Nike und Wolf-Siegfried, den Kindern Wielands, sondern auch mit der eigenen Tochter Eva und dem Sohn Gottfried aus Wolfgangs erster Ehe. Wagner favorisiert Katharina, seine jetzt 28jährige Tochter aus seiner Ehe mit Gudrun Mack, die sich ebenfalls die Festspielleitung zutraut. Wie auch immer: Das Festival kann nur dann von jemand anderem übernommen werden, wenn Wolfgang Wagner von sich aus zurückträte.