Madonna stellt in Venedig ihren Film über Wallis Simpson und King Edward vor.
Venedig. Es ist erst ihr zweiter Film als Regisseurin – ihr Erstling war vor drei Jahren böse verrissen worden – und doch gehörte die Premiere zu den meist erwarteten Ereignissen der „Mostra“: Pop-Königin Madonna stellte in Venedig ihren Film „W.E.“ vor. Und diesmal gab es keine Buhrufe, sondern verhaltene Zustimmung bei der Kritik und offene Begeisterung beim Publikum. Vielleicht weil Madonna im Film von dem erzählt, wovon auch ihre Musik handelt – von Begegnung und Begehren, von Leidenschaft und dem Phänomen der Liebe in all seinen Schattierungen.
Der Titel „W.E.“ steht für die Initialen von Wallis und Edward. Es geht um die „größte Romanze aller Zeiten“, die Liebesgeschichte zwischen der geschiedenen Amerikanerin Wallis Simpson und dem britischen Thronfolger und kurzzeitigen König Edward VIII., der schließlich ihretwegen auf die Krone, all seine Macht und ein Leben im Buckingham Palace verzichtete. Warum er das getan habe, das habe sie schon immer interessiert, bekannte Madonna auf der Pressekonferenz in Venedig. Dass sie sich jedoch nicht mit Edward identifiziert, stellte sie sofort klar. Die Frage, ob sie selbst für „einen Mann oder eine Frau“ auf ihren Thron als Popkönigin verzichten würde, beantwortete Madonna gewohnt selbstbewusst: Sie glaube, sie selbst könne alles haben – Thron, Mann und Frau.
Ihr Film widmet sich denn auch weniger Edwards Perspektive als der von Wallis Simpson, die ausdrucksstark und zart von Andrea Riseborough gespielt wird. Sie habe kein herkömmliches Biopic drehen wollen, so Madonna, weshalb sie Wallis’ Seite der Geschichte nicht als durchgehende Erzählung schildert, sondern aus der Sicht einer New Yorkerin von heute wiedergibt. Die frühere Sotheby’s-Angestellte Walli (bestechend gespielt Abbie Cornish) hegt eine Faszination für Wallis und Edward und besucht täglich die Auktion, auf der Teile der Hinterlassenschaft versteigert werden.
Reich, aber unglücklich verheiratet, erkundet Walli in ihrer Identifikation mit Wallis die Licht- und Schattenseiten der Leidenschaft. Im Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit spiegelt der Film mit unverkennbarer Nähe zum Videoclip das verschiedene Schicksal zweier Frauen und zweier Liebesbeziehungen. Die historische Wallis Simpson gehört zu den eher ungeliebten Personen der Weltgeschichte. Madonna zeigt sie jedoch einmal nicht als verwöhnte und machtgierige Society-Löwin, sondern als kluge Aufsteigerin, die von ihrem ersten Ehemann geschlagen wurde und zu Edward eine echte Freundschaft entwickelt.
Den Behauptungen, sie und Edward hätten mit den Nazi sympathisiert, lässt Madonna in ihrem Film gleich mehrfach widersprechen. Auf die Frage, ob sie sie habe rehabilitieren wollen, antwortete Madonna nicht ganz direkt: Wallis Simpson sei oft auf wenige Zitate reduziert worden, sie habe ihr eine menschliche Dimension zurückgeben wollen. Man spreche stets darüber, was Edward aufgegeben habe, dass auch Wallis ihr ganzes bisheriges Leben geopfert habe, werde meistens übergangen.
Zum großen Kinoerfolg vom Anfang diesen Jahres, dem mehrfach oscargekrönten „The King’s Speech“ liefert Madonnas „W.E.“ auf diese Weise die perfekte Ergänzung. Wo in „The King’s Speech“ alle Sympathien auf Seiten des von Colin Firth gespielten stotternden Bruders lagen, der Edwards hingeschmissenen Job übernehmen muss, ruft „W.E.“ zum Mitgefühl für Wallis’ Schicksal auf. Die größte Romanze aller Zeiten zu erleben, war keineswegs eine Garantie auf das große Glück.
Dem Erfolg von „The King’s Speech“ sehe sie im Übrigen keinesfalls als Hindernis für ihren Film, eher im Gegenteil – dem Regisseur Tom Hooper habe sie eigens ihren Dank ausgesprochen, sagte Madonna. Schließlich habe er ihrem Film auf ganz wunderbare Weise den Weg bereitet. Nun wisse das Publikum bereits, wer des Königs Bruder, wer dessen Ehefrau und wer dessen Mutter sei, was den Einstieg doch sehr erleichtere.