Der Senat ist mit seinem Plan gescheitert, die sechsjährige Primarschule in Hamburg einzuführen. So geht es mit dem Schulsystem weiter.

Hamburg. Hamburg hat sich entschieden. Kurz nach 22 Uhr am Sonntagabend stand fest: Die Initiative "Wir wollen lernen" hat ihr Ziel erreicht, die vom schwarz-grünen Senat geplante sechsjährige Primarschule wird nicht eingeführt. Dem vorläufigem amtlichen Endergebnis zufolge stimmten 276.304 Wahlberechtigte für die Vorlage der Initiative, für den Antrag der Bürgerschaft 218.065. Die Primarschule war das Herzstück der von Schulsenatorin Christa Goetsch geplanten Schulreform . Das Hamburger Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen: Wie geht es jetzt weiter?

Wie geht es mit der Primarschule weiter?

Gar nicht: Es bleibt bei der vierjährigen Grundschule. Allerdings gibt es derzeit eine gültige Standortplanung nur auf Basis der sechsjährigen Primarschule. Konkret heißt das: Zum 1. August werden in Hamburg 164 Primarschulen gegründet, davon 107 an einem Standort und 57 an mehreren Standorten. In den meisten Fällen werden Grundschulen in Primarschulen umgewandelt. Eine Reihe von kleineren Standorten müssen fusionieren, andere – betroffen sind vor allem die bisherigen Gesamtschulen – werden in Primar- und Stadtteilschulen geteilt. Dieses muss dann rückgängig gemacht werden. Konkret bedeutet das: Die Schulbehörde muss schnellstmöglich einen neuen Schulentwicklungsplan vorlegen.

+++ Der Liveticker zum Wahlabend +++

Gibt es jetzt gar keine fünften Klassen an Primarschulen?

Nach den Sommerferien werden an 24 sogenannten Starterschulen die ersten Fünftklässler länger gemeinsam unterrichtet. Diese Standorte hatten sich nach einem Beschluss der Schulkonferenz bei der Schulbehörde für die Ausnahmeregelung beworben. In der diesjährigen Anmelderunde wurden hamburgweit gut 700 Fünftklässler an Starterschulen angemeldet. Die weitere Zukunft wird dann über eine Änderung des Schulgesetzes geregelt. Denkbar wäre, dass die 24 Schulen im Rahmen eines Schulversuchs mit als sechsjährige Primarschule weitergeführt werden.

Was passiert mit den Stadtteilschulen?

Die Umwandlung von Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen in Stadtteilschulen ist einer der Kernpunkte der Schulreform und kommt – unabhängig vom Volksentscheid. Künftig wird es 51 Stadtteilschulen geben, teilweise allerdings an mehreren Standorten. Die Schüler starten in der fünften Klasse und können drei verschiedene Abschlüsse ablegen: nach insgesamt neun Schuljahren den Hauptschulabschluss, nach zehn den mittleren Bildungsabschluss und nach 13 Jahren das Abitur. In den Verhandlungen zum Schulfrieden zwischen den Regierungsfraktionen CDU und GAL und den Oppositionsfraktionen SPD und vier Bürgerschaftsfraktionen wurde beschlossen, dass alle Standorte eine gymnasiale Oberstufe bekommen sollen.

Werden die Gesamtschulen mit Langform von Klasse 1 bis 13 jetzt trotzdem geteilt?

Laut gültigem Schulentwicklungsplan ja. Aber da die betroffenen Schulen sich in der Vergangenheit sehr darum bemüht haben, nicht getrennt zu werden, ist eine Übergangslösung denkbar.

Bleibt an den Gymnasien alles, wie es ist?

Im Prinzip ja. Nach den Sommerferien wechseln noch alle Viertklässler auf weiterführende Schulen. Für das Schuljahr 2011/12 gilt eine Kann-Reglung, die dann einfach wegfallen würde. Somit verbleibt die Beobachtungsstufe mit den fünften und sechsten Klassen an den Gymnasien.

Ab wann gibt es kleinere Klassen?

