Schwarz-Grün ist in der Hansestadt demonstrativ um Geschlossenheit bemüht. Dennoch soll das Bündnis grundsätzlich überprüft werden.

Hamburg. Nach dem angekündigten Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und dem Scheitern der Hamburger Schulreform hat sich die schwarz-grüne Regierungskoalition in der Hansestadt am Montag demonstrativ um Geschlossenheit bemüht. Führende Vertreter von CDU und Grünen (GAL) stärkten Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) bei einem gemeinsamen Auftritt vor Journalisten den Rücken und lehnten deren Rücktritt ab. „Frau Goetsch macht eine ausgezeichnete Arbeit“, sagte CDU-Fraktions- und Parteichef Frank Schira.

Bei dem verlorenen Volksentscheid zur Schulreform sei eine „Sachfrage“ entschieden worden, es sei aber keine Abstimmung über die schwarz-grüne Regierung gewesen, betonten Schira und GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Goetsch sagte, sie werde trotz der Niederlage weitermachen. Die Hamburger Regierung befinde sich momentan „in schwerer See“, da könne sie nicht einfach „das Schiff verlassen“.

Ob die schwarz-grüne Koalition nach dem für den 25. August angekündigten Rücktritt von Beusts fortgesetzt werden soll, ließ Kerstan aber ausdrücklich offen. Am 22. August werde eine Mitgliederversammlung seiner Partei über das Thema entscheiden, sagte der GAL-Fraktionschef. Es gebe auch nach dem Scheitern der Schulreform noch viele grüne Projekte, die es umzusetzen gelte. Bedingung sei aber, dass die CDU auch unter dem designierten Bürgermeister Christoph Ahlhaus den liberalen Kurs der vergangenen Jahre fortsetze und zum Koalitionsvertrag stehe.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir will nach der Rücktrittsankündigung von Hamburgs Regierungschef Ole von Beust (CDU) das schwarz-grüne Bündnis an der Elbe allerdings grundsätzlich überprüfen. „Das schwarz-grüne Schiff liegt jetzt sozusagen im Trockendock in Hamburg“, sagte Özdemir in Berlin. „Wir werden auch die Gelegenheit nutzen, uns den Rumpf sehr genau anzuschauen, ob er für die restlichen zwei Jahre dieser Legislaturperiode hält.“ Eine Absage an Schwarz-Grün wollte Özdemir nicht erteilen. „Wenn der Kapitän müde ist und sagt, er möchte abgelöst werden, dann versenkt man das Schiff nicht, sondern schaut sich den an, der neuer Kapitän werden möchte.“ Eine Neuausrichtung des Kurses der Offenheit gegenüber möglichen Bündnispartnern stehe nicht an: „Der Kurs der Eigenständigkeit hat sich bewährt.“

Der verlorene Volksentscheid für eine Schulreform wertete Özdemir als „bittere Niederlage“. Es habe Mobilisierungsprobleme gegeben, die Sorgen und Ängste vieler Eltern seien unterschätzt worden. Dies liege aber nicht an Schwarz-Grün, zumal auch Opposition und Verbände dafür gekämpft hätten. Der Grünen-Chef gab sich kämpferisch. Das Thema gemeinsames Lernen bleibe auf der Tagesordnung. „Überall wo man die Grünen in der Regierung möchte, werden wir beim Bildungsthema Druck machen, weil es um die Kinder geht.“ Auch an den Forderungen nach mehr direkter Demokratie ändere sich nichts. „Das gehört zur Demokratie dazu, dass man verlieren können muss.“

Scholz (SPD): Beust hat viele Hamburger düpiert

Nach Ansicht des SPD-Landesvorsitzenden Olaf Scholz hat Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) mit seiner Rücktrittsankündigung viele Menschen in der Hansestadt düpiert. Viele hätten bei der vergangenen Bürgerschaftswahl nur seinetwegen die CDU gewählt, sagte Scholz am Montag. Nun könne die Partei nicht einfach mit einem neuen Bürgermeister weitermachen. Auch die Hamburger GAL – der grüne Koalitionspartner der CDU – dürfte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, meinte Scholz. Der SPD-Landesvorsitzende bekräftigte seine Forderung nach Neuwahlen.

Dem widersprach Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der ebenfalls der SPD angehört. Der Politiker lehnte Neuwahlen ab. Zugleich bedauerte von Dohnanyi den Rücktritt Ole von Beust, zeigte aber Verständnis. „Herr von Beust war ein ganz ausgezeichneter Bürgermeister und ein Mann mit großem Mut und jemand, den ich eigentlich immer sehr bewundert habe, weil er wirklich mit Klarheit und Mut eine gute Politik gemacht hat“, sagte von Dohnanyi am Montag dem Fernsehsender Phoenix. Dohnanyi bewertete den Zeitpunkt des Rücktritts als unglücklich. „Aber ich verstehe ihn, wenn er sagt, mein Nachfolger soll die Chance haben, sich einzufinden auch für die nächste Wahl im Jahr 2012."

Das sagen Hamburger zum Rücktritt Ole von Beusts

"Das ist ja mal krass!", ruft Clara Schumann halb entsetzt und halb verwundert aus. Die 25 Jahre alte Psychologiestudentin aus dem Stadtteil Rotherbaum hockt auf einer Wiese am Allende-Platz, eigentlich, um zu lernen. Doch jetzt braucht sie erst einmal ein Päuschen. Jetzt, nachdem sie soeben erfahren hat, dass Ole von Beust (CDU) als Hamburgs Erster Bürgermeister zurückgetreten ist. "Mit ihm geht ein wichtiger Mann für Hamburg", sagt Schumann bedächtig.

