Abendblatt-Kulturchef Hans-Jürgen Fink berichtet für abendblatt.de aus ganz persönlicher Sicht vom alltäglichen Wahnsinn bei den Wagner-Festspielen aus Bayreuth.

Bayreuth. Andere Theater haben nur Klingelzeichen, in Bayreuth künden Fanfaren vom Ende der Pause. 15, 10 und 5 Minuten vor dem Beginn jedes Aktes treten acht Blechbläser von der Bühnen- und Pausenmusik – im dunklen Anzug und mit Krawatte, anders als ihre Kollegen im Orchestergraben – auf den Balkon des Königsportals und spielen ein Hauptmotiv des kommenden Aufzugs. Es gibt zaghaften bis kräftigen Applaus, vereinzelte Enthusiasten rufen sogar Bravos zum Balkon hinauf.

Beim erstenmal erklingt es einmal, dann zweimal. Die dreimalige Wiederholung fünf Minuten vor Torschluss hören sich nur noch wenige Festspielbesucher an. Dafür muss man entweder gute Nerven oder einen Platz weit am Rand haben. Früher wurden die Fanfaren einstimmig gespielt; inzwischen sind daraus hübsche mehrstimmige Arrangements geworden, an denen Korrepetitoren und die Musiker selbst gearbeitet haben. Der Bayerische Rundfunk hat die stimmungsvollen Pausenschnipsel – manchmal sind es nur zwei Takte – sogar aufgenommen für seine Radioübertragungen.

Kurt Förster (47) ist Posaunist und hauptberuflich im Philharmonischen Orchester Gießen. Seit zwanzig Jahren spielt er im Bayreuther Festspielorchester mit, bei der Bühnen- und Pausenmusik. „Wir sind ja die einzigen Musiker, die vom Publikum gesehen werden“, sagt er. Er und seine Kollegen treffen sich eine halbe Stunde vor Pausenende im Stimmzimmer, spielen die Fanfare noch einmal durch und gehen hinüber zum Festspielhaus. Kurz vor ihrem Auftritt müssen sie nicht selten neugierige Gäste vom Balkon komplimentieren. Da kann man auch schon mal hören: „Treten Sie bitte zurück, Herr Ministerpräsident!“

Aber selbst wenn der Vorplatz leer und der Zuschauerraum wieder voll ist: Zuviel freie Zeit haben die Musiker nicht: Bei der „Walküre“ ist Bühnenmusik dabei und wie bei der „Götterdämmerung“ für die Stierhörner zuständig, in den „Meistersingern“ für das Nachtwächterhorn – und auf der Festwiese. Im „Tristan“ sind sie ebenso gefordert wie beim „Parsifal“.

Ganz besonders ist für die Musiker immer das Walhall-Motiv, das zum Beginn des dritten Akts der „Götterdämmerung“ ruft. „Die Pause liegt ja ziemlich spät, es wird dann schon etwas dunkel – das wollen sich einfach viele nicht entgehen lassen.“ Und selbst einer, der das zwanzig Jahre mitspielt, kann da noch Gänsehaut bekommen.