Das erste Wochenende bei den 68. Filmfestspielen von Venedig stand im Zeichen der Auftritte zahlreicher Stars, die ihre neuen Filme präsentierten.
Venedig. Für die Ausbreitung eines leicht übertragbaren Virus’ bietet ein Internationales Filmfestival beste Voraussetzungen: Tausende Besucher sitzen regelmäßig eng zusammen, husten sich an und verschwinden nach einigen Tagen wieder in unterschiedliche Länder. Kein Wunder, dass der Wettbewerbsbeitrag „Contagion“ da so manchen Besucher unruhig werden ließ. Schließlich ging es in dem Werk von Steven Soderbergh um genau so ein Virus, das innerhalb kürzester Zeit weltweit unzählige Menschen tötet. Das wirkt durchaus realistisch, verzichtet der US-Regisseur („Erin Brockovich“, „Ocean’s Eleven“) doch auf actionlastige Panikmache, sondern erzählt von einem komplexen Zusammenspiel zwischen Wissenschaftlern, Politikern, Pharmaunternehmern und normalen Bürgern. Gwyneth Paltrows Charakter erwischt es dabei als erstes, schon bald bricht sie mit Schaum vorm Mund zusammen. Ihr Mann (Matt Damon, der übrigens für einen neuen Film mit Glatze zur Premiere kam) muss hilflos mit ansehen, wie die Welt um ihn herum zusammenbricht.
„Alle Anzeichen für die Krankheit sollten stimmig sein“, erklärte Soderbergh. Es sei ihm wichtig gewesen, dass die Szenen nicht übertrieben, sondern „realistisch und plausibel“ dargestellt wurden. Und so lässt er Kate Winslet als Medizinerin das Virus erforschen, Marion Cotillard als Mitarbeiterin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Ursprung des Virus’ nach Asien reisen und Jude Law als investigativen Journalisten Kritik am Vorgehen der Pharmaunternehmen und der Politik üben. Während Soderbergh dabei allerdings zu beobachtend bleibt und Zuschauer damit auf Distanz und etwas unberührt lässt, versuchte Hollywoodstar Al Pacino einen sehr persönlichen Ansatz. In seiner Dokumentation „Wilde Salome“, die außer Konkurrenz lief, ist er nicht nur selber bei den Proben zu Oscar Wildes Stück „Salome“ zu sehen, sondern begibt sich auch auf die Suche nach den Parallelen zu Wildes Leben. „Ich wollte eine Collage machen und verschiedene Dinge zusammenfügen“, erklärte der 71-Jährige am Sonntag. Dabei habe er unter anderem über Oscar Wildes Leben reflektieren wollen.
Eine Liebeserklärung ganz anderer Art war der französische Wettbewerbsbeitrag „Poulet aux prunes“. In märchenhaft-verspielten Bildern erzählt die gebürtige Iranerin Marjane Satrapi zusammen mit Vincent Paronnaud von einem unglücklichen Musiker („James Bond“-Bösewicht Mathieu Amalric), der Ende der 1950er Jahre in Teheran lebt. Dabei verbindet Satrapi sein Schicksal mit dem des Iran, erzählt von den politischen Umbrüchen, Vertreibungen und der Sehnsucht vieler Exiliraner nach ihrer Heimat. Wie schon in ihrem Debüt, dem Animationsfilm „Persepolis“, ist das kunstvoll inszeniert, humorvoll und tragisch zugleich.
Auch die Bilder in „Shame“ wirken häufig wie traumhaft schöne Gemälde, immerhin wurde der Film von dem Künstler Steve McQueen gedreht. Dabei ist das Werk mit seiner Essenz, das jeder Mensch nicht nur Sex, sondern auch Liebe braucht, nicht wirklich innovativ. Und doch könnte der Film um einen verlorenen jungen Mann in New York Ende der Woche mit einem der Hauptpreise ausgezeichnet werden: Der in Deutschland geborene Michael Fassbender, bekannt aus „Inglourious Basterds“ und schon in dem Venedig-Wettbewerbsbeitrag „A Dangerous Method“ über Sigmund Freud zu sehen, begeisterte als gebrochener Charakter, der nach seinem Glück im Leben sucht. Von vielen Kritikern wurde er am Sonntag jedenfalls schon euphorisch gefeiert.