Der diesjährige Überraschungsfilm, der traditionell erst während des Festivals bekannt gegeben wird, erzählt von einem Familiendrama in China.
Venedig. Gleich zwei asiatische Beiträge über tragische menschliche Schicksale sind am Dienstag beim Internationalen Filmfestival Venedig ins Rennen um den Goldenen Löwen gegangen. „Himizu“ des Japaners Sono Sion erzählt in eindringlichen Bildern von dem Leid der Menschen nach der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe, die das Land im März erschütterte. Der chinesische Beitrag „People Mountain People Sea“ ist ebenfalls ein Drama. Der Film wurde am Dienstag als diesjähriger Überraschungsfilm im Wettbewerb des 68. Filmfestivals vorgestellt. Das Werk handelt – inspiriert von wahren Begebenheiten – von einem Mann, der den von der Polizei ungestraften Mord seines Bruders rächen will.
„Himizu“ ist ein Spielfilm, in dem die fiktiven Sequenzen jedoch mit dokumentarischen Bildern ergänzt werden. Er zeigt erschütternde Szenen: Schutthaufen, kaputte Häuser, wie Spielzeuge umhergewirbelte Autos und Reste menschlichen Lebens so weit das Auge reicht. Nach dem Tsunami ist in diesem Teil Japans nichts mehr wie es vorher war. Auch für die Überlebenden nicht. Einer von ihnen ist der Schuljunge Sumida, der zu allem Unglück noch mit einem gewalttätigen Vater und einer Mutter klarkommen muss, die sich nicht um ihren Sohn kümmern will. Diese Last erträgt Sumida zuerst still, er bricht dann aber immer mehr zusammen.
Regisseur Sono Sion hatte eigentlich einen anderen Film geplant. Doch dann geschahen noch während der Vorbereitungsphase die Katastrophen, und der Filmemacher entschied sich eigenen Angaben zufolge, das Drehbuch zu verändern. „Ich wollte diese Realität unbedingt irgendwie in dem Film einfangen“, erklärt er im Presseheft. Es sei allerdings eine „sehr intensive und harte Erfahrung“ gewesen, den Film zu machen und mit Ereignissen zu verbinden, die zur selben Zeit vor seinen Augen passierten.
Der chinesische Beitrag „People Mountain People Sea“ des Regisseurs Cai Shangjun basiert ebenfalls auf wahren Begebenheiten. Vor einigen Jahren wurde laut den Produktionsnotizen in einer Provinz Chinas ein Mann umgebracht und der Täter identifiziert – doch der konnte fliehen und wurde nicht gefasst. „Wenn man von offiziellen Behörden keine soziale Gerechtigkeit erwarten kann, (...) musst du selber handeln, um Glück, Recht und Würde zu bekommen“, erklärte der Regisseur über seinen zweiten Spielfilm – den diesjährigen Überraschungsfilm.
Beim Festival Venedig wird traditionell ein Beitrag erst während des Filmfestes bekanntgegeben. 2006 gewann der Überraschungsfilm sogar den Hauptpreis: Der Goldene Löwe ging damals an „Still Life“ - der ein chinesischer Beitrag war.