Bei dem Volksentscheid können die Hamburger entscheiden, ob sie für eine sechsjährige Primarschule sind oder, ob alles beim Alten bleibt.
Hamburg. Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat davor gewarnt, den Volksentscheid zur Schulreform am 18. Juli für eine Generalabrechnung mit der Politik zu nutzen. „Die Zukunft der Kinder (...) ist zu wichtig, um hier ein Scheingefecht „die da unten, die da oben“ zu inszenieren“, sagte Beust am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg. In vielen Bereichen möge ein solches Verhalten durchaus gerechtfertigt sein. „Aber wer die Schulreform (...) nutzt als Vehikel, Menschen zu instrumentalisieren in ihrer Skepsis gegen Politik generell, der handelt in großem Maße verantwortungslos.“
Hamburgs Landesabstimmungsleiter Willi Beiß forderte unterdessen jene Hamburger auf, sich bei den zuständigen Stellen zu melden, welche die Abstimmungsunterlagen noch nicht zugeschickt bekommen haben. Eigentlich sollten sie bis vergangenen Sonnabend alle Haushalte erreicht haben. Bei dem Volksentscheid in rund sechs Wochen können die Hamburger entscheiden, ob sie - wie von allen Parteien in der Bürgerschaft beschlossen - für eine sechsjährige Primarschule sind oder aber, ob sie - wie es die Initiative „Wir wollen lernen“ fordert - die Kinder weiter nach der vierten Klasse auf die weiterführenden Schulen verteilen wollen. Die Wahlberechtigten können jederzeit per Post abstimmen. Die Zahl der eingehenden Stimmzettel wird laut Beiß von Dienstag an täglich im Internet veröffentlicht.
+++ Schüler demonstrieren für die Primarschule +++
Beust und Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) warben bei der Podiumsdiskussion im Thalia Theater erneut für die Schulreform. „Jedes Kind muss durch die Schule die Chance kriegen, aus seinem Leben etwas zu machen. Das nenne ich Chancengleichheit“, sagte Beust. Und genau dies sei bei einem längeren gemeinsamen Lernen schlicht besser zu erreichen als bei nur vierjährigen Grundschulen. Eine Benachteiligung der besseren Schüler sieht er nicht. Untersuchungen zeigten, dass die Chance für gute Schüler, Vorbild zu sein und andere anleiten zu können, für die persönliche Entwicklung sehr hilfreich sei, sagte Beust.
Der Bürgermeister betonte, anders als noch vor einigen Jahrzehnten habe ein Jugendlicher heute ohne Abschluss auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr. Dies könne sich Deutschland aber nicht leisten. „Die Frage guter Ausbildung ist nicht nicht nur eine moralische, nicht nur eine gesellschaftspolitische Frage, sondern mindestens genauso eine ökonomische Frage“, sagte Beust. Wer Wachstum haben wolle, benötige gut ausgebildete Mitarbeiter. „Und die kriegen Sie durch längeres gemeinsames Lernen besser, als wenn Sie nach vier Jahren trennen. Davon bin ich überzeugt.“
+++ Volksentscheid zur Schulreform: Der Hamburger Klassenkampf +++
Beust versuchte, besorgten Eltern die Angst vor der Reform zu nehmen. Längeres gemeinsames Lernen sei keineswegs neu, sei längst europäischer Standard und auch in den USA und China gang und gäbe, sagte er: „Wir dürfen da in Deutschland nicht hinterherhinken.“ Vorwürfe der Reformkritiker, Hamburg verschleudere wegen der Schulreform zig Millionen Euro, wies er zurück. „Wer behauptet, wenn man mehr Geld für gute schulische Bildung ausgibt, das Geld sei verballert, der weiß nicht, was in Deutschland wichtig sein wird in den nächsten Jahren.“
Dohnanyi nannte die Initiative „Wir wollen lernen“ um den Anwalt Walter Scheuerl „rückwärtsgewandt“. „Das sind keine Menschen, die es gelernt haben, wirklich nach vorne zu blicken.“ Den Hamburgern müsse aber klar werden, dass die Reform „ein Weg der Vernunft, ein Weg der Gerechtigkeit, und wenn Sie so wollen, gegenüber den Kindern auch ein Weg der Liebe ist“.