In einer Umfrage von abendblatt.de votierten 73 Prozent der Befragten für Neuwahlen. Schwarz-Grün ist derweil um Geschlossenheit bemüht.

Hamburg. Das Ergebnis ist eindeutig: Die übergroße Mehrheit der Hamburger ist offenbar der Meinung, dass es nach den angekündigten Rücktritten von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) Neuwahlen in der Hansestadt geben sollte. Eine Umfrage auf abendblatt.de ergab, dass 73 Prozent der Befragten für Neuwahlen plädieren. Lediglich 27 Prozent verneinten die Frage. An der Umfrage hatten sich 1755 Leserinnen und Leser beteiligt. Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ, vermittelt aber eine Tendenz in der Meinungsbildung der Hamburger.

Der Rücktritt des Hamburger Ersten Bürgermeisters Ole von Beust und die gescheiterte Schulreform führten am Montag - dem Tag nach dem Doppelschlag - zu einer Debatte über die Zukunft der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt. Die Regierungskoalition demonstrierte zwar Geschlossenheit. So stärkten führende Vertreter von CDU und Grünen (GAL) Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) bei einem gemeinsamen Auftritt vor Journalisten den Rücken und lehnten deren Rücktritt ab. Allerdings zeichnete sich auch ab, dass die Grünen nicht so ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen wollen.

So ließ ihr Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion, Jens Kerstan , vor Journalisten ausdrücklich offen, ob die schwarz-grüne Koalition nach dem für den 25. August angekündigten Rücktritt von Beusts fortgesetzt werden soll. Seine Partei werde am 22. August auf einer Mitgliederversammlung über das Thema entscheiden, sagte der Politiker. Es gebe zwar auch nach dem Scheitern der Schulreform noch reichlich "grüne Projekte", die man umsetzen wolle. Allerdings müsse die Union auch unter dem designierten Bürgermeister Christoph Ahlhaus den liberalen Kurs der vergangenen Jahre fortsetzen und zum Koalitionsvertrag stehen.

Ähnlich deutlich hatte die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank sich am Morgen in einem Interview des Deutschlandfunks geäußert. In dem Gespräch wollte sie zwar nicht von Bedingungen sprechen, machte aber deutlich, dass ihre Partei Gesprächsbedarf habe und ohne weiteres den Wechsel von Ole von Beust zu Christoph Ahlhaus nicht akzeptieren werde. Hintergrund ist die Tatsache, dass der aus Baden-Württemberg stammende Ahlhaus eher dem konservativen Flügel der CDU angehört und als Innensenator eigentlich für eine strenge Law-and-Order-Politik steht.

Ungewöhnlich deutlich wurde die Grünen-Bundestagsabgeordnete Krista Sager , der ein besonderes Gespür für die Stimmung an der Basis nachgesagt wird. Es gebe keinen Automatismus, dass der schwarz-grüne Senat und die Bürgerschaft nun einfach zur Tagesordnung übergehen, sagte die Politikerin "Zeit Online". „Wir müssen klären, wie die CDU nun zu den gemeinsamen Projekten steht, etwa beim Klimaschutz und der Rechtspolitik." Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GAL in der Bürgerschaft, Antje Möller, äußerte sich zurückhaltend. „Uns erreichen nun viele besorgte Fragen nach der Verlässlichkeit des Senats."

Von Beust hatte in den vergangenen Jahren in wichtigen gesellschaftlichen Fragen wie beispielsweise der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Frage nach längerem gemeinsamen Lernen vermehrt liberale Positionen vertreten und die Hamburger CDU zu einer modernen Großstadtpartei wandeln wollen. Nicht zuletzt gilt Ole von Beust als einer der Architekten der bundesweit ersten schwarz-grünen Regierungskoalition auf Landesebene. Grünen-Spitzenpolitiker betonten wiederholt, dass es gerade auf der persönlichen Ebene sehr gut zwischen den Koalitiontären geklappt habe. Von Beust stellte am Montag in Berlin klar, dass er für Schwarz-Grün „absolut keine Gefährdung“ sehe. „Die Koalition ist nicht mein alleiniges Werk.“ Die Partner hätten „sehr gut, teilweise freundschaftlich“ zusammengearbeitet. Sein Nachfolger werde das „genauso vertrauensvoll“ tun.

