Hamburg. Seit Monaten sind Innenbehörde und die neue Feuerwehrleitung in der Kritik. Warum vom Innenausschuss nicht viel zu erwarten ist.
Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man im Hinblick auf die Innenausschusssitzung am Donnerstag zum Beispiel Folgendes schreiben: Feuerwehr-Showdown – kommt jetzt alles ans Licht? (1) Oder: Streit um Rettungsdienst – jetzt kommt alles auf den Tisch. (2) Gegebenenfalls könnte man sogar von einer Sondersitzung schreiben. (3) Oder auch, dass schon bald die Fortsetzung im Hinblick auf die Aufklärung aller Probleme bei der Feuerwehr folgen wird. (4)
Das Kuriose: All das stand bereits im Abendblatt. Die Sondersitzung (3) zur Feuerwehr wurde bereits im Juli gefordert, im September sollten dann wirklich alle Probleme rund um die Führung der Feuerwehr und der Innenbehörde auf den Tisch (2), ehe der Feuerwehr-Showdown (1) doch erst am 1. November über die Bühne gehen sollte – und man sich dabei dann wieder auf eine Fortsetzung (4) beim nächsten Innenausschuss verständigte.
Feuerwehr Hamburg: Im Innenausschuss soll über zahlreiche Probleme debattiert werden
Nun also an diesem Donnerstag Versuch Nummer drei, vier oder fünf – so ganz genau weiß das auch keiner mehr. Klar scheint dagegen schon vor der Sitzung, dass die zahlreichen Probleme und Sorgen rund um die Chefetage der Feuerwehr auch in dieser Sitzung nur gestreift werden können. Denn: Die Tagesordnung sieht es vor, dass im Rathaus zunächst ab 17 Uhr das Geiseldrama vom Flughafen politisch aufgearbeitet werden soll, ehe man sich dann erst unter Punkt zwei ein weiteres Mal mit der Feuerwehr beschäftigen will.
Eine Vermutung von Sitzungsteilnehmern: Die seit Monaten überfällige Aufklärung rund um die Feuerwehr könnte nach einer XXL-Debatte rund um die offensichtlich mangelhafte Sicherheit des Flughafens wieder einmal verschoben werden. Und so bleibt die Sorge: Werden die Feuerwehrprobleme möglicherweise nie gelöst?
Missstände bei der Feuerwehr seit Monaten im Fokus
Probleme gibt es jedenfalls mehr als genug. Nicht um die Feuerwehrmänner und -frauen, die auch in diesem Jahr einen herausragenden Job erledigt haben. Sondern um die Führung, die Struktur und die angebliche Einflussnahme aus der Innenbehörde. In diesem Jahr gab es nur wenige Themen, über die das Abendblatt so ausdauernd berichten musste wie über Missstände bei der Feuerwehr.
Wenn man einen Überblick über die mutmaßlich größten Baustellen der Feuerwehr geben will, dann fällt es gar nicht so einfach, wo man anfangen und wo man aufhören soll. Ein möglicher Startpunkt: die Dauerkrankschreibung der damaligen Feuerwehrchefs seit dem vergangenen Jahr. Sowohl Oberbranddirektor Christian Schwarz als auch dessen Stellvertreter Stephan Wenderoth haben sich nach Streitereien mit der Innenbehörde bereits im vergangenen Jahr krankschreiben lassen. Zuletzt hatte Schwarz sogar gegen die Innenbehörde geklagt – und vor Gericht verloren.
Das Hauptproblem der Feuerwehrführung, der Einfachheit halber Problem Nummer eins genannt, ist trotzdem genau hier zu suchen und zu finden: in der Führung. Im Abendblatt sprachen im Sommer mehrere leitende Angestellte anonym von krasser Überlastung, Mobbing, einem hohen Krankenstand und sogar einem Klima der Angst. In einer Stellungnahme erwiderte die Presseabteilung der Feuerwehr damals: „Einen strukturell desolaten Zustand, wie Sie ihn herbeischreiben, können wir nicht erkennen und weisen wir in aller Deutlichkeit zurück.“
Mobbing und Überlastung bei der Hamburger Feuerwehr?