Unabhängig vom Volksentscheid gibt es vom kommenden Schuljahr an einen Rechtsanspruch auf kleinere Klassen mit 19 Schülern (in sozial benachteiligten Regionen) bis maximal 23 Schülern in den Primarschulen. Das gilt dann allerdings nur bis einschließlich Klasse 4.

Was wird aus dem Elternwahlrecht?

Alles bleibt beim Alten: Die Schüler bekommen Mitte des vierten Schuljahrs eine Empfehlung für die weiterführende Schule. Die Eltern haben weiterhin das Wahlrecht Am Ende der sechsten Klasse entscheidet – wie jetzt auch – die Zeugniskonferenz über den Verbleib auf dem Gymnasium. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schüler eine Empfehlung für das Gymnasium hatte.

Ab wann gibt es Zensuren?

In diesem Punkt gilt das neue Schulgesetz. Danach sind Notenzeugnisse immer dann vorgeschrieben, wenn ein Schulwechsel oder Schulabschlüsse anstehen. Die Schule ist verpflichtet, in jedem Schuljahr mindestens zwei Lernentwicklungsgespräche mit Eltern und Schülerinnen und Schülern zu führen. Das Sitzenbleiben ist abgeschafft, auch die Abschulung gibt es nicht mehr. Wer auf ein Gymnasium oder eine Stadtteilschule aufgenommen wurde, kann nicht wegen mangelnder Leistung an eine andere Schulform abgegeben werden. Die Schule hat die Verantwortung, die Schüler so zu fördern, dass ein erfolgreicher Übergang in eine berufliche Ausbildung oder die gymnasiale Oberstufe möglich bleibt.

Was bedeutet eigentlich der Schulfrieden für Hamburg?

Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den Reformgegnern der Volksinitiative „Wir wollen lernen“, die 184900 Unterschriften gegen die Schulreform gesammelt hatte, haben CDU, GAL und SPD sich auf einen Schulfrieden geeinigt. Damit verpflichten sie sich gegenüber Schülern und Eltern, die Schulstrukturen mit sechsjähriger Primarschule und Stadtteilschule und Gymnasium als weiterführende Schulformen in den nächsten zehn Jahren nicht zu verändern – unabhängig davon, wer in den nächsten Legislaturperioden die Regierung stellt. Die Linke hatte dem Kompromiss nicht zugestimmt. Die FDP ist nicht in der Bürgerschaft vertreten.


Was wird aus dem Büchergeld?

Anfang März hatte die Bürgerschaft einstimmig eine Änderung des Schulgesetzes beschlossen. Das Schulgesetz wurde mit den Stimmen von CDU, GAL und SPD und Linken entsprechend geändert. Der Passus ist nicht Bestandteil des Volksentscheids.

Was passiert mit den Lehrern?

Gymnasiallehrer, die zum kommenden Schuljahr stundenweise in die fünften Klassen der Starterschulen abgeordnet sind, werden dort auch unterrichten. Das gilt nicht für Gymnasiallehrer, die jetzt schon an Primarschulen abgeordnet sind. Auch wenn es bei der vierjährigen Grundschule bleibt, werden neue Lehrer eingestellt. Das ergibt sich aus der Senkung der Klassenfrequenzen und der Einrichtung von Ganztagsschulen.

Ab welcher Klasse wird Englisch unterrichtet?

Der Englischunterricht beginnt ab dem kommenden Schuljahr in der ersten Klasse. Wenn die entsprechenden Lehrkräfte nicht vorhanden sind, können dafür Lehrer an die Primarschulen abgeordnet werden

Was wird aus dem sogenannten Turbo-Abitur nach zwölf Schuljahren?

Hier gibt es keine Änderung. Schüler, die auf ein Gymnasium wechseln, erreichen in der Regel nach vier Grundschuljahren und acht Gymnasialjahren das Abitur. Auch die Profiloberstufe in den Schuljahren 11 und 12 bleibt bestehen.

Ist die Primarschule jetzt endgültig gescheitert ?

Erst mal hat der schwarz-grüne Senat zugesagt, das Ergebnis des Volksentscheids zu akzeptieren. Dass es in dieser Legislaturperiode einen neuen Anlauf für die Einführung einer Primarschule mit längerem gemeinsamen Lernen bis Klasse 6 gibt, ist unwahrscheinlich.