Die CDU-Landespitze, die angesichts sich dramatisch verschlechternder Umfrageergebnisse kaum ein Bedürfnis nach Neuwahlen verspüren dürfte, lobte am Montag denn auch Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL), die wegen des verlorenen gegangenen Volksentscheids politisch angeschlagen ist, über den grünen Klee. „Frau Goetsch macht eine ausgezeichnete Arbeit“, sagte CDU-Fraktions- und Parteichef Frank Schira . Bei dem Volksentscheid zur Schulreform sei eine „Sachfrage“ entschieden worden, es sei aber keine Abstimmung über die schwarz-grüne Regierung gewesen, betonten Schira und GAL-Fraktionschef Jens Kerstan. Goetsch sagte trotzig , sie werde trotz der Niederlage weitermachen. Die Hamburger Regierung befinde sich momentan „in schwerer See“, da könne sie nicht einfach „das Schiff verlassen“.

+++ Die Rücktrittserklärung von Ole von Beust +++

+++ Porträt: Christoph Ahlhaus - der designierte Nachfolger +++

+++ Zitate von Hamburgern zum Rücktritt des Bürgermeisters +++

Zurückhaltung signalisierte Grünen-Parteichef Cem Özdemir, der in Berlin ankündigte, seine Partei wolle nach der Rücktrittsankündigung Ole von Beusts das schwarz-grüne Bündnis an der Elbe grundsätzlich überprüfen. „Das schwarz-grüne Schiff liegt jetzt sozusagen im Trockendock in Hamburg“, sagte Özdemir. „Wir werden auch die Gelegenheit nutzen, uns den Rumpf sehr genau anzuschauen, ob er für die restlichen zwei Jahre dieser Legislaturperiode hält.“ Eine Absage an Schwarz-Grün wollte Özdemir nicht erteilen. „Wenn der Kapitän müde ist und sagt, er möchte abgelöst werden, dann versenkt man das Schiff nicht, sondern schaut sich den an, der neuer Kapitän werden möchte.“ Eine Neuausrichtung des Kurses der Offenheit gegenüber möglichen Bündnispartnern stehe nicht an: „Der Kurs der Eigenständigkeit hat sich bewährt.“

Hamburgs Sozialdemokraten, die in Umfragen derzeit in Hamburg die stärkste politische Kraft sind und bei Neuwahlen auf eine Wiederauflage von Rot-Grün hoffen dürfen, übten sich am Montag in vorsichtiger Zurückhaltung und nur indirekt Druck auf die Grünen aus, das Bündnis mit der CDU zu verlassen. Ole von Beust habe mit seiner Rücktrittsankündigung viele Menschen in der Hansestadt düpiert, sagte SPD-Landeschef Olaf Scholz. Viele hätten bei der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 nur seinetwegen die CDU gewählt. Nun könne die Partei nicht einfach mit einem neuen Bürgermeister weitermachen. Auch die GAL dürfte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, fügte Scholz hinzu und bekräftigte seine Forderung vom Vorabend nach Neuwahlen.

Dem widersprach Alt-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der ebenfalls der SPD angehört. Der Politiker lehnte Neuwahlen rundheraus ab. Zugleich bedauerte von Dohnanyi den Rücktritt Ole von Beust, zeigte aber Verständnis. „Herr von Beust war ein ganz ausgezeichneter Bürgermeister und ein Mann mit großem Mut und jemand, den ich eigentlich immer sehr bewundert habe, weil er wirklich mit Klarheit und Mut eine gute Politik gemacht hat“, sagte von Dohnanyi dem Fernsehsender Phoenix. Dohnanyi bewertete den Zeitpunkt des Rücktritts als unglücklich. „Aber ich verstehe ihn, wenn er sagt, mein Nachfolger soll die Chance haben, sich einzufinden auch für die nächste Wahl im Jahr 2012."

Interessant dürfte die Debatte über die Altersversorgung von Bürgermeister Ole von Beust werden. Dem Hamburger Senatsgesetz zufolge stehen Ole von Beust nach dem Ausscheiden drei Monate lang 13577,83 Euro zu. Danach folgt ein Übergangsgeld bis zum 31. August 2012 von 6788,91 Euro monatlich. Anschließend könnte Beust ein Ruhegehalt von 6313,69 Euro beziehen, das ab dem 55. Lebensjahr gewährt wird. Ole von Beust hatte vor kurzem das 55. Lebensjahr vollendet. Senatssprecherin Kristin Breuer sagte allerdings: „Wir gehen fest davon aus, dass er zeitnah arbeiten wird und das nicht in Anspruch nimmt.“ Übergangsgeld und Ruhegehalt werden mit dem Einkommen verrechnet.