Im Frühjahr dieses Jahres wurden Jörg Sauermann und Jan Peters zu Interimschefs ernannt, die allerdings weder die Sorgen vermindern noch die strukturellen Probleme beheben konnten. Problem Nummer zwei: Hinter vorgehaltener Hand wurde immer wieder ein zu starker Einfluss durch die Innenbehörde kritisiert – besonders nachdem Kathrin Schuol, die Abteilungsleiterin für Öffentliche Sicherheit, zwischenzeitlich von Innensenator Andy Grote mit dem Auftrag versehen wurde, den Laden wieder auf Vordermann zu bringen.
Auch die enge Verbindung zwischen Schuol und Prof. Thoralf Kerner aus dem Asklepios Klinikum Harburg, dem Beauftragten der Leitenden Notarztgruppe, sorgt innerhalb der Feuerwehr für Gesprächsstoff. Gerade erst hatten mehrere unabhängige Juristen im Abendblatt erklärt, dass Kerner trotz seiner unstrittigen Expertise womöglich nicht die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, als Beauftragter der Leitenden Notarztgruppe zu fungieren. Der Vorwurf: Im vergangenen Innenausschuss soll diesbezüglich sogar nicht die ganze Wahrheit berichtet worden sein. Auf eine Reaktion der Feuerwehrführung oder der Innenbehörde wartet man allerdings vergeblich.
Und damit ist man auch schon bei Problemkind Nummer drei: dem Rettungsdienst. Hilfsfristen konnten oft nicht eingehalten werden, Rettungswagen mussten immer wieder abgemeldet werden, und laut Einsatzprotokollen, die dem Abendblatt vorliegen, sollen auch immer wieder „falsche“ Krankenhäuser angefahren worden sein. Direkt vor den Sommerferien soll Senator Grote dann auch noch versucht haben, ein neues Rettungsdienstgesetz durchzupeitschen, dessen ersten Entwurf er aufgrund von geballter Kritik im Nachhinein wieder modifizieren musste.
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Lücken im Rettungsdienst nach Falck-Aus
Die allgemeine Situation im Rettungsdienst scheint sich seit einem knappen Monat noch einmal durch die spezielle Situation des privaten Anbieters Falck zu verschärfen. Oder mit anderen Worten: Problem Nummer vier. So können die vier Hilfsorganisationen die Lücke, die Falck nach dem erzwungenen Aus am 16. November hinterlassen hat, offenbar nicht füllen. Es gab bereits eine erste Krisensitzung, auf die in der vergangenen Woche aber wieder deutlich mehr als 50 Abmeldungen von Rettungswagen folgten.
Das aktuelle Problem könnte mittelfristig sogar noch gravierender werden, da nun auch die Ausbildung durch Falck in Gefahr sein soll. Aktuell bildet das Privatunternehmen an seiner Akademie in Wandsbek zwar weiterhin dringend benötigte Notfallsanitäter theoretisch aus, kann diese aber seit dem Rettungsdienstaus nicht mehr praktisch weiterbilden. Die kurzfristige Lösung: Die aktuellen beiden Falck-Notfalllehrgänge wurden von der Feuerwehr aufgekauft. Sie werden also weiter an der Falck-Akademie ausgebildet, werden aber von der Feuerwehr bezahlt und machen auf Feuerwehr-RTW ihre Pflichtpraktika.
Innenausschuss: Wie intensiv werden die Probleme der Feuerwehr besprochen?
Doch auch an der Feuerwehrakademie gibt es Sorgen, beziehungsweise Problem Nummer fünf. So soll an der Feuerwehrakademie in den vergangenen Jahren ein System etabliert worden sein, das interne Honorarkräfte aus der Feuerwehr zwar finanziell begünstigt, dabei aber ganz bewusst die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung umgeht. Ob sie ihre bisherige Praxis für rechtens hält, wollte die Feuerwehr zuletzt auf Abendblatt-Nachfrage nicht konkret beantworten. Nur so viel: „Die bisherige Praxis wird auf Rechtssicherheit überprüft, damit eine nachhaltige Neugestaltung sichergestellt ist. Derzeit ist der Zeitpunkt, wann die rechtliche Überprüfung abgeschlossen sein wird, nicht valide abschätzbar.“
Über all diese Themen könnte man sicher auch im Innenausschuss ausgiebig diskutieren – wenn es denn politisch gewollt wäre. Sehr gerne hätte das Abendblatt auch mit der Führung der Feuerwehr direkt über die Probleme gesprochen. In den vergangenen sechs Monaten hat das Abendblatt drei Interviewanfragen gestellt, die vorerst letzte in der vergangenen Woche. Eine Antwort gab es bis heute nicht.