Laut Polizei gingen 4500 Jugendliche auf die Straße. Reformgegner Walter Scheuerl: Das bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Hamburg. Der Lärm ist fröhlich, aber ohrenbetäubend. Mit Tröten, Plakaten und richtig guter Laune trafen sich gestern Tausende Schüler vor dem Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof. Sie demonstrierten für die Einführung der Primarschule, für kleinere Klassen und die Abschaffung von Büchergeld und Sitzenbleiben. "Das ist die erste Schülerdemo, die Pläne des Senats unterstützt", sagt Katharina Lukas, 16, von der Schülerkammer Hamburg. Das Gremium hatte den Protestzug mit einem Aktionsbündnis verschiedener Jugendparteien initiiert.
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Die meisten Schüler tragen rote T-Shirts, die mit weißer Aufschrift verkünden: "Es geht um uns. Ja zur Schulreform". 5000 Shirts wurden von einem Helferteam verteilt, für das sich rund 80 Schüler freiwillig gemeldet hatten. So wie die 16-jährige Lisa. "Ich helfe mit, weil ich dadurch die Reform unterstützen kann", sagt die Schülerin des Gymnasiums Ohmoor. "Die Primarschule ist wichtig, weil man nach der sechsten Klasse die weitere Entwicklung eines Schülers besser einschätzen kann. Dadurch bekommen gerade Migrantenkinder bessere Chancen." Diese Meinung spiegeln auch die Transparente und Plakate der anderen Jugendlichen wider. "Bildung für alle" ist da zu lesen, oder "Alle Kinder wollen lernen".
Um elf Uhr brechen die Schüler vom Besenbinderhof Richtung Jungfernstieg auf. Vorneweg fährt ein Polizeibus mit Blaulicht. Ihm folgen Dutzende Schüler in pinkfarbenen Pappwürfeln, die mit Werbeplakaten für die Schulreform beklebt sind. Weiter hinten, mitten im dichtesten Pulk, eine fahrende Bühne. Die Schülerbands The No Names, The Fly und Redner aus der Schülerkammer bringen die jugendlichen Demonstranten in Stimmung. Ordner sorgen dafür, dass sich die Jugendlichen nicht zerstreuen. Im 200-köpfigen Team sind viele ältere Gewerkschaftsmitglieder. "Ordner müssen über 18 Jahre alt sein. Ich mach hier halt den Job, den viele der Schüler nicht machen können", sagt Frank Teichmüller, 67, von der IG Metall. Auch inhaltlich steht er aufseiten der demonstrierenden Schüler: "Meine Söhne haben auf einer Gesamtschule Abitur gemacht, weil sie nach der vierten Klasse noch zu verspielt fürs Gymnasium waren."
"Wir sind hier, weil wir kleinere Klassen wollen. Dann können wir besser lernen und kriegen mehr Unterstützung von den Lehrern", sagen Justus und Enno, beide elf, von der Gesamtschule Blankenese.
Die beiden Jungen und etwa 200 Mitschüler werden von den Schulsprechern Jatayu, 19, und Kaspar, 18, begleitet. "Wir waren Spätzünder und wären nach der vierten Klasse auf einem Gymnasium gescheitert", sagen die beiden, die im nächsten Jahr Abitur machen. Angelika Folkner, Lehrerin an der Staatlichen Fachschule für Sozialpädagogik, hat den Unterricht für ihre 20 Schüler heute auf die Demo verlegt. "Längeres gemeinsames Lernen ist vom sozialpädagogischen Standpunkt aus besonders wichtig", sagt sie. "Kinder werden oft zu früh aussortiert."
Der Protestzug zieht durch die Mönckebergstraße. Viele Passanten bleiben stehen und gucken zu. Auch die Menschen, die wegen der Demo lange auf ihren Bus warten müssen, scheinen Verständnis zu haben. Am Jungfernstieg lassen sich die Schüler auf der gesperrten Straße nieder, hören Musik von den The Killjoys und Reden der Aktionsbündnispartner. "Versucht, eure Eltern und Bekannten von der Reform zu überzeugen", bittet Schülerkammer-Vorstand Frederic Rupprecht.
Während die Polizei von 4500 Teilnehmern ausgeht, sind es nach Schätzungen der Veranstalter knapp 6000. "Das bleibt hinter den erwarteten 10 000 weit zurück und zeigt, dass sich Schüler nicht von den Reformbefürwortern instrumentalisieren lassen", sagt Walter Scheuerl von den Reformgegnern "Wir wollen lernen". Unterdessen beklagt er erneut die Zerstörung von 40 Plakaten seiner Initiative und betont: "Die Plakate der Reformbefürworter wurden nicht von Anhängern unserer Initiative zerstört."