Der Beginn des neues Schuljahres bedeutet das Aus für Haupt-, Real- und Gesamtschulen. 100 zusätzliche Lehrer werden eingestellt.
Hamburg. Nach dem Aus für die Primarschule richtet sich das Augenmerk auf die neuen Stadtteilschulen , die zum Beginn des Schuljahres morgen ihre Arbeit aufnehmen. Bereits jetzt gibt es an 41 der 51 Standorte eigenständige Oberstufen oder Oberstufen-Kooperationen, sodass ein direkter Weg zum Abitur möglich ist. An zwölf Stadtteilschulen werden neue eigenständige Oberstufen mit Jahrgangsstärken von bis zu 90 Schülern eingerichtet. Darauf hat Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) gestern hingewiesen.
Stadtteilschulen gehen aus den bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie den Aufbaugymnasien hervor. An 18 Standorten, die bislang Gesamtschulen waren, bleiben die eigenständigen Oberstufen erhalten. An weiteren elf Stadtteilschulen, die aus Gesamtschulen hervorgehen, wird es wie bislang Oberstufen-Kooperationen geben.
Nach Angaben von Goetsch starten zehn Stadtteilschulen ohne eigenes Oberstufenangebot, drei von ihnen planen es für das nächste Schuljahr. Bei den Stadtteilschulen ohne direkten Weg zum Abitur handelt es sich um Fusionen aus bisherigen Haupt- und Realschulen. "Wir müssen dafür sorgen, dass auch diese Stadtteilschulen so attraktiv werden, dass die Schülerzahlen für eine eigene Oberstufe ausreichen", sagte Goetsch. Chancen sieht die Senatorin in Stadtteilen wie Rahlstedt, wo es bislang kein Gesamtschulangebot gab.
In den Verhandlungen zwischen dem schwarz-grünen Senat und der Opposition über einen Schulkonsens im Frühjahr hatte vor allem die SPD darauf gedrängt, dass die Stadtteilschulen eigene Oberstufen mit der direkten Möglichkeit zum Abitur erhalten. Nur so sei gewährleistet, dass die neue Schulform von Eltern als attraktive Alternative zu den beliebten Gymnasien wahrgenommen und angewählt werde.
Unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids über die Primarschule wird das Büchergeld, das Eltern bislang zahlen mussten, mit Beginn des Schuljahres, wie von SPD und Linken durchgesetzt, abgeschafft. Schulamtsleiter Norbert Rosenboom ist sich sicher, dass Aktualität und Erhaltungsstand der Schulbücher trotzdem gehalten werden können. "Wir werden darauf achten. Es ändert sich ja nur die Finanzierung, die künftig wieder aus dem Haushalt erfolgt", sagte Rosenboom.
+++ Jedes siebte Schulkind frühstückt nicht +++
Auch der teuerste Posten des parteiübergreifenden Schulkonsenses, mit dem die Primarschule eigentlich durchgesetzt werden sollte, hat trotz der Niederlage der Parteien beim Volksentscheid Bestand: Die Klassengröße in den Grundschulen wird auf 23 Kinder begrenzt, an Standorten in sozialen Brennpunkten auf nur 19 Jungen und Mädchen. Den Anfang machen im neuen Schuljahr die ersten Klassen.
Es ist vor allem die Verringerung der Klassengrößen, die die Einstellung zusätzlicher Lehrer erforderlich macht. Voraussichtlich wird der Personalbestand im Laufe dieses Jahres die 16 000-Marke knacken. Zum 31. Dezember 2009 waren 15 873 Lehrer (2008: 15 486) im Hamburger Schuldienst tätig. Zum Schuljahresbeginn werden 585 Lehrer neu eingestellt. Ihnen stehen 484 Pensionierungen im abgelaufenen Schuljahr gegenüber. Zum 1. November sind rund 176 weitere Einstellungen geplant.
Zum Start ins neue Schuljahr werden 15 neue Ganztagsgrundschulen eingerichtet. Elf weitere Standorte sollen im Schuljahr 2011/12 folgen. Neu ist auch das Konzept "Individuelle Förderung statt Klassenwiederholung", das zunächst in den Stufen 4 und 7 startet. Wenn ein Schüler die Anforderungen in einem oder mehreren Fächern nicht erfüllt, wird eine Lern- und Fördervereinbarung zwischen Schule und Schüler geschlossen. Bis zur zehnten Klasse soll es in Zukunft kein Sitzenbleiben und keine Umschulungen mehr geben.
+++ So stimmten Ihre Nachbarn beim Volksentscheid +++
Erstmals haben Eltern das uneingeschränkte Recht, ihr Kind auf einer Regelschule anzumelden, wenn es sonderpädagogischen Förderbedarf hat. Im kommenden Schuljahr haben sich Eltern von 746 Erst- und Fünftklässlern für diesen Weg entschieden, den das neue Schulgesetz eröffnet. Die Kinder sind verteilt auf 79 Schulen - darunter zehn Gymnasien -, die dafür zusätzliches Personal erhalten. Wie im Rahmen der Schulreform geplant, wird Englisch ab Klasse 1 vom neuen Schuljahr an flächendeckend eingeführt.
Walter Scheuerl, der Motor der Volksinitiative gegen die Schulreform, hat die Elternräte von sogenannten Fusionsschulen aufgefordert, eine Rücknahme dieser Zusammenschlüsse zu beschließen. "Es ist überflüssig und unsinnig, darauf zu beharren, 100 Grundschulstandorte zu 50 Doppelschulen zu fusionieren, wie Frau Goetsch es trotz des Ausgangs des Volksentscheids will", sagte Scheuerl.
Schulsenatorin Goetsch blieb gestern bei ihrer Linie: Die Deputation habe im Juni die Fusionen beschlossen, diese müssten nun umgesetzt werden. "Erst einmal starten alle Schüler an den Schulen, an denen sie angemeldet waren", sagte Goetsch. Im Laufe des Schuljahres solle an den einzelnen Standorten entschieden werden, wie es weitergehe. Der SPD-Schulpolitiker Ties Rabe warf Goetsch vor, bei den Streitpunkten Fusions- und Starterschulen "mit dem Kopf durch die Wand" zu wollen.