Ihrer Wahrnehmung nach, ergänzt sie, habe von Beust in der Hansestadt eine "sehr dominante Rolle" gespielt. Ihr gleichaltriger Kommilitone Max Birnbaum, ebenfalls aus Rotherbaum, gibt sich von dem Bürgermeister-Rücktritt genauso überrascht: "Man hat die letzten Tage ja viel gehört", sagt er, "aber ich dachte, dass von Beust höchstens eine Finte legen würde, um die Leute dazu zu bringen, für die Schulreform zu stimmen ..." Eine Beurteilung wollen sich die beiden Studenten noch nicht erlauben: "Was wir von diesem Rücktritt halten sollen", sind sie sich einig, "das müssen wir uns erst noch überlegen."

+++ Umfrage: Sind Sie der Meinung, dass es Neuwahlen geben sollte? +++

Maria Bazarnicki hingegen hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: "Das ist feige und eines Politikers nicht würdig!", schimpft die 61 Jahre alte Winterhuder Versicherungsangestellte aus ihrem Schrebergarten heraus. "Ole von Beust hätte 2008 nicht zur Wahl antreten sollen, wenn er nun nicht bereit ist, seine volle Amtszeit auszufüllen." Bazarnickis Ansichten sind in Sachen Bürgermeister-Abgang also klar und deutlich - kontra von Beust, wohlgemerkt. Anders sieht das im Beach-Club Hamburg del Mar an den Landungsbrücken aus, hier gibt es mehrheitlich Bedauern über den Schritt des CDU-Politikers.

+++ Die Rücktrittserklärung von Ole von Beust +++

Zwar wollen die Beach-Club-Gäste eher die Seele baumeln lassen, statt über Politik zu diskutieren. Aber die Nachricht vom Bürgermeister-Rücktritt, sie lässt auch hier bei sommerlichen 30 Grad niemanden kalt. "Es ist traurig, dass er keinen Bock mehr auf seinen Job hatte. Eigentlich war ich mit seiner Arbeit immer zufrieden", sagt etwa Volker Artschwager aus Harburg. Seine Frau Irene ergänzt: "Die haben doch keinen vernünftigen Ersatz für Ole von Beust."

+++ Porträt: Christoph Ahlhaus - der designierte Nachfolger +++

Wenige Meter weiter sitzt eine junge Frau, die dem designierten neuen Bürgermeister eine schwere Zukunft vorhersagt: "Christoph Ahlhaus hat nicht die Sympathiewerte, die Ole von Beust genießt. Er wird es schwer haben." Doch auch hier zwischen Sand und Liegestühlen passt der Rücktritt nicht jedem. Ein Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, reagiert recht emotional: "Ich bin enttäuscht. Nur Verlierer treten zurück. Solche Menschen liegen mir nicht, ich mag Siegertypen."

+++ Zitate von Hamburgern zum Rücktritt des Bürgermeisters +++

Szenenwechsel: Einige Kilometer weiter im Hauptbahnhof ist der Rücktritt in der kleinen Bierbar "Small Talk" Gesprächsthema: "Der war klasse. Immer für die Bürger da. Da haben sie echt einen guten verloren", sagt eine Reisende und nippt am frisch gezapften Pils. Auch Marlies Behrndt, die hier mit Blick auf die Gleise seit zehn Jahren hinter der Theke steht, ist ein "Ole-Fan": "Den Ole hätte ich gerne behalten. Ich mag seine offene Art. Ich bin gespannt, wie das jetzt weitergeht mit der schwarz-grünen Koalition." Diese Frage stellen sich viele Bürger, das wird auch hier im hektischen Treiben des Hauptbahnhofs deutlich: "Er hat einen guten Job gemacht und hinterlässt eine große Lücke. Sein Nachfolger wird an ihm gemessen werden", sagt ein junger Mann.

Auch in der U1 in Richtung Norderstedt macht das Wort vom soeben zurückgetretenen Bürgermeister die Runde. Ein älteres Ehepaar freut sich über das Ende der Ära von Beust: "Das wurde aber auch Zeit. Christa Goetsch müsste eigentlich auch weg", sagt der Rentner. Im nächsten Waggon sieht's anders aus: "Sein Rücktritt ist konsequent, aber schade. Er war ein guter Bürgermeister", sagt Enrico Schmidt aus Eilbek.

Noch mal zurück auf den Campus. Hier sitzen die beiden befreundeten Rechtsanwälte Alexis Daranyi, 29, aus der Neustadt und Cornelius Overath, 30, aus Rotherbaum beieinander und sagen einmütig: "Dieser Rücktritt hat den Anschein, leichtfertig und aus einer bloßen Laune heraus beschlossen worden zu sein", meinen die zwei Männer. Overath ergänzt: "Mir fehlt an Ole von Beust nun das, was man als gute alte deutsche Tugend bezeichnet: Durchhaltevermögen." Daranyi fügt hinzu: "Dieser Schritt von Beusts wirft kein gutes Licht auf die Politik."

Unweit der beiden Rechtsanwälte liegen noch immer Clara Schumann und Max Birnbaum auf der Wiese, fleißig dabei, den Stoff für ihre Klausur zu lernen. Klar, bewegt der mehr oder minder plötzliche Rücktritt von Hamburgs Erstem Bürgermeister die Studenten wie viele andere Menschen in der Hansestadt und darüber hinaus. Doch klar ist auch: Das Leben geht weiter, manches ist nach kurzem Nachdenken zumindest im Kleinen wichtiger - wie das Pauken für die Semesterprüfungen.