Streit um das Gymnasium: Die Volksinitiative “Wir wollen lernen“ lehnt wesentliche Teile des Schulgesetzentwurfs der Bürgerschaft ab.
Hamburg. Die Volksinitiative "Wir wollen lernen" lehnt wesentliche Teile des Schulgesetzentwurfs der vier Bürgerschaftsfraktionen ab. Ob es doch noch zu einer Einigung zwischen den Primarschulgegnern und den Abgeordneten kommt, wird sich voraussichtlich erst heute bei einem weiteren Treffen entscheiden. Die Zeit drängt: Am Mittwoch wollen CDU, SPD, GAL und Linke ihren Gesetzentwurf, mit dem die Konsequenzen aus dem Volksentscheid gegen die Primarschule gezogen werden sollen, in der Bürgerschaft einbringen und auch gleich beschließen.
Auf Kritik der erfolgreichen Volksinitiative stößt die Definition des Bildungsauftrags des Gymnasiums, den die vier Fraktionen nicht verändern wollen. Danach soll es dabei bleiben, dass Stadtteilschule und Gymnasium wortgleich ihren Schülern "eine grundlegende und vertiefte allgemeine Bildung" vermitteln sollen. Die Initiative um den Rechtsanwalt Walter Scheuerl fordert dagegen, dass das Gymnasium ausschließlich "eine vertiefte allgemeine Bildung" anbietet - in Abgrenzung zur Stadtteilschule. Die Abstufung zwischen "grundlegend" und "vertieft" galt im alten Schulgesetz bis Oktober 2009.
Außerdem lehnt "Wir wollen lernen" die im Gesetzentwurf vorgesehene Abschaffung der Beobachtungsstufe (Klassen 5 und 6) an Gymnasien ab. Scheuerl beruft sich darauf, dass die Hamburger per Volksentscheid entschieden haben, die Gymnasien "in der bisherigen Form" zu erhalten. Bislang ist es so, dass am Ende der Beobachtungsstufe mit der Versetzung nach Klasse sieben entschieden wird, ob ein Kind auf dem Gymnasium bleiben darf oder die Schule verlassen muss.
Hinter dem Streit über die Beobachtungsstufe stehen unterschiedliche Auffassungen über die Aufgabe des Gymnasiums. Die Bürgerschaftsfraktionen wollen den vorläufigen Charakter des Gymnasialbesuchs in den Klassen 5 und 6 nicht mehr betonen. Dahinter steht der Anspruch, dass die Gymnasien im Wesentlichen mit ihrer Schülerschaft "klarkommen" müssen. Andererseits: Die Versetzung nach Klasse 7 soll auch in Zukunft nach dem Willen der Bürgerschaft darüber entscheiden, ob ein Kind auf dem Gymnasium bleiben darf oder nicht.
Umstritten ist auch die geplante Regelung, die Schullaufbahn-Empfehlung am Ende von Klasse 4 abzuschaffen. An ihre Stelle soll laut Gesetzentwurf eine "verpflichtende eingehende fachlich-pädagogische Beratung" treten, auf deren Basis die Eltern dann über den Besuch der weiterführenden Schule entscheiden. Hier geht es mehr um einen Detailstreit: In beiden Fällen bleibt das Elternwahlrecht garantiert.
Darüber hinaus kritisiert die Volksinitiative, dass mit der Novelle auch Bestimmungen verändert werden sollen, die nicht Gegenstand des Volksentscheids waren. Dazu zählt die Erlaubnis zu sogenannten "Langformen" aus Grund- und Stadtteilschulen.
Möglicherweise wird die für morgen geplante Änderung des Schulgesetzes juristisch vereitelt. Heute entscheidet das Hamburgische Verfassungsgericht über einen Eilantrag der drei Reformbefürworter, die den Volksentscheid für verfassungswidrig halten. Die drei wollen mit ihrem Antrag verhindern, dass unabänderliche Fakten geschaffen werden.